(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/07, 3 ) < home RiV >
Leistungsorientierte Besoldung
für Richter und Staatsanwälte
- eine Frage des Mutes?
... dies könnte man glauben, wenn man die um Unterstützung entsprechender Pläne und Mitwirkung bei der Umsetzung werbenden Worte aus der Politik hört. Aber ist dies das richtige Kriterium, zielt dieser Appell in die richtige Richtung?
Die Pläne des Senats zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften, über die der Vorstand des HRiV in den Heften 1 und 2 informiert hatte[1], sind mittlerweile Gesetz geworden[2]. Richter und Staatsanwälte erhalten wie die Beamten für das Jahr 2007 eine Einmalzahlung in Höhe von 560 € und ab dem 1.1.2008 eine lineare Besoldungserhöhung von 1,9 v.H. Die Differenz von 1 v.H. zu der Erhöhung der tariflichen Entgelte um 2,9 v.H. soll, so die Absichtserklärung des Senats schon in der Begründung des Gesetzentwurfs[3], für die Einführung von Leistungszulagen verwendet werden. Dabei sind Richter und Staatsanwälte ausdrücklich nicht ausgenommen; allerdings sollen die insofern bestehenden rechtlichen Besonderheiten bei der näheren Ausgestaltung in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung finden. Die von den beteiligten Berufsverbänden – u. a. auch vom HRiV – in der öffentlichen Anhörung durch den Haushaltsausschuss am 13. Juni erhobenen Einwände[4] sind zwar in der Sitzung des Ausschusses am 15. Juni diskutiert worden[5], haben jedoch den Senat zu keiner Änderung seiner Haltung bewogen. Dies gilt insbesondere auch für die vom Vorsitzenden des HRiV dort formulierten verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Vertreter des Senats brachten vielmehr ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass bereits vor einer Entscheidung eine mögliche Verfassungswidrigkeit kritisiert worden sei. Die Gespräche befänden sich im Anfangsstadium, sodass Einzelheiten noch nicht genannt werden könnten. Unstrittig sei, dass besondere Gruppen wie beispielsweise die Richterschaft separat zu betrachten seien. Unabhängig davon sei im Richterbereich bereits die Einbeziehung des Leistungskriteriums bei Beförderungen üblich. Denkbar sei, dass die Richterschaft selbst die Verantwortung für die Verteilung mit übernimmt. Das System im Richterbereich sei durchaus vergleichbar mit dem übrigen Öffentlichen Dienst, ohne dass die richterliche Unabhängigkeit davon betroffen sei. Sie stellten des Weiteren klar, dass eine Anrechnung der Zulagen auf die Versorgung nicht vorgesehen sei.
Nach den Vorstellungen des Senats ist die Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung (LOB) im öffentlichen Dienst ein weiterer Baustein, um die Qualität der Dienstleistungen der Freien und Hansestadt Hamburg zu erhalten und zu verbessern, ein zusätzliches Element zur Stärkung der Motivation sowie ein weiteres Handlungsinstrument des Personalmanagements. Sie soll es ermöglichen, besonders gute Leistungen zu honorieren und schließlich zu einer Verbesserung des Führungsverhaltens führen. In den Ohren von Richtern und Staatsanwälten, die bei der Formulierung dieser Grundsätze zumindest grundsätzlich nicht ausgenommen wurden, muss dieser Tonfall fremd klingen. Man muss ja nicht unbedingt die Befürchtung des Landesverbandes der Verwaltungsrichter des Landes Sachsen-Anhalt teilen, der der Forderung des Justizstaatssekretärs dieses Landes, Burkhard Lischka, vom 21. August 2007 nach Leistungsprämien in der Justiz entgegenhält, solche Prämien seien bei Lichte betrachtet nichts anderes als eine Akkordzulage, die Anreiz bieten solle, möglichst viele Verfahren zu erledigen, und die Gefahr in sich berge, die Qualität der Rechtsprechung zu mindern. Aber wenn man weiß, wie leicht die Politik dazu neigt, die unbestritten notwendige Effizienz der Justiz in erster Linie an (Erledigungs-)Zahlen zu messen, sind solche Befürchtungen nicht unverständlich. Mit einem Appell allein an den Mut, sich an Gesprächen zur Entwicklung von Regelungen zur Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung in Bereich der R-Besoldung zu beteiligen, ist dieses Unbehagen nicht zu übertönen.
Ganz anders äußerte sich die Bundesministerin der Justiz im Frühjahr 2005 in der DRiZ[6] zu schon damals im Zusammenhang mit der verabredeten Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung im öffentlichen Dienst halblaut angestellten Überlegungen, sie auf die Justiz zu erstrecken:
„Das neue Modell der Beamtenbesoldung zielt darauf ab, Leistungsanreize durch ein leistungsorientiertes Bezahlungssystem zu schaffen. Dies ist sinnvoll für Tätigkeitsbereiche, in denen flexible Einsatzbereiche, unterschiedliche Zuteilungsmöglichkeiten im Hinblick auf den Arbeitsanfall durch Dienstvorgesetzte, weisungsentsprechende Ausführung der Arbeit und die Umsetzung von inhaltlichen Vorgaben im Einzelfall den Arbeitsalltag des einzelnen mit bedingen. Davon unterscheidet sich aber der richterliche Arbeitsbereich wesentlich: die Vorgabe der Arbeitsmenge erfolgt durch den Geschäftsverteilungsplan. Dieser wird durch das Präsidium zwingend im Voraus festgelegt … Diese gesetzlich vorgegebene Art und Weise der Zuteilung durch den Geschäftsverteilungsplan entzieht dem Einzelnen den Einfluss bzw. die Entscheidung über seine Arbeitsmenge. ... Die Rechtsprechung ist geprägt durch besondere Umstände, die eine unterschiedliche Behandlung zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes rechtfertigen. Hier ist zuerst die vom Grundgesetz garantierte richterliche Unabhängigkeit zu nennen, die den Bereich der Rechtsprechung von jeglicher Beeinflussung durch Exekutive und Legislative schützen soll. Diesem Schutzbedürfnis wird die bisherige R- Besoldung gerecht. Mit der Einführung individueller Leistungsstufen entstünde die Gefahr, dass die sachliche und personelle Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter beeinträchtigt würden.“
Das Präsidium des Deutschen Richterbundes hatte sich am 25. April 2007 entschieden gegen Bestrebungen in einzelnen Bundesländern gewandt, leistungsbezogene Elemente in die Besoldung der Richter und Staatsanwälte einzuführen, und eine Leistungsbesoldung der Richter und Staatsanwälte unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung des BVerfG als unvereinbar mit der vom Grundgesetz garantierten richterlichen Unabhängigkeit bezeichnet. Zudem gebe es keine Parameter für die Begründung von Zulagen oder Leistungsprämien. Vertretungsfälle und besonders schwierige Dezernatsaufgaben seien keine Unterscheidungskriterien, die eine zusätzliche durch die Justizverwaltung gewährte Bezahlung rechtfertigten, da die Aufgaben und auch die Vertretung durch das Präsidium zwingend im Rahmen des Geschäftsverteilungsplanes im Voraus festgelegt werden. Diese gesetzlich vorgegebene Art und Weise der Arbeitsverteilung entziehe dem Einzelnen den Einfluss bzw. die Entscheidung über seine Arbeitsmenge. Richterliche Tätigkeit sei als besondere schöpferische Tätigkeit nicht verlässlich messbar wie Verwaltungstätigkeit. Die Rechtsfindung sei nicht das Ergebnis eines behördlichen Ablaufs sondern eines höchstpersönlichen Erkenntnisprozesses. Die Schwierigkeit einzelner Sachen sei nicht von vornherein abschätzbar. Der besonderen Situation der Justiz gegenüber der Verwaltung entspreche die von der A-Besoldung getrennte Besoldung.
An den oben wiedergegebenen Äußerungen der Vertreter des Senats im Haushaltsausschuss sind - vom Fehlen einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Einwänden, insbesondere von schlüssigen Gegenargumenten abgesehen - zwei Dinge bemerkenswert:
Die Überlegung, die Richterschaft selbst die Verantwortung für die Verteilung mit übernehmen zu lassen - die nichts an der grundsätzlichen Problematik ändert -, hat immerhin den Charme, dass hier vonseiten der Exekutive ungewohnte Gedanken an eine richterliche Selbstverwaltung geäußert werden.
Der Hinweis auf die Einbeziehung des Leistungskriteriums bei Beförderungen ist als solcher durchaus richtig; er ist nur nicht geeignet, die geplanten Maßnahmen zu rechtfertigen; im Gegenteil verweist er auf den Weg, auf dem überdurchschnittliche Leistung und Befähigung in der Justiz ohne Systembruch und verfassungsrechtlich unbedenklich zu „honorieren“ sind, nämlich durch die Übertragung von Ämtern, die mit einer höheren Besoldungsstufe verbunden sind. Es ist ja nicht so, dass es in Hamburg keinen Bedarf dafür gibt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Teilhabe der Richter an finanziellen Mitteln, die der Stärkung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes dienen sollen, ist durchaus angezeigt, muss aber im Wege der Weiterentwicklung der bestehenden gesonderten Besoldungsstrukturen der Richter erfolgen. Die meisten Richter und Staatsanwälte befinden sich im Eingangsamt. Wegen der relativ geringen Zahl an Beförderungsämtern ist bei den meisten Kollegen eine Beförderung wenn überhaupt, so nur einmal möglich. Insbesondere für diese Kollegen wäre ein Leistungsanreiz durch eine größere Zahl von Aufstiegsämtern wünschenswert.
Zieht man allerdings das vom Senat für Leistungszulagen bzw. –prämien zur Verfügung gestellte Volumen von 1 v.H. der Summe der Bezüge der Richter und Staatsanwälte in Hamburg in Betracht, so ist Ernüchterung angebracht, denn die Zahl der durch diese Mittel finanzierbaren Beförderungsstellen in der Hamburger Justiz liegt im einstelligen Bereich. Wesentliche zusätzliche Leistungsanreize dürften sich auf diesem Wege deshalb kaum erzielen lassen. Es wäre nicht mehr – aber auch nicht weniger – als ein Schritt in die richtige Richtung.
Jürgen Kopp
[4] nachzulesen im Wortprotokoll unter www.hamburgische-bürgerschaft.de/parlamentsdatenbank
[5] vgl. das unter der in Fn. 4 genannten Internetadresse aufzurufende Protokoll dieser Sitzung