(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/05, 12) < home RiV >
Friedrich der Große und
Koalition die Große
- Wie mit Sparvorschlägen umzugehen ist -
Im Koalitionsvertrag mit seinen Anlagen haben die Regierungsparteien vereinbart, die Ausgaben im öffentlichen Dienst des Bundes um eine Milliarde Euro pro Jahr zu senken – u.a. durch Halbierung des Weihnachtsgeldes (bislang 60%, künftig also 30%). Da ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Bundesländer nachziehen werden[1].
Nur weil heutige Staatsmänner nicht von gestern sind, sind sie nicht zwangsläufig weiser als gestrige Staatsmänner. Friedrich II. der Große (1740-86) antwortete auf den Vorschlag des Geheimrats v. Taubenheim, die Gehälter der unteren Beamten aus Ersparnisgründen um die Hälfte herabzusetzen[2]:
"Ich danke dem Geheimen Rat von Taubenheim für seine guten Gesinnungen und ökonomischen Rat. Ich finde aber solchen um so weniger applikable[3], da die armen Leute jener Klasse ohnehin schon so kümmerlich leben müssen, da die Lebensmittel und alles jetzt so teuer ist, und sie eher eine Verbesserung als Abzug haben müssen.
Indessen will ich doch seinen Plan und die darin liegende gute Gesinnung annehmen und seinen Vorschlag an ihm selbst zur Ausführung bringen und ihm jährlich 1000 Taler mit dem Vorbehalte an dem Traktament[4] abziehen, daß er sich übers Jahr wieder melden und Mir berichten kann, ob dieser Etat seinen eignen häuslichen Einrichtungen vorteilhaft oder schädlich sei.
Im ersten Falle will Ich Ihm von seinem so großen als unverdienten Gehalte von 4000 Talern auf die Hälfte heruntersetzen und bei seiner Beruhigung seine ökonomische Gesinnung loben und auf die anderen, die sich deshalb melden werden, diese Verfügung in Applikation bringen".
Von manchem Nichtbeamten wird diese zeitlos richtige Einschätzung nicht immer geteilt. So tief sitzt in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit der Neid auf die Unkündbarkeit, dass deswegen den Beamten/Richtern alle Streichungen zugemutet werden, auch wenn die Streichungen mit der Unkündbarkeit nicht zu tun haben. Mit der gleichen Berechtigung müsste man sonst alle Beschäftigten der freien Wirtschaft, die es schaffen, die Zeit bis zur Rente ungekündigt zu überstehen, mit Vermögensopfern bestrafen. Aberwitzig ist eine solche Un-/Logik bei den einen wie bei den anderen.
Wolfgang Hirth
[1] Übersicht zu vergangenen Streichungen: Hahn, MHR 3/2004, 4; Übersicht zu künftigen Streichungen: DRB-Berlin, MHR 1/2004, 16; zu den Eigenbeiträgen der Richter und Beamten zu ihren Pensionen: Hirth, MHR 1/2005, 17
[2] Friedrich II., Wonach er sich zu richten hat, Urteile und Verfügungen, hrsg. v. Georg Piltz, S. 14 f.;
a.a.O. S. 59 befindet sich die oben abgedruckte Illustration von Adolph Menzel mit der Bildunterschrift "Ich kenne alle Advokaten-Streiche ..."
[3] applikable = anwendbar (laut dem „Kleinen Leitfaden für Anfänger im Friderizianischen“, Urteile und Verfügungen - siehe Fn. 1 - S. 98)
[4] Traktament = Gehalt (Kleiner Leitfaden, a.a.O.)