(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/03, 22) < home RiV >
Justizhaushalt
- angemessene Ausstattung
im Verfassungsauftrag -
1. Veranstaltungsbericht
Am 24.01.03 fand im Plenarsaal des OLG eine von Frau Abayan moderierte Veranstaltung des Richtervereins zum Thema „Justizhaushalt“ statt. Folgende Referate wurden gehalten:
- Grundbegriffe des Haushaltswesens
(Dr. Alpheis)
- Der Haushalt im Gericht (Rühl)
- Die Behandlung des Haushaltsentwurfs durch die Justizbehörde (Siewert)
- Der Justizhaushalt in der Bürgerschaft
(Zuckerer)
- Richter und Justizhaushalt (Hirth)
Die Referate sind im Volltext nachzulesen bei www.richterverein.de/j2000/haushsem/justizhaushalt.htm. Die Veranstaltung diente zum Teil der Fortbildung und zum teil rechtspolitischen Anliegen. Im Zentrum des rechtspolitischen Teils lag die Frage nach verbindlichen Kriterien für die Justizausstattung, weshalb nach diesem Veranstaltungsbericht der Vortrag von Hirth abgedruckt wird.
Zuckerer - SPD-Fraktionsvorsitzender und am Vortragstage noch Vorsitzender des Haushaltsausschusses - erzählte über seine Unterlage hinaus interessante Einzelheiten. Er outete sich als Sohn eines Vizepräsidenten des BayObLG. Er verwies auf den Finanzbericht, in dem die Gefährdung der Finanzierung der staatlichen Kernaufgaben festgestellt wird, weil - auch durch die Steuergesetzgebung - strukturelle Probleme bei den staatliche Einnahmen bestehen. Die Möglichkeiten zum Sparen seien in Hamburg begrenzt. Im Justizhaushalt könnten Einsparziele weniger im Personalbereich, sondern allenfalls durch Rationalisierungen verfolgt werden. Die Einführung einer Fachvorberatung des Haushaltsentwurfs in den Fachausschüssen (hier also im Rechtsausschuss) habe Einsparungen nicht erleichtert, weil die Fachpolitiker sich als Interessenvertreter verstünden.
Kennzahlen für die Mittelbemessung bedürften in der Regel der politische Bewertung. So sei es denn auch nur bedingt richtig, gegenüber der subjektiven Belastungseinschätzung im Rahmen des Richterprotests 2001 darauf zu verweisen, dass Hamburg im bundesweiten Vergleich bei der Verfahrensdauer nicht schlecht abgeschnitten habe. Im politischen Bereich würden Richter gelegentlich als die „Autonomen in den schwarzen Roben“ bezeichnet, d.h. mit Richtern kann man nicht sprechen, weil sie immer im Recht sind. Es sei schwierig zu ermitteln, wo die Grenze der Funktionsfähigkeit der Justiz liege. Oberhalb der Grenze gebe es einen Rahmen, innerhalb dessen die Politik ein Ermessen hinsichtlich der Höhe der Justizausstattung habe.
Zuckerer hielt die im Richterprotest 2001 zum Ausdruck gekommene Belastungseinschätzung der Richter für nur subjektiv, weil die Hamburger Verfahrensdauer im Bundesdurchschnitt nicht schlecht gewesen sei.
In der Diskussion räumte Zuckerer ein, dass die SPD im Jahre 2000/2001 die Lage der Justiz falsch eingeschätzt habe. Die Politik habe eine angemessene Ausstattung der Justiz zu gewährleisten.
Harms wies auf die Justiz als Standortfaktor hin.
Dr. Alpheis lehnte eine „Bevorzugung“ der Justiz vor anderen Bereichen des öffentlichen Lebens ab.
Demgegenüber konnte Herr Stallbaum eine unterschiedliche Belastung der verschiedenen Ressorts ausmachen. Die Justiz werde willkürlich und nicht ausreichend entlastet. Selbst der Präsident des Rechnungshofs habe festgestellt, dass die Justiz zu den „total abgefressenen“ Ressorts gehöre. In guten Zeiten sei die Justiz nie so stark gewachsen wie andere Behörden. Der Senat sei mit der Aufgabenkritik auf dem richtigen Weg. Die Produktinformationen der Justiz müssten für die Haushaltsbemessung besser ausgestaltet werden, was die Finanzbehörde aber nicht wolle.
Lesen Sie wie gesagt nun den folgenden Vortrag, den Herr Hirth auf der Veranstaltung gehalten hat.
die Redaktion
2. „Richter und Justizhaushalt“
„Richter und Justizhaushalt“ lautet mein Thema. Aber was habe ich als Richter schon mit dem Haushalt zu tun. Ich sitze an meinem Schreibtisch und in meinem Verhandlungssaal und mache meine Arbeit. Was interessiert mich schon, was die da oben im Ministerium und im Parlament über Haushaltstitel verhandeln. Das ist dröger Stoff und die Fachleute werden’s schon richten.
Dass Sie - liebe Kollegen - nicht so denken, zeigt schon der Umstand, dass Sie hier sind. Und damit ist schon ein Zweck dieser Veranstaltung erreicht, nämlich das Interesse an diesem Thema und das gegenseitige Verständnis zu fördern. Es soll die Haltung aufbrechen: „Die da, die machen sowieso, was sie wollen. Darum brauchen wir uns nicht zu kümmern.“
Es sei uns stets bewusst, dass nicht alles zwangsläufig ist, sondern dass – wie in allen politischen Abläufen – das Ergebnis mitgesteuert werden kann durch Wille, Einfluss, Nutzung günstiger Gelegenheiten und Kenntnisse der Möglichkeiten, an bestimmten Punkten einzuhaken.
„Richter und Haushalt“: Da stellt sich auch die Frage: Wie wirkt sich der Justizhaushalt auf den einzelnen Richter aus? Die Antwort ist so trivial wie die Frage: Mehr Geld oder weniger Geld bedeutet:
- mehr oder weniger Kollegen = kürzere oder längere Verfahrensdauer; aus der Not geborene fragwürdige Konstruktionen von Kammerbesetzungen[1]: ja oder nein
- mehr oder weniger Fachliteratur = bessere oder schlechtere Arbeitsqualität
- mehr oder weniger nichtrichterliches Personal
- mehr oder weniger Gebäudeunterhaltung
- mehr oder weniger Zwietracht zwischen Verwaltung und Personal
Aber auch die interne Geldverteilung innerhalb der Gerichte wirkt sich auf den einzelnen Richter aus; das Stichwort SAP gibt dem noch eine besondere Ausprägung.
„Richter und Haushalt“: Was kann der einzelne Richter für den Justizhaushalt tun?
Er kann und soll und muss sparsam mit den Ressourcen umgehen. Die richterlichen Aufgaben braucht und darf er darunter natürlich nicht leiden lassen; sie haben Vorrang. Abwegig ist beispielsweise die Vorstellung eines Ministerialbeamten, ein Richter brauche nicht so viele Zeugen zu laden; 2 statt 5 täten’s auch. Derartige Entscheidungen sind von Rechts wegen nicht an die Haushaltslage gekoppelt, sondern sind durch das Prozessrecht vorgegeben.
Was kann der Einzelne noch tun für den Haushalt? Er kann sich in den Mitbestimmungsgremien, den Budgeträten oder in Interessenverbänden engagieren. Aber letztlich bleibt der Einfluss des Einzelnen natürlich und richtigerweise beschränkt. Darum müssen wir als Gesamtheit stärker in dieser Frage auftreten, denn es gibt Einiges zu tun.
Die Budgetierung hat wie erwartet zur Abschiebung von Verantwortlichkeit geführt. Wenn etwa an einer Stelle das Personal knapp ist, dann wird den Gerichten gesagt: ihr müsst eben intern umschichten. Wir sollen also ein Loch verkleinern, indem wir ein anderes Loch vergrößern. Das entspricht nicht dem AKV-Prinzip, wonach „Aufgabe – Kompetenz – Verantwortung“ in einer Hand liegen sollen. Als ob es nicht die Aufgabe des Haushaltsgebers ist, hinreichende Budgets für die Aufgabenbewältigung zur Verfügung zu stellen. Wir haben schließlich kaum Möglichkeiten, uns selbst Einnahmen zu verschaffen. Die Finanzierungsverantwortlichkeit bleibt beim Haushaltsgesetzgeber. Immer wieder haben das BVerfG[2] und der BGH[3] entschieden, dass der Haushaltsgesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, die Gerichte angemessen auszustatten. Und dies unterscheidet die Kernbereiche staatlichen Handelns von den Nicht-Kern-Aufgaben. Dafür genügt es nicht, einzelne Teilbereiche zu sogenannten „Schonbereichen“ des Haushalts zu erklären mit der Folge, dass dort nicht ganz so hart wie in anderen Bereichen gestrichen wird. Vielmehr ist der Justiz das zu geben, was sie benötigt. Der Vorsitzende einer Regierungsfraktion führte letztes Jahr vor der Bürgerschaft aus[4]:
„...die Funktionsfähigkeit der Gerichte ist kein Wunschprogramm einer Regierung, an der man beliebig sparen kann. Die dritte Gewalt gehört zu den unverzichtbaren – hören Sie einmal zu, das sagt ein Liberaler ganz selten, was jetzt kommt – Kernaufgaben des Staates, die zu gewährleisten sind.“
Der Haushaltsgesetzgeber darf nicht nachgewiesene Bedarfe unberücksichtigt lassen, wenn die angemessene Ausstattung eine verfassungsrechtliche Pflicht ist. Die Frage kann nur sein: Was ist angemessen? Und wie können die Gerichte die Einhaltung dieses Standards erreichen?
Wo sich Hamburg im Rang zu den übrigen Bundesländern befindet, etwa bei der Verfahrensdauer, ist unerheblich. Eine unangemessen niedrige Ausstattung wird nicht dadurch angemessen, dass es den Gerichten der anderen Bundesländer gleich schlecht geht.
Für die Ermittlung des Bedarfs an Richterstellen gab es eigentlich den Bundespensenschlüssel[5]. Den stellt eine Unterkommission der Justizministerkonferenz auf, also nicht etwa die Richter. In diesem Zahlenwerk ist für jeden einzelnen Justizbereich gesondert aufgeführt, wieviele Fälle 1 Person schaffen soll. Da man weiß, wieviele Fälle pro Jahr ungefähr anfallen, kann man also ausrechnen, wie viele Personen man dafür braucht. Bei der justizinternen Verteilung wird er auch gelegentlich angewendet, aber der Haushaltsgeber war bislang nie bereit, die sich aus dem Pensenschlüssel ergebende Richterzahl zu bewilligen. Das führte dazu, dass jedenfalls das Landgericht seit 1980 keine Stellen nach dem Pensenschlüssel auch nur anfordert; eine Art vorauseilender Gehorsam.
Als Grund für die Nichtanwendung des bis heute geltenden Pensenschlüssels für Haushaltsanforderungen gab die Justizbehörde an, Hamburg habe eine besondere Großstadt-Situation. Das erscheint schon für sich genommen seltsam, denn Hamburg wirkt ebenfalls in der Pensenkommission mit. Hamburg stellte auch nicht etwa einen eigenen Pensenschlüssel auf, obwohl es dafür Jahrzehnte Zeit hatte.
Und auch die übrigen Bundesländer bewilligen nicht diejenigen Stellen, die die Berechnung ergibt. Denn darin sind sich die Haushaltsgeber aller Länder einig: sie wollen sich nicht an einen Automatismus binden lassen, sondern ohne Bindung frei sagen können, wieviel sie geben wollen. Das ist Willkür!
So ganz befriedigend fanden die Länder das wohl auch nicht. Sie beauftragten den Unternehmensberater Arthur Andersen mit einer externen Bedarfsanalyse, genannt Pebb§y, vielleicht in der Erwartung, ein Wirtschaftsunternehmen werde die Justiz ordentlich zusammenstreichen. Aber nach umfangreichen Untersuchungen fand das Unternehmen heraus, dass bundesweit tausende Richter zusätzlich erforderlich sind[6]. Die Haushaltsgeber ignorierten ohne Argumente auch diese Analyse, und zwar wiederum ohne eigene bindende Kriterien für die Bemessung des Justizhaushalts aufzustellen. In einem Zivilprozess würde ich sagen: das ist ein unsubstanziiertes Bestreiten; die substanziierte Darlegung des Personalmangels durch Pensenschlüssel und Pebb§y ist damit zugestanden.
Aber hier sind es die Haushaltsgesetzgeber, die am längeren Machthebel sitzen. Das ist zwar gut und richtig so, enthebt sie aber nicht davon, selbst sachliche Bemessungskriterien aufzustellen. Eine Festsetzung nach freiem Ermessen ohne Berücksichtigung der Verfassungsvorgaben nenne ich jedoch Willkür!
Dieser Willkür kann nur Einhalt geboten werden, wenn in die Verfassung – hier also in die Hamburger Verfassung – eine Norm eingefügt wird, wonach der Gesetzgeber – und nicht bloß die Verwaltung - Kriterien für die Angemessenheit des Justizhaushalts aufzustellen hat.
Ich höre schon den Aufschrei der Haushälter: „Unrealistisch! Das lässt sich nicht finanzieren! Das muss mit den übrigen Ressorts in Einklang gebracht werden! Der Staat braucht Handlungsfreiheit!“ Aber das ist so nicht richtig.
Es soll ja nicht zwingend der jetzige Pensenschlüssel zum Verfassungsrecht gemacht werden. Mit einem Ausführungsgesetz hat es zuerst der Gesetzgeber selbst in der Hand zu bestimmen, was angemessen ist. Er soll einmal selbst sagen, was Maßstab sein soll. Dabei kann er selbstverständlich Hamburgische Besonderheiten und sich dynamisch ändernde Faktoren berücksichtigen. Es geht nicht um einen jetzt schon festzulegenden Maßstab, sondern zu allererst um das Willkürverbot, um die Bereitschaft des Gesetzgebers, die eigene Bindung zu akzeptieren.
Was soll da der Vorbehalt, die Ressorts müssten miteinander in Einklang gebracht werden? Bei der Sozialhilfe sagt auch niemand: ob wir den Menschen das Existenzminimum geben, entscheiden wir erst nach Abwägung; vielmehr wird dort lediglich über die Ermittlungskriterien des Existenzminimums gestritten. Wenn bei der Justiz die Abwägung mit den anderen Ressorts gemacht wird, dann heißt das doch, der Gesetzgeber würde selbst das Geld, was er nach eigenen – noch aufzustellenden - Maßstäben als für die Justiz erforderlich selbst ansieht, der Justiz nicht geben wollen, weil er es lieber anderen Ressorts geben möchte. Man hat halt so seine politischen Schwerpunkte und das sind nicht zwangsläufig Kernaufgaben des Staates.
Im letzten Jahr hieß es in einer Bürgerschaftsdebatte[7]:
„Eine Umverteilung der Mittel ging schon aus dem Grunde nicht, weil die Baubehörde unter Herrn Senator Wagner oder auch die Sozialbehörde aufgrund des politischen Einflusses absolute Tabubereiche waren. Man konnte gar nicht daran denken, Mittel aus dem Bereich Bau oder Verkehr abzuziehen, um den Bereich Inneres zu stärken, weil der Senator innerhalb des Senats so stark war, ...“
Solche Hausmächte hat die Justiz natürlich nicht. Und damit sie nicht dem Zufall ausgesetzt ist, welches politische Steckenpferd der jeweilige Senat gerade reitet, ist es wichtig, dass der Gesetzgeber sich bindende Maßstäbe für die Justizausstattung gibt.
Zum nächsten Einwand: Wie sollen wir das bezahlen? Nochmals: in erster Linie geht es zunächst einmal um die Schaffung eines verbindlichen Maßstabs. Erst in zweiter Linie kann das möglicherweise doch auf eine Erhöhung des Justizhaushalts hinauslaufen, wenn nämlich nicht unsere Aufgaben reduziert werden.
Zwar wird der Aufgabenumfang überwiegend durch Bundesgesetze bestimmt. Genauso überwiegend haben aber die Länder diesen Bundesgesetzen im Bundesrat zugestimmt. Die Insolvenzreform, die Betreuungsrechts-Reform und die ZPO-Reform seien nur beispielhaft genannt. Alles Reformen, die zusätzliche Arbeit bereiteten. Das dafür bewilligte zusätzlich Personal reichte nicht aus. Hätten die Länder einen verbindlichen Maßstab für den Justizhaushalt, so wären sie vorsichtiger mit der Übernahme neuer Justizaufgaben und würden sie bessere Argumente haben für eine finanzielle Kompensation durch den Bund.
Die aufgabenkritischen Maßnahmen nach den Jesteburger Beschlüssen betreffen kaum die richterliche Arbeit, verringern also die richterlichen Aufgaben nicht.
Ein weiteres Gegenargument der Haushälter gegen einen festen Maßstab wird sein, dass die Steuereinnahmen konjunkturabhängig seien; auf sinkende Einnahmen müssten die Haushälter reagieren können. Dem halte ich 3 Punkte entgegen:
1. ist ein Großteil der Einnahmenrückgänge vom Gesetzgeber „selbstverschuldet“. Großzügige Steuergeschenke wurden verteilt[8]. Z.B. wurde der Körperschaftsteuersatz in den letzten Jahren nahezu halbiert. Daraufhin brachen die Körperschaftsteuer-Einnahmen geradezu weg. Hamburg bewirkte im Vermittlungsausschuss im Jahre 2000 selbst ein Steuersenkungsgesetz, das allein für Hamburg 350 Mio. Euro Mindereinnahmen verursachte. Immense Millionen-Beträge gab Hamburg z.B. auch für das Airbus-Projekt und für die Olympia-Bewerbung aus.
Nun ist es natürlich auch Aufgabe der Politik, wirtschaftsfördernde Maßnamen zu ergreifen. Aber haushaltsaufzehrende Maßnahmen - zumal solche, deren positiver Endeffekt rein erhoffter Art ist - dürfen erst ergriffen werden, wenn dafür nach Erfüllung der verfassungsrechtlichen Pflichten noch Spielraum ist. Keinesfalls zulässig ist es, einen Großteil des Geldes für politisch gewollte Steuerungsmaßnahmen auszugeben und hinterher gegenüber seinen verfassungsrechtlichen Pflichten zu sagen, dafür sei leider kein Geld mehr vorhanden.
2. Dass die Mittel für staatliche Kernaufgaben in der heutigen Zeit nicht im vollen erforderlichen Umfang bereit gestellt werden können, ist umso unverständlicher, als der Anteil der Gerichte und StA’en am Gesamthaushalt minimal ist. Nur gut 4 % Anteil hat die Justiz am Gesamthaushalt in Hamburg. Und in diesen gut 4 % sind z.B. noch die kompletten Justizvollzugsanstalten nebst Vollzugskrankenhaus enthalten. Und außerdem hat die Justiz einen überaus hohen Kostendeckungsgrad[9]; in manchen Bereichen macht sie sogar Gewinn. Der Kostenanteil der Gerichte und StA’en am Gesamthaushalt ist also minimal. Vom Gesetzgeber wird also mit einer angemessenen Ausstattung nichts Unmögliches abverlangt.
3. Argument gegen den Vorbehalt der Haushälter, flexibel bleiben zu müssen: Ich habe einmal für Hamburg die Entwicklung der Steuereinnahmen mit den Richterstellen über einen Zeitraum von 8 Jahren miteinander verglichen. Dabei ergab sich, dass die haushaltswirksamen Steuereinnahmen laufend stiegen, während die Zahl der Richterstellen laufend fiel[10]. Das ist nicht gerade eine flexible Reaktion auf die Steuerentwicklung.
Im übrigen nehmen in Zeiten schlechter Konjunktur die Prozesse zu. Gerade heute gibt es einen entsprechenden Presseartikel über eine durch schlechte Konjunktur bedingte Steigerung der Zahl der Prozesse beim Hamburger Arbeitsgericht[11]. Hier sind also auch contrazyklische Ausgaben erforderlich: in schlechten Zeiten müssen bestimmte Gerichte sogar aufgestockt werden.
Schlussplädoyer:
Es nutzt nichts, umfangreiche statistische Pebb§y-Erhebungen mit viel Mühe für die Kollegen und mit hohen Kosten durchzuführen, solange das Parlament nicht von sich aus die Maßstäbe vorgibt und deshalb alles andere vom Tisch wischen kann. Ein eigenes Budgetantragsrecht der Gerichte ist wünschenswert[12], nutzt aber ebenfalls nichts, wenn die direkten Haushaltsanträge einfach vom Tisch gewischt werden können.
Zentrale faktische Voraussetzung für eine verfassungsmäßige Justizausstattung ist die Schaffung einer konkretisierenden Verfassungsnorm etwa folgenden Inhalts:
„Art. 62 Satz 3 der Verfassung (FHH): Die Gerichte sind personell und sachlich angemessen auszustatten; das Nähere regelt ein Gesetz."
Über die Ausgestaltung des Ausführungsgesetzes kann man miteinander reden. Aber ohne irgendeine Selbstbindung des Parlaments wird es keine angemessene Justizausstattung geben und werden wir uns im Tagesgeschäft des Klein-Klein verlieren. Es gibt keine Alternative: wir müssen zusammen mit den politischen Parteien die Sache anpacken. Da ist noch etwas Überzeugungsarbeit zu leisten; mancher – etwa der im letzten Monat vielgescholtene Bremer Staatsrat Mäurer[13] – ist bereits überzeugt.
Wolfgang Hirth
[1] HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9.10.02 - 1 Ss 112/02 - zu sog. "angedockten" kleinen Strafkammern - in diesem Heft
[2] BVerfG 15.05.02 - 2 BvR 2292/00; 20.02.01 - 2 BvR 1444/ 00; 17.11.99 - 1 BvR 1708/99 (NJW 2000, 797); NJW 1974, 309 sub B II 3 b; Textauszüge bei www.richterverein.de/j2000/ausstattung.htm
[3] BGHZ 15, 305 (310); BGH NJW 1988, 419 (420); BGH 25.09.02 - RiZ(R) 2/01 -
[4] Müller-Sönksen in Plenarprot. 17/13, S. 556
[5] zuletzt abgedruckt in DRiZ 1994, 396
[6] komplett bei www.richterverein.de/cgi-bin/sitexplorer.cgi?/j2000/pebbsy/
[7] Lüdemann in Plenarprot. 17/13, S. 551
[8] Liste bei www.richterverein.de/aktuell/keingeld.htm
[10] ebenda
[11] Hamburger Abendblatt, 24.01.03
[12] Die Justizbehörde beantragte es auf der Justizministerkonferenz Herbst 1998; vgl. dort TOP I 6