In Nordrhein-Westfalen gab es am 20.12.1999 eine 98seitige Antwort auf eine Große Parlamentarische Anfrage (LT-Drucks. 12/4578; nachlesbar bei www.landtag.nrw.de). Daraus sind besonders 3 Tabellen sehr bemerkenswert, die - soweit sie nur NRW betreffen - in Hamburg wohl nicht anders aussehen würden.
Die eine Tabelle (Seite 32) betrifft den Anteil der nicht steuerbaren (!) Ausgaben, der so hoch ist (immer um 97 %), dass sich die Frage stellt, ob das Neue Steuerungsmodell nicht in der Justiz mit Kanonen auf Spatzen schießt.
Die zweite bemerkenswerte Tabelle betrifft den Kostendeckungsgrad
in NRW. Es gibt hierzu eine allgemeine Tabelle über den Kostendeckungsgrad
der ganzen Justiz (einschließlich des Vollzugs!), der immerhin
noch zwischen 35 % und 42 % schwankt. Demgegenüber liegt der Kostendeckungsgrad
der ordentlichen Gerichte einschließlich StA bei um die 60 % (Seite
37; siehe folgende Tabelle). Noch höher dürfte der Grad wohl
bei Betrachtung nur der ordentlichen Gerichte ohne die StA sein.
Die dritte der herausgegriffenen Tabellen zeigt den "Anteil der
Ausgaben des Justizhaushalts am Gesamthaushalt", eine Länderübersicht
nach Jahren (Seite 30):
Allerdings muss man erstens bedenken, dass die Länderjustizhaushalte
nicht immer ganz miteinander vergleichbar sind, weil sie über die
unten aufgelisteten Fußnoten hinaus weitere unterschiedliche Positionen
enthalten; so enthält der Hamburger Justizhaushalt als nichtgerichtlichen
Bestandteil zum Beispiel auch das Justizkrankenhaus (vgl. Hirth,
MHR 4/96, 13), während andere Bundesländer in ihrem Justizhaushalt
teilweise sogar ganze Gerichtszweige zusätzlich enthalten (soweit
sie einheitliche Rechtspflegeministerien haben).
Und insoweit in Hamburg der Justizanteil zu steigen scheint, muss zweitens berücksichtigt werden, dass außerhalb der Justiz ganze Verwaltungsbereiche im Laufe der Jahre aus dem allgemeinen Staatshaushalt in Nebenhaushalte ausgegliedert wurden. Wenn man diese Nebenhaushalte zwecks Vergleichbarmachung der Zahlen wieder zum Staatshaushalt hinzurechnen würde, dann wäre der Justizanteil am Staatshaushalt sogar gesunken.
Und drittens beruht die Steigerung des Justizanteils auch darauf, dass der Anteil des Justizvollzugs noch weiter ausgedehnt wurde (vgl. den Leserbrief von RA Pommerening im Hamburger Abendblatt vom 17.7.00 = bei www.richterverein.de in der Rubrik Justizpresse), obwohl Hamburg mit seinen Pro-Kopf-Aufwendungen für den Strafvollzug mit Berlin schon zuvor an der Spitze der Bundesländer lag (Vultejus ZRP 1997, 433, 435; vgl. zur weit unterproportionalen Stellenstreichung im Vollzug: Hirth, MHR 1/1998, 26). Die Größe des Justizanteils sagt in Hamburg also wenig über die Ausstattung der Gerichte aus.
Eine vierte Tabelle habe ich aus verschiedenen Quellen zusammengestellt. Sie zeigt, dass in Hamburg seit 1992 die Steuereinnahmen steigen, während die Richterzahlen sinken. Es ist also nicht richtig, dass für Richter kein Geld da ist. Das Geld wird nur lieber für andere Angelegenheiten ausgegeben.
1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
Jahr | Richter | Teilzeit | gesamt | Steuereinnahmen |
1992 | 834 | 68 | 868 | 11.116 |
1993 | 792 | 86 | 845 | 11.476 |
1994 | 809 | 100 | 859 | 11.256 |
1995 | 791 | 102 | 842 | 11.340 |
1996 | 772 | 95 | 819 | 11.785 |
1997 | 714 | 74 | 751 | 11.445 |
1998 | 718 | 88 | 762 | 12.542 |
1999 | 707 | 97 | 755 | 13.413 |
zu Spalte 4:
Summe aus Spalte 2 und 3, wobei die Teilzeitkräfte
mit von mir auf durchschnittlich 50% geschätztem Teil angesetzt wurden
Spalte 5:
Haushaltswirksame Steuereinnahmen in TDM; Quelle für
1992-1998: Hamburgisches Statistisches Jahrbuch 1999/2000, S. 151; Quelle
für 1999: Statistischer Bericht des Statistischen Landesamts L I 1
1999.
Anmerkung:
Dass die Kosten pro Richter jährlich gestiegen sind,
mildert die Gegenläufigkeit der Trends von Richterzahl und Einnahmen
nur und kehrt sie nicht um, denn die Erhöhungen der Richtergehälter
und sonstigen Richterkosten fielen so gering aus, dass dadurch noch nicht
einmal die sinkende Richterzahl kostenmäßig kompensiert wird.
Wolfgang Hirth