(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/96) < home RiV >
Einsparungen in der Justiz

In MHR 2/96, S. 18, wurden die Stellenstreichungen für 1996 dargestellt. Für 1997 gab der Senat weitere Sparziele für die Justiz vor. Der Senat drohte für den Fall der Nichteinhaltung mit der Fremdbewirtschaftung des Personalhaushalts der Justizbehörde durch die Finanzbehörde (Justiz-Info vom 11.09.1996). Was im Einzelfall als positiv am Haushalt gesehen werden könnte, war bereits im Justizinfo vom 16.08.1996 zu lesen.

Laut nachstehendem Stellenstreichungsplan 1997 (Bürgerschaftsdrucksache 15/6217) fallen im nächsten Jahr 20 R-Stellen zusätzlich weg: 13 R1-Stellen, 6 R2-Stellen und 1 R3-Stelle, und zwar 7 RiAG, 1 RiLG, 4 VRiLG, 1 VRiOLG, 2 RiVG, 1 RiFG, 3 StA und
1 OStA. Die Stellenstreichungen in der Justiz um 4.643 TDM und im Strafvollzug um weitere 1.205 TDM stellen einen Anteil von 7,8 % an der Summe der Stellenstreichungen aller Hamburger Behörden (75.000 TDM) - also erneut einen überdurchschnittlichen Anteil - dar (hier ist anzumerken, daß der Anteil des Personals am Ressorthaushalt mit 66 % deutlich über dem Durchschnitt aller Ressorts von 40 % liegt).

Zu diesem Betrag hinzukommen weitere 93,3 TDM "Stellenstreichungen zur Finanzierung neuer Stellen und von Stellenhebungen". Dieser Betrag wird aufgebracht durch Kürzungen im mittleren Dienst und in der Textverarbeitung. Welchem Bereich diese Umschichtung zugute kam, ist dem Plan nicht zu entnehmen.

Kein Betrag ist in der Rubrik "weitere zugesagte Stellenstreichungen" ausgewiesen. Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, die Altlasten aus nicht erfüllten Einsparverpflichtungen früherer Jahre seien mit dieser Roßkur abgebaut worden. Das Fortbestehen von Altlasten ergibt sich aus dem Justizinfo vom 16.08.1996.

Im Oktober wurde der Stellenplanentwurf noch ergänzt (Drucksache 15/6166): die Stelle des OLG-Präsidenten ist künftig nicht mehr mit der des Präsidenten des Hamburgischen Verfassungsgerichts verbunden und wird nach Freiwerden der Stelle von B 10 nach R 8 umgewandelt; aus gleichem Grunde wird dann der Vizepräsident des OLG von B 6 nach R 4 zurückgestuft. Laut derselben Drucksache wechselt das Vollzugskrankenhaus in den Haushaltsplan der Justizbehörde. Dieser mit § 151 StPO begründete Übergang soll (jetzt) haushaltsneutral sein, weil damit die Erstattung von Leistungen an den Landesbetrieb Krankenhäuser entfällt. Möge der neue Posten sich in der Zukunft nicht als Kuckucksei erweisen.

Bis 1997 nicht abwarten wollte man mit den nachträglichen Streichungen beim Sachaufwand im laufenden Haushalt 1996 (Drucksache 15/5842). Hier seien nur diejenigen Kürzungen genannt, die eine sechsstellige Höhe haben und soweit sie ausschließlich zur Erfüllung der Einsparverpflichtung erfolgten: Aus- und Fortbildung (149 TDM), Unterhaltung der Grundstücke und Bauten (18+269+9+288 = 585 TDM), Unterbringungskosten (624 TDM).

 

Bei der Budgetierung tut sich in einzelnen Bereichen etwas. Neben der JVA Glasmoor (seit 1995) sollen ab 1997 zwei weitere JVA in die Budgetierung kommen; Ende 1998 soll die Einführung des "Neuen Steuerungsmodells" im Vollzug abgeschlossen sein.

Zentrale Steuerungsmaßnahmen im Bereich der Zuwendungen der Justizbehörde (z.B. hinsichltich der externen Drogen- und Suchtberatung in den JVA) beschreibt die Drucksache 15/5846.

Auch die Verwaltunggsgerichte führen die Budgetierung 1997 ein (Drucksache 15/5845). Dort beschränkt sich die Maßnahme zunächst auf den Bereich der Sach- und Fachausgaben. Die Personalausgaben sollen auch bei den Verwaltungsgerichten zunächst noch nach den allgemeinen Regelungen zur Umsetzung der Dezentralisierung der Personalausgaben vorgenommen werden; ab 1998 sollen aber auch sie budgetiert werden.

Sehr interessant ist der folgende Satz aus dieser Drucksache: "Ausgenommen (scil.: von der Budgetierung) bleiben die unmittelbar auf die Gerichtsverfahren bezogenen Ausgaben, die auf gesetzlichen Verpflichtungen beruhen und im Rahmen der Mittelbewirtschaftung nicht steuerbar sind."

Hintergrund dieser Regelung ist die richterliche Unabhängigkeit. Beispielsweise darf der Richter nicht durch Justizkostenargumente in der Entscheidung darüber beeinträchtigt werden, ob eine erforderliche Beweisaufnahme durchgeführt wird oder nicht. Ob aufgrund des zitierten Satzes die richterliche Unabhängigkeit wirklich gewahrt bleiben wird, wird die Zukunft zeigenn. Die Grennze zwischen unmittelbaren und mittelbaren Verfahrenskosten ist schwer zu ziehen. Schon seit langer Zeit nehmen die Richter auf Personal-, Raum- und Sachmittelsituation Rücksicht; wo sie diese Rücksicht faktisch nehmen müssen, kann im Einzelfall die Grenze zur Unmittelbarkeit überschritten werden.

So macht die Justizbehörde wohl zu Recht in der Justiz "ein hohes Widerstandspotential gegen Veränderungen" aus, u.a. "weil die richterliche Unabhängigkeit nicht nur den Inhalt der Entscheidung umfaßt, sondern grundsätzlich auch das Verfahren der Entscheidungsfindung"; so der von ihr dem Rechtsausschuß der Bürgerschaft vorgelegte "Bericht zur Belastung der Hamburger Justiz 1996", Seite 22.

Den Inhalt dieses sehr informativen Berichts darzustellen, ist hier nicht der Platz; allein seine Gliederung umfaßt 3 ½ Seiten. Die Gründe für die im Ländervergleich besondere Situation Hamburgs werden eingehend erörtert (allein bei der StA reicht die Gliederung dieser Gründe von a bis r). Aufgezeigt wird, warum kaum noch Umschichtungsmöglichkeiten vorhanden sind und welch’ geringe Einsparmöglichkeiten durch nicht ohnehin schon eingeleitete Organisationsänderungen noch bestehen und was für negative Auswirkungen weitere Einsparungen haben werden.

Erfreulich ist, daß auch die Justizbehörde die Auffassung teilt, daß aus der Gewaltenteilung resultiert "der Verfassungsauftrag an Parlament und Regierung, Justiz personell und sachlich so auszustatten, daß diese ihrer Aufgabe in der von der Verfassung vorgesehenen Weise nachkommen kann" (Bericht, S. 41).

Doch wer soll diesen Verfassungsauftrag gegenüber Parlament und Regierung durchsetzen, wenn die Justizbehörde mit Fremdbewirtschaftung bedroht wird (siehe eingangs). Vielleicht gäbe aber gerade der tatsächliche Versuch einer solchen Fremdbewirtschaftung die Gelegenheit für die Justiz, im Gegenzug den o.g. Verfassungsauftrag einmal zur Geltung zu bringen. Dies wäre in jedem Falle ein zweischneidiges Schwert für alle Seiten.

Wolfgang Hirth