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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Sie – die Richtervereinsmitglieder – haben getagt und dabei einen Teil des Vorstands neu gewählt sowie die Satzung den modernen Kommunikationswegen angepasst (Seite 4). Moderne Kommunikationswege betrifft auch der Artikel über ein Programm zur Fernsteuerung des eigenen Handys per SMS (Seite 22). Die Digitalisierung eigener Akten und deren Vorteile sind beschrieben auf Seite 24.

Die Digitalisierung weiterer Teile des Gerichtsbetriebs durch forumSTAR hat dagegen so seine Tücken, welche ein Kollege in einem Lied besingt (Seite 31). Ganz so neu ist dieses Programm nicht, denn Bayern hat dessen Entwicklung bereits im Jahre 2000 begonnen. Nach und nach traten dann weitere Länder dem Verbund bei. Hamburg entschloss sich schließlich auch zu diesem Schritt, weil es sonst das einzige Bundesland geworden wäre, das noch mit dem alten Programm (sijus) gearbeitet hätte und das deshalb die Kosten zur weiteren Pflege von sijus allein hätte tragen müssen.

Man sollte meinen, dass ein solch später Beitritt auch Vorteile hat, nämlich dass die Kinderkrankheiten des Programms bereits beseitigt sind. Davon kann aber keine Rede sein. Was im Lied lustig klingt, bringt den Richter im Alltag immer wieder mal zur Verzweiflung. Trotzdem sollte man noch nicht den Stab über forumSTAR brechen; dazu ist die Zeit seit der Einführung in Hamburg noch zu kurz. Skepsis entsteht jedoch, wenn es in einem Erfahrungsbericht des Richtervereins Sachsen (2008) heißt: „Auch eingearbeitete Kolleginnen und Kollegen brauchen damit länger für ihre Verfügungen.“ Und in einem Bericht vom Dezember 2010 des in Mecklenburg-Vorpommern für das Richterschulungskonzept zuständigen Kollegen (!) werden das Fehlen einer Wiederherstellungsfunktion, das „antiquierte Textsystem“ sowie „unnötig komplizierte“ und „unflexibel zu bedienende Formulare“ bemängelt.

Klar ist, dass der Richter durch intensive Nutzung des Programms seiner Geschäftsstelle die Arbeit erleichtern kann, er dann aber selber Mehrarbeit hat. Benutzt er es dagegen gar nicht, so hat die Geschäftsstelle eher mehr Arbeit als vor der Einführung von forumSTAR. In welchem Umfange der einzelne Richter forumSTAR benutzt, wird davon abhängen, inwieweit er einen Nutzen erkennt, z.B. wenn er einzelne eigene Arbeitsvorgänge effektiver gestalten kann (insbesondere bei PKH-Beschlüssen) oder wenn er mit minimalem Mehraufwand in einzelnen Fällen eine große Arbeitserleichterung auf der Geschäftsstelle bewirken kann. Je weniger er es benutzt, desto eher dürften atmosphärische Störungen im Verhältnis zur Geschäftsstelle auftreten, was einen faktischen Druck zur Benutzung erzeugt.

Eine rechtliche Pflicht zur Benutzung des Programms durch die Richter besteht jedoch nicht und wird auch von der Verwaltung nicht vertreten. Insbesondere ist das Urteil des BGH vom 21.10.2010 - RiZ (R) 5/09 - nicht übertragbar. Dort hatte der BGH entschieden, dass ein Handelsregisterrichter von der Verwaltung nicht verlangen kann, dass elektronisch eingereichte Anträge und Anlagen (die bei Kettenverschmelzungen viele hundert Seiten lang sein können) von der Verwaltung für ihn ausgedruckt werden. Eine derartige Weigerung der Verwaltung verletze - so der BGH - nicht die richterliche Unabhängigkeit, weil die elektronische Registerführung gesetzlich festgelegt sei und der Richter keinen Anspruch auf eine bestimmte Sachmittelausstattung habe. Demgegenüber ist die Einführung von forumSTAR nicht gesetzlich vorgeschrieben und die Benutzung von Papier durch den Richter selber nicht verboten. Die somit in die Hand der einzelnen Richter gelegte Entscheidung über den Umfang der Benutzung von forumSTAR wird jeder Kollege für sich verantwortlich treffen.

 

Ihr
Wolfgang Hirth