(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/10, 18) < home RiV >
Nachstehend wird ein Vortrag - schon etwas gekürzt - abgedruckt, den der Kollege Frank Bornemann anlässlich einer Tagung des Niedersächsischen Beamtenbundes am 03.12.2009 in Braunlage gehalten hat. Bornemann ist VRiLG in Hannover und Stellvertretender Vorsitzender des Niedersächsischen Richterbundes.
Ist eine verfassungsgemäße Alimentation noch gewährleistet?
I. Das Wesen der Alimentation der Beamten
Kernsatz des Besoldungsrechtes ist der Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung, der zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums zu zählen ist. Nach dem überkommenden Alimentationsprinzip ist die Gewährung der Dienstbezüge nicht als Entgelt für geleistete Arbeit zu verstehen, sondern als Sicherung des amtsangemessenen Unterhalts für den Beamten und seine Familie. Es enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber und begründet zugleich ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten, denn es verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechende Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Der Begriff der amtsangemessenen Alimentation als solcher mag vielen heute antiquiert erscheinen, verdeutlicht aber im Kontext seiner historischen Entstehung, dass das Wesen der Beamtenbesoldung eben etwas anderes ist als die bloße Vergütung geleisteter Arbeit zu bestimmten Preisen.
Bei der Bemessung der Besoldungshöhe verfügt der Gesetzgeber über eine gewisse Gestaltungsfreiheit, die jedoch über den Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung hinaus auch verfassungsrechtlich begrenzt ist. Der Alimentationsgrundsatz selbst verlangt eine Besoldungsgerechtigkeit in dem Sinne, dass der Besoldungsgesetzgeber die allgemeinen Lebensverhältnisse, die Entwicklung des Preisniveaus, der Kosten für diejenigen Bedürfnisse, die nach den sich wandelnden gesellschaftlichen Anschauungen bei "gewöhnlicher" Lebensführung anfallen, in Rechnung stellen muss.
Dies bedeutet, der Beamte muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Nahrung, Bekleidung und Unterkunft hinaus im Hinblick auf den allgemeinen Lebensstandard und die allgemeinen Verbrauchs- und Lebensgewohnheiten nicht nur ein Minimum an Lebenskomfort, sondern ein im Ergebnis (amts-)angemessenen Lebenskomfort ermöglicht. Hierzu gehören zum Beispiel Ausstattung des Haushalts mit den üblichen elektrischen Geräten einschließlich seiner Unterhaltung, Radio und Fernsehgerät samt laufender Kosten, Zeitungs- und Zeitschriftenbezug, Theaterbesuch und Besuch ähnlicher Veranstaltungen, PKW, Urlaubsreise, Bausparvertrag, Lebensversicherung und Krankenversicherung, Ausgaben für Fortbildung, soziale und politische Aktivitäten und vernünftige Freizeitbeschäftigung.
Ich betone dies eigentlich Selbstverständliche, weil sich - wie noch darzulegen sein wird - hierzu auch andere Stimmen finden.
Die Alimentation ist ein Maßstabsbegriff, der nicht statisch, sondern entsprechend den jeweiligen Zeitverhältnissen zu konkretisieren ist, mithin entsprechend der einfach gesetzlichen Verpflichtung aus § 14 I BBesG und § 70 I BVersorgG die Bezüge der Beamten und Versorgungsempfänger durch eine Erhöhung oder auch eine Verminderung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen ist. Dies bedeutet grundsätzlich auch, dass der Beamte keinen Anspruch darauf hat, dass ihm seine Bezüge in unveränderter Höhe erhalten bleiben. Der Gesetzgeber darf die Bezüge vielmehr kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist (BVerfG, 2 BvR 1387/02 = BVerfGE 114, 258, 289), wobei bloße Sparbemühungen („Haushaltskonsolidierung") allein hierfür als Begründung nicht ausreichend sind. In der älteren verfassungsrechtlichen Literatur, geprägt noch von den Unbillen der Nachkriegszeit, wurde hierzu - allerdings ohne jegliche nähere Begründung - noch die Auffassung vertreten, eine solche Kürzung könne bei wirtschaftlichen Notzeiten um bis zu 50 % gerechtfertigt sein.
Diese, noch in einem Urteil des BVerfG‘s aus dem Jahre 1967 zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung (BVerfG, 2 BvR 668/67, Beschluss vom 29. 11.1967) bezieht sich auf Zustände, die für weite Kreise der Bevölkerung durch Entbehrung und Knappheit gekennzeichnet waren, etwa in der Nachkriegszeit, aber auch noch in den Folgejahren. Diese Rechtsauffassung gilt daher heute zu Recht als überwunden.
Was bedeutet also Alimentation in der Wohlstandsgesellschaft heute?
Sie bedeutet mehr als Unterhaltsgewährung, es geht nicht um einen fest begrenzten Mindeststandard, sondern um den dem Amt angemessenen Lebenskomfort. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte anziehend ausgestalten muss, was voraussetzt, dass der öffentliche Dienst mit Konditionen werben kann, die insgesamt einem Vergleich mit denen der privaten Wirtschaft standhalten. Die Alimentation dient nicht allein dem Lebensunterhalt des Beamten, sie hat zugleich eine qualitätssichernde Funktion.
Halten wir also fest: Die Besoldung muss von Verfassungswegen insgesamt so ausgestaltet werden, dass sie die folgenden Funktionen erfüllen kann:
1. Eine amtsangemessene Unterhaltsgewährung nach den Maßstäben der sich entwickelt habenden Wohlstandsgesellschaft,
2. die Sicherung der Unabhängigkeit des Beamten, was auch den Schutz der Bürger vor einer Korruptionsanfäligkeit des öffentlichen Dienstes umfasst,
3. der Gewährleistung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes und des jeweils innegehabten Amtes für Bewerber auch im Vergleich zur privaten Wirtschaft, das Gebot der sog. „Bestenauslese".
Unstreitig dürfte sein, dass die Alimentation daneben auch weitere Funktionen erfüllt, namentlich eine entscheidende Rolle bei der Motivation der Mitarbeiter spielt.
II. Amtsangemessenheit der Alimentation
1. Begriff der Alimentation
Unter der Alimentation des Beamten ist nach richtiger Auffassung nicht allein die Besoldungszahlung als solche zu verstehen. Die Alimentation setzt sich vielmehr aus unterschiedlichen Komponenten zusammen. Hierfür ist bei aktiven Beamten die Summe der Besoldungsleistungen, bestehend aus Grundgehalt, Familienzuschlag, soweit vorhanden allgemeiner Stellenzulage, gegebenenfalls jährlicher Sonderzuwendung und Urlaubsgeld - soweit dieses noch gewährt wird - und etwaigen Einmalzahlungen zu ermitteln. Hierbei spielt keine Rolle, ob die einzelnen Zahlungen dem Kernbereich des Art. 33 V GG - wie die Besoldung selbst - unterfallen oder dies nicht tun wie etwa Urlaubsgeld und Einmalzahlung. Von dem so ermittelten Bruttoeinkommen sind Lohn- und Kirchensteuer sowie der Solidaritätszuschlag abzuziehen. Anhand des so ermittelten Nettoeinkommens - und das Nettoeinkommen ist der Maßstab - ist zu prüfen, ob dieses den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 V GG genügt.
2. Der Vergleichsmaßstab
Welcher Vergleichsmaßstab ist anzulegen zur Beurteilung der Frage, ob das jährliche Nettoeinkommen der Beamten den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 V GG genügt? Es gibt hier vor allem drei Anknüpfungspunkte:
a) Die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie des allgemeinen Lebensstandards,
b) der Vergleich mit den Nettoeinkommen der tariflich Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und
c) der Vergleich mit der Entwicklung derjenigen Einkommen, die für vergleichbare Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden, dass heißt der Einkünfte ähnlich ausgebildeter Arbeitnehmer mit vergleichbarer beruflicher Verantwortung.
Diese drei Maßstäbe sind nicht deckungsgleich und können, je nachdem welchen man anlegt, zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Ausgangsfrage führen.
Hinzuzusetzen ist, dass eine abweichende Besoldungshöhe in anderen Bundesländern, auch wenn sie für die jeweilige Besoldungsstufe höher ist, zwar nicht aus ohne jede Bedeutung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist, allein kein tauglicher Vergleichsmaßstab sein dürfte. Die folgt aus dem Sinn der Reföderalisierung der Besoldungsgesetzgebungszuständigkeit, die es den Ländern gerade ermöglichen sollte, in der Höhe der Besoldung von einander abzuweichen.
Zu den tauglichen Maßstäben:
a) Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung
Die Anknüpfung an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung ist die Anlegung des allgemeinsten Maßstabes, dass heißt, die Besoldung hat sich zunächst grundsätzlich an der Entwicklung der einschlägigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie an den allgemeinen Lebensstandard zu orientieren (BVerfG, 2 BvR 556/04 = BVerfGE 117, 330 ff.). Dieser Maßstab ist jedoch eher breit angelegt, spiegelt er doch letztlich die Einkommensentwicklung sämtlicher Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland wider. Hierzu gehört auch der allgemeine Preisindex, also die Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten, welcher bei der Bewertung der Amtsangemessenheit der Bezüge ein Vergleichsmaßstab ist.
b) Die Entwicklung der Nettoeinkommen der Angestellten des öffentlichen Dienstes
Ein besser geeigneter Maßstab, weil die Bezugsgröße genauer abbildend, ist die Entwicklung der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst, weil hier entsprechend den Vergütungsgruppen die jeweiligen Gruppen nach Ausbildung und Verantwortungsbereich der Stelleninhaber dem jeweiligen Amtsinhaber der einzelnen Besoldungsgruppen vergleichbar gegenübergestellt werden können. Trotz der Vergleichbarkeit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst nicht im Maßstab 1:1 auf die Beamtenbesoldung übertragen werden müssen, was mit den Statusunterschieden zwischen Beamten einerseits und Tarifbeschäftigten andererseits begründet wird.
c) Erzielbare Einkommen für Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes
Nachdem über längere Zeit in der Rechtsprechung allein die Tarifentwicklung für die Angestellten im öffentlichen als Maßstab herangezogen wurde, zugleich aber betont wurde, dass aufgrund der Unterschiedlichkeit des Beamtentums einerseits und der Angestellteneigenschaft im öffentlichen Dienst andererseits die Tarifvereinbarungen nicht im Maßstabe 1:1 auf die Beamtenbesoldung zu übertragen waren, hat sich in der letzten Zeit durch die Rechtsprechung (BVerfGE 114, 258, 290; BVerwGE 131, 20, 26) eine neue Bezugsgröße herauskristallisiert. Die Obergerichte haben ausgesprochen, dass es bei der Prüfung der Amtsangemessenheit der Besoldung auch auf einen Vergleich mit der Entwicklung derjenigen Einkommen ankommt, welche ähnlich ausgebildete Arbeitnehmer mit vergleichbarer beruflicher Verantwortung außerhalb des öffentlichen Dienstes, also in der Privatwirtschaft erzielen können. Dies ist letztlich, wie das OVG Münster ausgeführt hat, eine logische Konsequenz des Grundsatzes, dass Alimentation in der Wohlstandsgesellschaft mehr bedeutet als in Zeiten der Entbehrung und Knappheit. Dieser Vergleichsmaßstab eröffnet zwar neue Perspektiven, da außerhalb des öffentlichen Dienstes in der Regel höhere Einkommen erzielt werden, birgt jedoch auch - insbesondere für die Beamtenbesoldung - einige Risiken.
Anders als bei der Besoldung der Richter und Staatsanwälte sind nämlich im Bereich der A-Besoldung den einzelnen Besoldungsstufen sehr verschiedene Ämter und Funktionen zugeordnet, wobei die Voraussetzungen und Anforderungen an Ausbildung und gegebenenfalls auch Studium/Hochschulabschluss der diese Stelle bekleidenden Beamten auch innerhalb ein und derselben Besoldungsstufe durchaus unterschiedlich sind. Dies bringt es mit sich, dass sich beispielsweise für außerhalb des öffentlichen Dienstes angestellte Architekten oder Ingenieure wie auch Informatiker vergleichsweise problemlos Gehälter werden bestimmen lassen, die zum Vergleich herangezogen werden können. Indes wird dies für andere Bereiche, insbesondere für Ämter, für die eine spezielle, nur innerhalb der öffentlichen Verwaltung angebotene und außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht oder kaum nachgefragte Ausbildung erforderlich ist (Polizei, Rechtspfleger, Justizvollzugsbediensteter u.a.) nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres der Fall sein.
3. Die Grenze
Ab welchem Rückstand der Beamtenbesoldung hinter dem jeweils gewählten Vergleichsmaßstab ist nun eine nicht mehr amtsangemessene und daher verfassungswidrige Besoldung anzunehmen?
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Grenze an dem Punkt überschritten, ab dem eine „greifbare Abkopplung" von dem jeweils gewählten Vergleichsmaßstab vorliegt. Es liegt nahe, eine solche Abweichung in Prozent zu beziffern, jedoch hat sich jedenfalls die höchstrichterliche Rechtsprechung der Festlegung einer solchen Grenze bislang erfolgreich entzogen.
Nach der Rechtsprechung des BVerwG‘s, welche sich im Wesentlichen auf entsprechende Formulierungen des BVerfG‘s stützt, ist die Besoldung nicht mehr amtsangemessen, wenn die finanzielle Ausstattung der Beamten greifbar hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurückbleibt. Diese greifbare Abkopplung ist jedoch ein unbestimmter Rechtsbegriff, der bisher weder vom BVerfG noch vom BVerwG näher konkretisiert worden ist. Das BVerfG hat bislang lediglich angedeutet, dass es nicht von vornherein ausgeschlossen sei, dass die in den letzten Jahren erfolgten finanziellen Einschnitte in die Alimentation der Beamten dazu geführt hätten, dass einzelne Beamtengruppen nicht mehr angemessen alimentiert würden (BVerfG Beschluss vom 02.10.2007 - 2 BVR 1715/03) und in einer anderen Entscheidung (BVerfG NJOZ 2008, 3454) bemerkt, dass die Attraktivität des Beamtenbesoldung ständig abnehme.
Angesichts solcher eher vagen Andeutungen gerät jeder Versuch, die Linie des BVerfG‘s zu bestimmen, zur Kaffeesatzleserei, zumal auch die Analyse der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Entscheidungen widersprüchliche Signale liefert. Zu tiefgreifender Verwirrung gab die Entscheidung des BVerfG‘s zur Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien (kinderreich ist man ab 3 und mehr Kindern) Anlass (BVerfGE 81, 363 ff.), in der ausgeführt wird, die kinderbezogenen Besoldungsbestandteile müssten dem durchschnittlichen Sozialhilfesatz zzgl. eines Mindestabstandes von 15 % entsprechen. Dies klingt nach einem generellen Mindestabstandsgebot zu den Sozialhilfesätzen und zugleich nach einer Orientierung an eben diesen Sätzen. Es kann aber von dem nach einer Bezugsgröße suchenden Senat nicht ernstlich dahin gemeint gewesen sein, dass die Besoldung noch nicht zu beanstanden sei, solange sie denn 15 % über den jeweiligen Sozialhilfesätzen liege. Gleichwohl hat diese missverständliche Formulierung bei einigen Verwaltungsgerichten zu eben jener Erwägung geführt.
Dem Kontext der vorgenannten Entscheidung ist jedoch auch zu entnehmen, dass das BVerfG davon ausgeht, dass von einem Beamtengehalt eine 4-köpfige Familie (also Mutter, Vater und 2 Kinder) amtsangemessen unterhalten werden kann. Vor dem Hintergrund dieser Prämisse hat denn auch eine Stimme in der Literatur (Lenze, NVwZ 2006, 1229) bereits eine Überalimentation kinderloser Beamter im Vergleich zu Beamten mit Kindern und damit ein Umverteilungspotential ausgemacht. Das ist aus meiner Sicht wenig hilfreich, weil es am Problem vorbei geht. Dieser kurze Aufriss zeigt auf, in welchem verfassungsrechtlichen Nebel hier derzeit gestochert wird.
Es bleibt also zu analysieren, welche Abweichungen von der Einkommensentwicklung des gewählten Vergleichsmaßstabes von den Instanzgerichten bisher als greifbare Abkopplung oder eben als noch nicht greifbare Abkopplung angesehen wurden. Die hier festzustellende Bandbreite ist groß.
Das OVG Berlin-Brandenburg hat eine Vermögenseinbuße von 5,08 % des Jahresbruttoverdienstes als eine solche bewertet, welche „gravierende Einschnitte in eine zuvor aufgebaute wirtschaftliche Lebenssituation nicht erwarten" lasse (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.01.2007 - 4 N 76.05).
Das OVG Münster ist dieser Rechtsprechung in seinem Vorlagebeschluss vom 09.07.2009 (1 A 1525/08) entgegengetreten, hat jedoch selbst ausgeführt, ab welchem prozentualen Grad eine quantitativ verfassungswidrige, greifbare Abkopplung der Beamtenbesoldung von der allgemeinen Einkommensentwicklung anzunehmen sei, sei numerisch exakt zu bestimmen ohnehin mit nicht überwindbaren Schwierigkeiten verbunden. Das OVG Münster hat jedoch in derselben Entscheidung ausgesprochen, dass eine greifbare Abkopplung nicht erst bei einer Abweichung im zweistelligen prozentualen Bereich vorliegen könne.
Demgegenüber hat das VG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 30.04.2009 (1 A 300/05) eine greifbare Abkopplung der Nettobesoldung der Beamten von vergleichbaren Angestelltengehältern erst dann angenommen, wenn die Besoldung der Beamten hinter derjenigen der Angestellten um mehr als 10 % zurückbleibe. Zur Begründung hat das VG Lüneburg auf die im öffentlichen Recht bei finanziellen Bewertungen häufig angenommene Geringfügigkeitsgrenze von 10 % zurückgegriffen und ausgeführt, diese Grenze werde oft zugrunde gelegt, um einen nur geringfügigen Eingriff oder eine geringfügige Belastung zu kennzeichnen, die angesichts der Gesamtsituation vernachlässigt werden könne und hat sich hierbei auf den Rechtsgedanken des § 155 I 3 VwGO bezogen.
Diese Vorschrift ist jedoch eine Norm des Kostenrechts, welche die Frage regelt, dass der im wesentlichen obsiegende Kläger seine Kosten insgesamt auf den im wesentlichen unterliegenden Beklagten abwälzen kann, wenn er nur geringfügig mehr gefordert hatte, als ihm zugesprochen wurde. Die Rechtsprechung hat in Ausfüllung dieser Norm die Grenze für eine geringfügige Zuvielforderung bei 10 % gezogen. Der dieser Norm zu entnehmende Rechtsgedanke, eine geringfügige Zuvielforderung lasse eine Kostentragungspflicht des Beklagten insgesamt zu, ist auf ein kontradiktorisches Verfahren zugeschnitten und findet als Geringfügigkeitsgrenze in der sich entwickelt habenden Größe von 10 % auch im Steuerrecht Anwendung. Dieser Rechtsgedanke und die hierzu entwickelte Grenze lassen sich jedoch nicht auf das Beamtenrecht übertragen, welches nicht nach kontradiktorischen Grundsätzen gestaltet ist - so kennt das Beamtenrecht auch keine „Besoldungsverhandlungen" - sondern vom Fürsorgeprinzip des Dienstherrn - bei korrelierenden Treuepflichten der Beamten - geprägt ist.
Fest steht jedenfalls nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Beamten nicht in größerem Umfange als andere Bevölkerungsgruppen zur Konsolidierung der Haushalte herangezogen werden dürfen, mithin den Beamten keine Sonderopfer zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auferlegt werden dürfen. Die Kürzung der Alimentation muss stets auf einen sachlichen Grund gestützt sein; die allgemeine Notwendigkeit der öffentlichen Haushalte, zu sparen und die Haushalte zu konsolidieren, genügen hierfür nicht. Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte, die Herausforderungen durch die Globalisierung, der demographische Wandel und die finanzielle Nachwirkung der Wiedervereinigung Deutschlands begründen allein keine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Besoldung. Die von dem Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang und der Bemühung und die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. Könnte nämlich die finanzielle Situation der öffentlichen Hand bereits für sich und allein genommen eine Veränderung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung rechtfertigen, so wäre diese dem uneingeschränkten Zugriff des Gesetzgebers eröffnet. Die Schutzfunktion des Art. 33 V GG liefe ins Leere.
Hierzu das BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 27.09.2005, 2 BvR 1387/02, hier Rdnr. 129):
„Bezugsrahmen für die betragsmäßige Konkretisierung dieses abstrakten Wertes der vom Beamten erbrachten Leistung sind die Einkommen der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung, Verantwortung und Tätigkeit, vor allem des öffentlichen Dienstes. Die Bereitschaft des Beamten, sich mit ganzem Einsatz seinem Dienst zu widmen, und seine Immunität gegenüber politischer und finanzieller Einflussnahme durch Dritte hängen nicht zuletzt davon ab, dass die von ihm geleisteten Dienste adäquat gewürdigt werden. Maßstab hierfür wie auch für das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sind nicht zuletzt die Einkünfte, die er mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen erzielt, im Vergleich zu den Einkommen ähnlich ausgebildeter Arbeitnehmer mit vergleichbarer beruflicher Verantwortung."
Aus diesem Grunde ist es auch verfehlt, wenn das OVG Münster in einer Entscheidung vom 20.06.2007 - 21 A 1634/05 - eine Besoldungskürzung des Dienstherrn mit der Erwägung zu rechtfertigen versucht, der Dienstherr dürfe erwarten, dass sich der Beamte in entsprechendem Umfang in Konsumverzicht übe. Nach den klaren Vorgaben der verfassungsgerichtlichen Rechtssprechung ist es den Beamten eben entgegen der in dieser Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung gerade nicht zuzumuten, Einsparungen ihrer Aufwendungen für Freizeit, Unterhaltung und Kultur sowie Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen vorzunehmen und ihre Urlaubsreise kostengünstiger im Hinblick auf Reiseziel, Qualität der Unterbringung und Verpflegung und die Reisedauer zu planen, solange dies den vergleichbaren Angestellten innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht ebenfalls zugemutet wird.
Die erhoffte Klärung dieser Rechtsfrage durch das BVerfG auf die Vorlage des VG Arnsberg vom 27.12.2007 beziehungsweise 11.03.2008 ist dieses Jahr leider ausgeblieben, weil das BVerfG mit Beschluss vom 14.10.2009 (2 BvL 3/08 und andere) die Vorlage aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen hat. Hintergrund der Entscheidung war, dass das VG Arnsberg in den Vorlageverfahren vorab nicht geprüft hatte, ob die von den jeweiligen Klägern gewählte Klageart (Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage) in Ansehung der entgegenstehenden Rechtsprechung des BVerwG’s, wonach hier eine Feststellungsklage die richtige Klageart gewesen wäre - überhaupt statthaft waren. In Anbetracht des Umstandes, dass das Verwaltungsgericht hier hinsichtlich der richtigen Klageart einer Hinweispflicht unterlag, und es hiernach unwahrscheinlich erscheint, dass es allein wegen der falschen Klageart zur Klagabweisung gekommen wäre, handelt es sich bei dieser Begründung ersichtlich um einen Notausgang, den das BVerfG gewählt hat.
Ich hoffe, dass den Vorlagebeschlüssen des VG Braunschweig vom 09.09.2008 (7 A 357/05) und des OVG Münster vom 09.07. 2009 (1 A 1525/08) ein anderes Schicksal beschieden sein wird.
Das VG Braunschweig hatte in seinem Vorlagebeschluss vom 09.09.2008 (7 A 357/05) als greifbare Abkopplung der Besoldung von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ein Zurückbleiben der Besoldung eines Beamten der Besoldungsgruppe A9 von 8,11 % hinter der Nettoeinkommensentwicklung eines vergleichbaren Angestellten im öffentlichen Dienst nach der Endstufe der Vergütungsgruppe V b BAT (inzwischen abgelöst durch den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst) angenommen. Diese Berechnung bezieht sich auf den Zeitraum von 2002 bis 2005.
4. Der „Sonderweg" des DRB
Nicht nur die Beamtenbesoldung, sondern auch die Richterbesoldung war in den vergangenen Jahren erheblichen Einschnitten unterworfen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch der Richterbund eine verfassungsrechtliche Prüfung der Richterbesoldung begehrt und diese für verfassungswidrig, weil nicht mehr amtsangemessen, betrachtet. Der DRB hat als Vergleichsmaßstab für die Einkommensentwicklung hier nicht die Gehälter der im öffentlichen Dienst angestellten Juristen herangezogen, sondern entsprechend der neueren Entscheidungen des BVerfG‘s und des BVerwG‘s darauf abgestellt, welche Gehälter vergleichbar qualifizierte Juristen (zwei Prädikatsexamina im höheren Justizdienst) in der freien Wirtschaft, wozu auch Rechtsanwaltskanzleien gehören, erzielen kann.
Mit ist bewusst, dass die ausdrückliche Anknüpfung des DRB an die Gehälter entsprechend qualifizierter Juristen in der gewerblichen Wirtschaft und in Anwaltskanzleien seitens des Beamtenbundes, zumal in Ansehung des noch darzulegenden Gehaltsabstandes, als „Sonderweg" des Richterbundes durchaus kritisch gesehen werden kann und vielleicht auch wird. Es ist mir aber daran gelegen, den abweichenden Ansatzpunkt des DRB darzulegen, insbesondere aufzuzeigen, welche Gründe dazu geführt haben, dass der DRB - wie auch nunmehr erstmals der Bund Deutscher Verwaltungsrichter - die R-Besoldung auf den verfassungsgerichtlichen Prüfstand stellen.
Hierzu hat der DRB die Firma Kienbaum mit der Erstellung einer Studie beauftragt. Das Ergebnis dieser Studie lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen: Im Zeitraum 1992 bis 2007 sind die Bezüge der Richter und Staatsanwälte insgesamt nur um ca. 20 % gestiegen, während sich schon der Preisindex in dieser Zeit um etwa 32 % erhöht hat. Gegenüber vergleichbaren Gruppen in der gewerblichen Wirtschaft fällt die Entwicklung der R-Besoldung weit zurück. So ist im Handels-, Kredit- und Versicherungsgewerbe von 1992 bis 2005 eine Einkommenssteigerung von 46 % zu verzeichnen, die damit doppelt so hoch ausgefallen ist wie die bei der - bereits hinter den Preissteigerungen zurückbleibenden - R-Besoldung. Der Abstand der R-Besoldung zu denjenigen Einkommen, die von vergleichbar gut qualifizierte Juristen in der gewerblichen Wirtschaft und den Anwaltskanzleien zu erzielen ist, ist nach diesem Gutachten in einem Minimum von 20 % beziffern.
Diesen Abstand erachten wir nicht nur als eine greifbare, sondern als eine massive Abkopplung der Entwicklung der vergleichbaren Einkommensgruppen, die im Zusammenhang mit weiteren Verschlechterungen bei der Gesamtalimentation nur den Schluss zulässt, dass die derzeitige R-Besoldung nicht mehr amtsangemessen und damit verfassungswidrig ist.
Auch der DRB verkennt nicht die angespannte Finanzlage der Länder. Aber ebenso wie im Bereich der Beamten lässt auch im Bereich der Richter und Staatsanwälte allein der Umstand, dass das Land nicht ausreichend Finanzmittel hat, um seiner Alimentationsverpflichtung in vollem Umfang nachzukommen, nicht die Alimentationsverpflichtung als solche entfallen.
5. Weitere Aspekte
Lassen Sie mich noch einige wenige weitere Aspekte ansprechen:
a) Das Gebot der Bestenauslese gebietet die Zahlung von Gehältern, die eine Anwerbung auch tatsächlich der „Besten", jedenfalls derjenigen, die überdurchschnittlich gute Examina gemacht haben, überhaupt möglich macht. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach meiner Überzeugung jedenfalls im höheren Dienst der Beamten und im Bereich der Richter und Staatsanwälte nicht mehr der Fall. In Ballungsräumen wie München war es auch nach Einschätzung der Justizverwaltung jedenfalls bis zu Beginn der Finanzkrise kaum mehr möglich, qualifizierte männliche Bewerber für den höheren Justizdienst zu finden.
Soweit darauf verwiesen wird, in Zeiten der aktuellen Finanzkrise habe sich das Problem entschärft, weil wieder genügend Bewerber zur Verfügung stehen würden, kann dies allenfalls eine vorübergehende Erscheinung sein, wollte man nicht diejenigen Politiker der Lüge zeihen, nach deren Worten die Finanzkrise in absehbarer Zeit in Deutschland überwunden sein wird. Im Gegenteil, das Problem wird sich in den nächsten Jahren durch erhöhte Altersabgänge und sinkende Nachwuchszahlen noch verschärfen.
Ich bin jedenfalls überzeugt, dass
die gegenwärtige Besoldung bereits wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der
Bestenauslese verfassungswidrig ist. Da die Einhaltung dieses
Verfassungsgebotes jedoch kein subjektives Recht eines einzelnen Beamten
begründet, kann seine Verletzung im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde auch
nicht mit Erfolg gerügt werden.
b) Das Argument der Arbeitsplatzsicherheit, welches immer wieder zur Rechtfertigung von ausgebliebenen Besoldungserhöhungen oder gar von Besoldungskürzungen ins Feld geführt wird, rechtfertigt dieses nicht. Zum einen sind Angestellte im öffentlichen Dienst faktisch nach einer gewissen Zeit ebenso fast unkündbar wie Beamte, so dass eine Ungleichbehandlung von daher nicht gerechtfertigt ist. Zum anderen ist aber auch die Arbeitsplatzsicherheit von Beamten bei der Bemessung ihrer ursprünglich bestimmten Grundgehälter berücksichtigt worden, so dass eine immer neue Berücksichtigung dieses Umstandes - als wohlfeiles, um nicht zu sagen populistisches Argument - von vornherein ausscheiden muss. Es würde sich, einmal strafrechtlich formuliert, um eine verbotene Doppelverwertung zu Lasten des Angeklagten handeln.
c) Ein Argument ist bei der Diskussion um die Gewährung einer amtsangemessenen Besoldung bislang - soweit ersichtlich - außer Betracht geblieben. Der Gesetzgeber hat es verabsäumt, in seine Erwägungen zur Höhe der Besoldung die Überlegung einzustellen, dass ein Beamter - oder auch Richter oder Staatsanwalt - nur unter erheblichen Verlusten, namentlich seiner Pensionsansprüche, aus dem öffentlichen Dienst, also aus dem Beamten- oder Richterverhältnis in die private Wirtschaft wechseln kann. Dies ist deswegen von Bedeutung, weil der Staat nach wie vor keinerlei Rückstellungen für die Pensionsansprüche seiner Beamten und Richter vornimmt und solche somit nach Ausscheiden eines Beamten oder Richters aus dem Staatsdienst als individualisierbare Rücklagen nicht vorhanden sind, sondern der Beamte oder Richter zum Grundtarif in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert wird, was regelmäßig dessen versorgungsmäßigen Ruin zur Folge hat. Unabhängig von der Frage, ob hier nicht jenseits der Besonderheiten des Beamtenstatus und der Grundsätze des hergebrachten Berufsbeamtentums nicht doch ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Berufswahl an der Freizügigkeit nach dem Europäischen Gemeinschaftsrecht besteht, ist jedenfalls festzuhalten, dass die Besoldungssätze in soweit keinem Wettbewerb unterliegen, als dass die jeweiligen Amtsinhaber im Falle einer nicht mehr amtsangemessenen, verfassungswidrig zu niedrigen Besoldung nicht - wie es sonst dem freien Markt entsprechen würde - in vergleichbare Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes wechseln können, weil diesem faktische Hindernisse entgegenstehen.
d) Ein gern zur Rechtfertigung von Besoldungseinschnitten gebrachtes Argument ist auch die Arbeitsbelastung außerhalb des öffentlichen Dienstes. Gerade wenn Beschäftigte beispielsweise in Anwaltskanzleien und deren Gehälter als Vergleichsmaßstab herangezogen werden sollen - ich spreche da aus Erfahrung -, werden einem abenteuerliche Arbeitszeiten in Anwaltskanzleien entgegengehalten, die man selbst auch bei höchstem Einsatz eigener Arbeitskraft und Gesundheit nie würde leisten können.
Die in diesem Zusammenhang gern beschworene 80-Stunden-Woche eines Rechtsanwaltes würde - die Ernsthaftigkeit dieses Argumentes einmal unterstellt - bedeuten, dass ein Rechtsanwalt, der von Montag bis Samstag durchgehend arbeitet, an jedem dieser Tage mindestens 13 Stunden arbeiten müsste. Dass dies in Großkanzleien namentlich mit dem Schwerpunkt der Beratung von - zurzeit offenbar in der Finanzkrise befindlichen - Investmenthäusern zuweilen zutreffen mag, wird nicht bestritten. Andererseits werden die exorbitanten Gehälter der in diesen Kanzleien beschäftigten Anwälte auch nicht zu Vergleichszwecken herangezogen. Es stünde allen Beteiligten, sofern sie denn ernst genommen werden wollen, gut an, bei solchen Vergleichen die Kirche im Dorf zu lassen. Im öffentlichen Dienst, darunter sowohl in der Verwaltung wie auch in der Justiz, ist es nach meiner Kenntnis keine Seltenheit, dass Beamte und Richter, darunter nicht nur Beamte mit Führungsfunktionen, bis zu 50 Stunden und zum Teil über 50 Stunden pro Woche tätig sind, wobei mir auch Fälle bekannt sind, in denen Beamte nach Erreichen der Regelarbeitszeit „ausstempeln", um dann ohne Anrechnung der Überstunden unauffällig weiter ihre Arbeit zu verrichten. Solche Totschlagsargumente taugen nicht mehr in einer Zeit, in der die Fortentwicklung des Berufsbeamtentums unter Beachtung ihrer hergebrachten grundsätzlichen Verfassung aufgenommen worden ist und in denen sich der öffentliche Dienst immer mehr an den Erfordernissen und Grundsätzen der wettbewerblich orientierten Wirtschaft ausgerichtet hat.
Ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst der Zukunft wird sicherzustellen haben, dass die Gehälter nicht nur im tradierten verfassungsrechtlichen Sinne amtsangemessen sind, sondern dass sie auch geeignet sind, die verfassungsrechtlich gebotene Bestenauslese in dem Sinne zu gewährleisten, dass sich auch die tatsächlich Besten der jeweiligen Zielgruppe für eine entsprechende Stelle im öffentlichen Dienst interessieren werden, damit der Anspruch der Bürger auf einen qualitativ guten öffentlichen Dienst erfüllt werden kann.
Frank Bornemann