(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/08, 3 ) < home RiV >

Bericht über die Mitgliederversammlung

 

Am 04.03.2008 fand die Mitgliederversammlung des Hamburgischen Richterverein statt. Der Andrang der Mitglieder war dieses Mal nicht ganz so groß wie im letzten Jahr. Für die nicht Erschienenen ist dies sehr bedauerlich, denn sie haben eine ganz hervorragende Rede unseres Gastredners verpasst.

 

A. Öffentlicher Teil

 

Zunächst wurden Grußworte für den Senat durch Justizsenator Lüdemann und für den Deutschen Richterbund durch dessen Präsidiumsmitglied Kreth überbracht.

In diesem Zusammenhang erwähnte der Justizsenator den vom Richterverein iniziierten „Round-Table Justiz“, die Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft der norddeutschen Bundesländer zum Thema Leistungsbesoldung und die Hoffnung auf weiterhin reibungslose Richterernennungsverfahren.

Frau Kreth entschuldigte den DRB-Vorsitzenden Frank, der sich in Kolumbien um die Neubelebung der Kolumbienhilfe des DRB bemühte. Frau Kreth forderte für die Richterschaft eine angemessene Besoldung und angemessene personelle und sachliche Ausstattung als Ausdruck der Wertschätzung des Staates und als Ausfluss der Ansprüche der Bürger auf ordentliche Verfahren. Die Bemühungen der Landesverbände im Besoldungsfragen unterstütze der DRB durch ein Netzwerk der Besoldungsreferenten, durch Infos auf einer speziellen Internetseite und durch die Inauftraggabe eines Gutachtens zum Zwecke des Vergleichs von Richtergehältern mit privatwirtschaftlichen Vergütungen.

Sodann sprach Prof. Wolfgang Ewer, der Vizepräsident des deutschen Anwaltvereins, zum "Stellenwert der dritten Gewalt in der Gesellschaft".


Textfeld:   
PräsBRAK Filges, Schaberg, 
VizePräsDAV Ewer

Dabei differenzierte er zwischen dem objektiven und dem subjektiven Stellenwert. Der objektive Stellenwert sei unzweifelhaft hoch, da das Recht einer der wesentlichsten Steuerungsfaktoren unserer Gesellschaft sei. Ohne Durchsetzung durch die Justiz könne das Recht aber seine Steuerungswirkung nicht entfalten. Ewer erläuterte dies am Beispiel eines Mandanten, der jahrzehntelang über deutschen Bürokratismus gewettert habe, dann versucht habe im Ausland zu investieren, und schließlich gemerkt habe, dass das Bestehen eines einklagbaren Genehmigungsanspruchs ein echter Standortfaktor sei. Dass das Recht ohne die Durchsetzung durch die Gerichte weitgehend wirkungslos bleibe, werde auch daran deutlich, dass gegen nichtdrittschützende Vorschriften häufig verstoßen worden sei, bis die Einführung der Verbandsklagen zu einer Einklagbarkeit auch derartiger Bestimmungen geführt habe.

Der subjektive Stellenwert der Justiz sei demgegenüber differenziert zu betrachten. Im Großen und Ganzen schätze die Bevölkerung ihre Justiz. Dies zeigten nicht nur die vielen Gerichtssendungen, sondern auch eine Berufsumfrage von Readers Digest. Für die Akzeptanz der Justiz sei wichtig, dass der Richter den Parteien zuhöre; wenn Bürger den Eindruck haben, dass sie vom Richter ernst genommen werden, so beeindrucke dies auch die unterliegende Partei, was zu weniger Rechtsmitteln führe. Zum guten Ruf der Justiz trage bei, dass mündliche Verhandlungen jetzt schneller als in der Vergangenheit durchgeführt werden und dass die Richtereinstellungspraxis auch kommunikative Kompetenzen berücksichtige; die neue Richtergeneration sei deutlich leistungs- und kundenorientierter.

Indessen werde der objektiv hohe Stellenwert der Justiz von der Politik häufig noch immer nicht ausreichend wahrgenommen. Dies schlage sich u.a. in einer mitunter unzureichenden finanziellen Ausstattung nieder. Dabei dürften die Justizkosten Deutschlands pro Einwohner nicht mit beliebigen anderen Ländern (beispielsweise Aserbaidschan) verglichen werden, weil das gesellschaftliche Leben in Deutschland viel komplexer als in manchen anderen Staaten bei und deshalb eine aufwändigere Justiz erforderlich und angemessen sei. Auch seien die gesellschaftlichen Folgekosten zu bedenken, wenn die Justiz nicht angemessen ausgestattet wird.

Eine dem objektiven Stellenwert entsprechende Wertschätzung der Justiz müsse sich auch in einer verantwortungsadäquaten Besoldung der Richter niederschlagen. Dies gelte umso mehr, als es beim Richter – anders als beim Anwalt – aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum möglich sei, zu erreichen, dass ein besonders engagiertes Tätigwerden auch zu einem wirtschaftlichen Erfolg für den des betreffenden Leistungsträger führe. Vor dem Hintergrund des Fehlens einer derartigen materiellen Motivation sei es verhängnisvoll, wenn durch Maßnahmen wie Streichung des Weihnachtsgeldes (Schleswig-Holstein), unzureichende Ausstattung des nachgeordneten Bereichs oder ungenügende Beheizung der Sitzungssäle der Eindruck erweckt werde, dass der Dienstherr den inzwischen häufig sogar überobligatorischen Anstrengungen der Richter nicht die gebotene Wertschätzung entgegenbringe.

Schließlich hänge die Leistungsfähigkeit der Justiz maßgeblich vom Vorhandensein einer verantwortungsbewussten und qualitätvollen Anwaltschaft ab, welche den Prozessstoff auf das rechtlich Wesentliche konzentriere und klagewillige Bürger von sinnlosen Verfahren abhalte. Dies setze aber voraus, dass der Bürger darauf vertrauen könne, dass der Anwalt zur Verschwiegenheit und Unabhängigkeit verpflichtet sei und jede Interessenkollision vermeiden müsse. Vor diesem Hintergrund läge es aber im gemeinsamen Interesse aller am Erhalt einer funktionsfähigen Justiz Interessierten – und damit auch der Richterschaft -, den Plänen der EU-Kommission zur stetig weitergehenden Deregulierung des Berufsrechts eine klare Absage zu erteilen.

Nach der Rede Ewers gab es langanhaltenden tosenden Beifall, wie man ihn selten im Plenarsaal gehört hat.

 

Sodann formulierte unser Vorsitzender Gerhard Schaberg noch im öffentlichen Teil seinen Zorn über die Behandlung der Richterschaft durch die anderen Gewalten. Für das Parlament scheinen die Gerichte auf Grund ihrer Kontrollfunktion lediglich ein notwendiges Übel zu sein. Die Politik bezeichne die Richter als leitende Angestellte, schlage die Richter im Rundschreiben der Beamtenschaft zu, versuche den Richtern Leistungszulagen anzusinnen und nehme für Besoldungserhöhungen vorgesehene Gelder wieder zurück.

Zur Gehaltshöhe verwies Schaberg darauf, dass ein neu eingestellter Richter lediglich knapp 2.500 € netto monatlich verdiene und dass der Stundensatz eines durchschnittlichen Richters nur 22,50 € betrage. Ein Papier, nach dem die Verwaltung darauf achten möge, dass der Richter nicht 7 Tage in der Woche arbeiten solle, sondern mindestens ein Tag pro Woche gerichtsfrei sein solle, zeige, dass von einer 6-Tage-Woche ausgegangen wird. Es sei deshalb nur konsequent, dass in letzter Zeit niemand in der Politik mehr eine feste Dienstzeit für Richter verlange.

Demgegenüber habe die Justizbehörde in letzter Zeit der Richterschaft den gebotenen Respekt - insbesondere auch in Fragen der Leistungsbesoldung - entgegengebracht. Zu beklagen sei, dass das öffentliche Bild der Justiz geprägt werde durch meinungsbildende Medien wie justizverachtende Kommentare, Gerichtssendungen mit häufigen Beschimpfungen und Tatortsendungen mit in üppigen Wohnhäusern lebenden Richtern. Dem müssten Richter durch offensive Aufklärung im öffentlichen und privaten Raum über den Sinn richterlicher Unabhängigkeit entgegenwirken; vornehme Zurückhaltung schade nur. Als weiteres Öffentlichkeitsmittel schlug Schaberg eine jährliche Rede der OLG-Präsidenten zur Lage der Justiz vor.

 

In Erwiderung dazu und auf Fragen aus dem Publikum nahm Justizsenator Lüdemann zur  Richterbesoldung Stellung. Er sehe die rechtliche Problematik einer Leistungsvergütung im Richterbereich, sei aber durch die allgemeine Beschlusslage des Senats gebunden. Jedenfalls sei eine Auskehrung des einen Prozents der - wegen der Leistungsbesoldungsdiskussion bislang nicht durchgeführten - Besoldungserhöhung nicht möglich, da auch Beamte derzeit nicht ein weiteres Prozent mehr Gehalt erhalten, weil auch dort Kriterien zur Leistungsbesoldung noch nicht festgelegt seien. Erst wenn Beamte die Leistungsbesoldung erhalten, komme eine pauschale Auskehrung des einen Prozents an die Richterschaft infrage. Im Übrigen habe ein Gehaltsvergleich der Justizbehörde ergeben, dass die Richterschaft in Hamburg sehr gut bezahlt werde; nur in Bayern sei die Besoldung geringfügig höher.

 

B. Nichtöffentlicher Teil

 

Im nichtöffentlichen Teil der Mitgliederversammlung gab Herr Schaberg seinen Rechenschaftsbericht ab (nächste Spalte).

Herr Buhk stellte die Kasse vor. Dabei betonte er, dass ein Überschuss nur wegen einer einmaligen zweckgebundenen Kostenerstattung zu verzeichnen sei. Ansonsten gebe es ein strukturelles Defizit, das sich schon wegen des Wegfalls der DRiZ-Freiexemplare um ca. 2.000 EUR erhöhen werde. Eine Beitragserhöhung gebe es wegen der Rücklagen zwar noch nicht jetzt, lasse sich aber in der Zukunft nicht vermeiden.

Bei der Wahl der Vorstandsmitglieder wurden die Wiederkandidierenden neu gewählt. Endgültig ausgeschieden sind Frau Birke, Herr Öhlrich, Herr Steinmann, Frau Quathamer und Herr Führer. An ihre Stelle wurden gewählt: Herr Focken (AG, Segmentsdirektor), Herr Fu (FG) und Frau Ritz (LG; bisher Assessorenvertreterin) sowie als neue Assessorenvertreter Frau Melcher (StA) und Herr Loos (LG).

 

Wolfgang Hirth