(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/07, 26 ) < home RiV >

 

In den MHR hat Hans Arno Petzold in den letzten Jahren viel über Europa geschrieben und so auch auf diese Weise viel für die Europäischen Kenntnisse unserer Leser getan. Dafür danken ihm die MHR sehr. Hans Arno Petzold ist im Oktober beruflich ins schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium gewechselt, dessen Staatssekretärin Karin Wiedemann langjährige Redakteurin der MHR war. Dort ist er nun zuständig u.a. für EU-Beihilfen, Regionalförderung und Aufsicht. Neue Leiterin des Info-Point-Europa ist die Juristin Henriette Hintelmann, die ihren Einstand in den MHR mit dem nachfolgenden Bericht über die diesjährige Europareise gibt.                (Red.)

Europareise 2007[1]

Im Rahmen der Fortbildungsfahrt des Info-Point Europa Hamburg, des Hanseatischen Oberlandesgerichtes und der Justizbehörde Hamburg machten sich Anfang November 26 interessierte Kollegen des Höheren Polizeidienstes, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte auf den Weg, die Institutionen der Europäischen Union in Brüssel und Den Haag kennen zu lernen.

 

 

1. Tag: Hanse-Office in Brüssel

Am Morgen des 5. November gegen halb acht setzte sich unser Bus vom Dammtor-Bahnhof in Richtung Brüssel in Bewegung. Wir erreichten das Hanse-Office[2] am Nachmittag, wo uns der stellvertretende Leiter, Kolja Harders, empfing. Das Gebäude des Hanse-Office liegt in zentraler Lage in direkter Nähe des Europäischen Parlamentes und anderer Institutionen.

Nach der Ankunft im zentral in Brüssel gelegenen Hotel Bedford, verbrachte die Gruppe den freien Abend in gemütlicher Atmosphäre in einem Fischrestaurant in der Nähe des Grand Place. Dort bestellte ein Großteil der Teilnehmer eine empfohlene Brüsseler Spezialität: Moules et Frites (Muscheln und Fritten).

 

2. Tag: OLAF, Europäische Kommission und Abendessen in Brüssel

Am Vormittag des zweiten Tages hatten wir Gelegenheit OLAF[3], das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Office européen de lutte anti-fraude) zu besuchen. Die OLAF-Bediensteten Bernd-Roland Killmann, Marc Arno Hartwig und Stefan Knolle gewährten uns einen Einblick in die Funktion und Arbeitsweise von OLAF. Der Generaldirektor, Franz-Hermann Brüner, nahm sich freundlicherweise auch etwas Zeit und stellte sich nach einer kurzen Begrüßung den Fragen der Teilnehmer.

 

Nach der Mittagspause ging es weiter zur Europäischen Kommission. Dort empfing uns zunächst Michael Wilderspin, Mitglied des Juristischen Dienstes der Kommission. Herr Wilderspin erläuterte uns die Aufgaben und Kompetenzen der Generaldirektion „Justiz, Freiheit und Sicherheit“ und des Juristischen Dienstes.

Das Personal der Kommission ist auf Abteilungen aufgeteilt, die aus „Generaldirektionen“ (GDs) und „Diensten“ (z.B. Juristischer Dienst) bestehen. Jede Generaldirektion ist für einen bestimmten Politikbereich zuständig und wird von einem Generaldirektor geleitet, der einem Kommissionsmitglied gegenüber verantwortlich ist. Der Juristische Dienst ist ein interner Dienst der Kommission, der direkt dem Präsidenten der Kommission untersteht. Er hat die Aufgabe, die Kommission und ihre Dienststellen rechtlich zu beraten und die Kommission vor Gericht zu vertreten.

Anschließend informierte uns Sabine Wenningmann, Mitarbeiterin der Direktion „Innere Sicherheit und Strafjustiz“ der Generaldirektion „Justiz, Freiheit und Sicherheit“, über europäische Maßnahmen im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit. Infolge der wachsenden Zahl krimineller Gruppierungen, die gleichzeitig in mehreren Mitgliedstaaten operieren, wird die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden in den betroffenen Ländern – vor allem im Wege des Informationsaustausches – zum wichtigsten Instrument bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Wie im Vorjahr erläuterte Frau Wenningmann insbesondere das „Haager Programm“, den „Prümer Vertrag“ und die Fingerabdruck-Datenbank EURODAC.

Unser Besuch bei der Kommission endete mit einem Vortrag von Markus Zalewski, Mitarbeiter der Direktion „Zivilrecht, Recht und Zivilgesellschaft“, über die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Der Grundsatz des freien Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr hat die Mobilität zwischen den europäischen Bürgern und die Handelstätigkeit gefördert. Durch den Vertrag von Amsterdam wurde die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen eine Politik der Europäischen Gemeinschaft in Verbindung mit dem freien Personenverkehr. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung spielt für die justizielle Zusammenarbeit eine bedeutende Rolle. Zu den Rechtsinstrumenten in diesem Bereich gehören der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen[4], Regelungen über die Zustellung von Schriftstücken[5] und Regelungen über die Beweisaufnahme[6].

Nach einem Tag mit zahlreichen Programmpunkten, lernte die Gruppe am Abend den Hamburger Europaabgeordneten Dr. Georg Jarzembowski[7] bei einem edlen Abendessen im Restaurant Atélier kennen.

Herr Jarzembowski ist seit 1991 Mitglied des Europäischen Parlaments. Er ist Mitglied im Vorstand der EVP-ED-Fraktion und Koordinator seiner Fraktion im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr. Herr Jarzembowski erzählte uns von seiner Arbeit als Parlamentarier und seinem politischen Werdegang.

3. Tag: Besuch beim Europäischen Parlament und Fahrt nach Den Haag

Am Vormittag des dritten Tages fuhren wir zum Europäischen Parlament, wo uns Katrin Binius, Büroleiterin der Europaabgeordneten Ewa Klamt (EVP-ED-CDU), empfing und uns den Aufbau und die Rolle des Europäischen Parlaments erklärte.

Das Europäische Parlament setzt sich aus 785 Abgeordneten aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen, darunter befinden sich 99 Abgeordnete aus Deutschland. Zurzeit gibt es im Parlament 8 Fraktionen, wobei die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten (EVP-ED-Fraktion) die größte politische Fraktion im Parlament darstellt. Das Europäische Parlament teilt sich die gesetzgebende Gewalt mit dem Rat der Europäischen Union in vielen Politikbereichen. Das Gesetzgebungsverfahren, das am häufigsten zur Anwendung gelangt, ist das „Mitentscheidungsverfahren“. Frau Binius erklärte unter anderem den Teilnehmer, welche Neuerungen der Vertrag von Lissabon in Bezug auf das Europäische Parlament mit sich bringt. Denn durch den Vertrag von Lissabon erhält das Europäische Parlament praktisch die volle Mitwirkung in der europäischen Gesetzgebung neben dem Rat und zudem zahlreiche zusätzlichen Kontrollbefugnisse. Als wir den Plenarsaal des Europäischen Parlaments besuchten, wunderten sich manche Teilnehmer, dass keine Sitzungen stattfanden. Frau Binius klärte die Gruppe auf: Plenartagungen finden normalerweise in Straßburg (eine Woche monatlich) und nur gelegentlich in Brüssel  statt. Nach dem Besuch des Europäischen Parlaments hatte die Gruppe ein paar Stunden Zeit, um auf eigene Faust Brüssel näher zu erkunden, bevor es am Nachmittag mit dem Bus weiter nach Den Haag ging.

4.Tag: Besuch bei Europol und Eurojust in Den Haag

Letzte Station unserer Reise war Europol[8] (European Police Organisation), die Zentralstelle für den Informationsaustausch und die Verbrechensanalyse ohne exekutive Befugnisse. Dort wurden wir von Ruth Linden, Corporate Communications Europol, Andreas Qubain, Liaison Bureau Germany, und Dirk Nonninger, Serious Crime, in die Organisation und Arbeitsweise von Europol eingeführt.

Der Personalbestand von Europol umfasst 577 Personen. Zum Personal gehören auch Europol-Verbindungsbeamten, die verschiedene Strafverfolgungsbehörden aus allen Mitgliedstaaten vertreten (Polizei, Zoll usw.) Der amtierende Direktor ist Max-Peter Ratzel aus Deutschland. Europol soll die Leistungsfähigkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und ihre Zusammenarbeit zur Verhütung und Bekämpfung schwerer international organisierter Kriminalität und des Terrorismus verbessern.

 

Nach dem Mittagessen in der Europol-Kantine hat uns Hermann von Langsdorff, deutscher Vertreter bei Eurojust[9], einen Überblick über die Arbeit von Eurojust gegeben. Eurojust wurde durch einen Beschluss des Rates[10] von 2002 als Einrichtung der Europäischen Union mit Sitz in Den Haag errichtet.

Ziel von Eurojust ist die Hilfe bei der Koordinierung der Ermittlung und Ahndung schwerer grenzüberschreitender Straftaten und die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Strafverfolgungsbehörden. Eurojust setzt sich zusammen aus einem Team von leitenden Staatsanwälten und Richtern, die von jedem EU-Mitgliedstaat nach Den Haag entsendet werden, während sie ihre offiziellen Positionen in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat behalten. Während Eurojust selbst keine Kompetenzen zur Einleitung von Ermittlungen oder Strafverfolgungen hat, kann sie die Unterstützung einzelstaatlicher Maßnahmen in grenzüberschreitenden Rechtssachen koordinieren. Die nationale Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit auf deutscher Seite ist das Eurojustgesetz (EJG), welches vorsieht, dass sich ermittelnde Staatsanwälte und- bei Gefahr im Verzug- auch Polizeibeamte an Eurojust wenden können.

 

Die spannenden Ausführungen von Herrn von Langsdorff  bildeten einen gelungen Abschluss der Reise, und so verließen wir die Stadt Den Haag mit vielen neuen Erkenntnissen und machten uns auf den Heimweg nach Hamburg.

 

Henriette Hintelmann, Maike Khankischpur


[1] Vgl. zur Europareise 2006 Petzold/Seel, MHR 4/2006, 27

[2] Weitere Informationen unter www.hanse-office.de

[3] Weitere Informationen unter: http://ec.europa.eu/dgs/olaf/index_de.html

[4] VO 805/2004

[5] VO 1348/2000

[6] VO 1206/2001

[7] Homepage von Dr. Georg Jarzembowski:  www.gjarzembowski.de

[8] Weitere Informationen unter: www.europol.europa.eu

[9] Weitere Informationen: www.eurojust.europa.de

[10] 2002/187/JI