(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/07, 24) < home RiV >
Im Land der Schären 2007
Nach vier Jahren war es jetzt wieder so weit: 13 Richter und Staatsanwälte aus Hamburg sind für eine Woche (5. bis 12. Mai 2007) zu schwedischen Kollegen nach Malmö bzw. Lund und Stockholm gefahren und haben auch den dänischen Kollegen aus Roskilde und Kopenhagen einen Besuch abgestattet. Dieser Austausch hat inzwischen eine jahrzehntelange Tradition und war wieder ein voller Erfolg. Von deutscher Seite waren dabei: Klaus Wille, Gerhard Schaberg, Ute Barrelet, Liane Bayreuther-Lutz, Andrea Skibbe, Kaj Larsen, Gisela Brümmer, Stefanie Diettrich, Hans Winchenbach, Circe Kalcher, Peter Wunsch, Carola Schwersmann, und Nancy Hädicke.
Los ging´s am Samstag mit einer Zugfahrt von Hamburg über Kopenhagen bis nach Malmö bei der die Überquerung der Öresund-Brücke schon eindrucksvoll war. Das Wetter zeigte sich schon jetzt wie fast die gesamte Woche über von seiner sonnigen – wenngleich skandinavisch kühlen Seite.
In Malmö wurden wir sofort von unseren schwedischen Gastgebern herzlich begrüßt und in Empfang genommen. Bis zur abendlichen Willkommensparty im Hause von Jan Alvo, dem Präsidenten des Tingsrätt in Lund, konnte jeder seinen Gastgeber kennen lernen. Gerade die private Unterbringung macht bei diesem Austausch den besonderen Reiz aus. Die schwedischen Kollegen waren wie immer außerordentlich gastfreundlich. Davon zeugte nicht zuletzt das reichhaltige Buffet bei Jan Alvo, dem scheidenden schwedischen Hauptorganisator.
Klaus Wille hatte sich die Mühe gemacht, die Historie des Austausches in einem Band zusammenzustellen, den er an Jan Alvo und Monika Felding, die künftige Organisatorin, überreichte. In seiner Rede erinnerte er nicht zuletzt an den unvergessenen Roland Makowka, dessen Name mit dem Schwedenaustausch untrennbar verbunden bleibt.
Für die nächsten Tage hatten unsere schwedischen und dänischen Gastgeber sich ein buntes Programm für uns ausgedacht:
So stand am Sonntag ein Besuch in der Hafenstadt Helsingborg inklusive Brunchbuffet im Dunkers Kulturhaus auf dem Programm. Am Montag ging es nach der fast schon „kriminalhistorischen“ Führung (O-Ton Gerhard Schaberg) durch den Dom von Roskilde gleich zum dänischen Arbeitsgericht nach Kopenhagen. Der dortige Gerichtspräsident, Nils Waage, erläuterte uns in einem Verhandlungssaal die dänische Arbeitsgerichtsbarkeit, die sich interessanterweise auf das kollektive Arbeitsrecht beschränkt. Dass wir beim Betreten des Gebäudes an streikenden Rettungssanitätern vorbei mussten, war angeblich nicht extra für uns inszeniert worden.
Bevor wir abends im Lunder Tingsrätt (vergleichbar dem Amtsgericht) ein unvergessliches Studentenspektakel („Specs“) präsentiert bekamen, war Zeit genug, Kopenhagen zu erkunden. Die wahrhaft talentierten Studentendarsteller ernteten für ihren musikalisch wie tänzerisch gelungenen Comedyauftritt tosenden Beifall.
Am Dienstag wanderten wir dann auf den Spuren von Henning Mankells Kommissar Kurt Wallander in Ystad. So sahen wir nicht nur „sein Haus“, sondern standen später sogar in „seiner“ Küche und saßen auf „seiner“ Couch im Wohnzimmer – zwar nur als Filmkulisse, aber immerhin!
In Ystad beeindruckte vor allem das fast fertig gestellte neue Gerichtsgebäude. Voller Stolz präsentierte der Gerichtspräsident Claes Werdenius sein Haus, welches auf den modernsten technischen Standard umgebaut worden ist. Digitale Terminsrollen, Touch-Screen-Steuerung vom Richterpult aus, Videokonferenzen, digitaler Overheadprojekter, Beamer, Notebookanschluss am Platz gehören hier ebenso zur Ausstattung wie Besprechungsräume für die Parteien und ansprechend gestaltete Wartebereiche. An laufenden Gerichtsverhandlungen konnten wir als „interessierte Öffentlichkeit“ teilnehmen und dabei z.B. sehen, wie es ist, wenn der Staatsanwalt, nicht der Richter, die Verhandlung steuert und noch dazu niemand eine Robe trägt!
Abends verabschiedeten wir uns mit einem Essen von den Kollegen aus Malmö und Lund und bestiegen gegen 23.00 Uhr den Nachtzug nach Stockholm.
Leicht unausgeschlafen kletterten wir dort am Mittwochmorgen aus dem Zug und machten uns sofort auf zum Büro des Justiz-Ombudsmannes – einer typisch schwedischen Schlichtungsinstanz. Dort lernten wir u.a., dass in Schweden sogar ein Richter für Nachlässigkeiten im Dienst mit einem empfindlichen Ordnungsgeld bestraft werden kann! An diesem Tag stand noch der schwedische Reichstag auf dem Programm, wo wir der laufenden Debatte zur Gesundheitsreform lauschen konnten. Zudem besuchten wir den dort angesiedelten Verfassungsausschuss. Hier wurde z.B. der in Schweden viel beachtete Bericht über die Krisenreaktion der Regierung auf die Tsunami-Katastrophe 2004 erarbeitet.
Am Donnerstag wurde uns der „sehr“ offene Vollzug in der Strafanstalt Svartsjö gezeigt. Hier geht es vor allem darum, den Inhaftierten mit der Arbeit auf dem anstaltseigenen Bauernhof und dem relativ selbständigen Wohnen in Wohngemeinschaften wieder einen Tagesrhythmus zu vermitteln. Das Ganze machte einen fast ebenso idyllischen Eindruck wie unsere anschließende Besichtigung von Schloss Drottingholm und die Bootsfahrt in die Stockholmer Innenstadt. Der freie Abend konnte für unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen genutzt werden, z.B. den Besuch der Oper („Cosi fan tutte“).
An unserem letzten Tag, dem Freitag, wurde uns Struktur und Arbeit der schwedischen Polizei im Hauptgebäude der Reichspolizei erklärt. Streifenpolizisten haben uns nicht nur ihren Arbeitsalltag und ihre Arbeitsausrüstung vorgeführt. Unvergesslich bleibt für jeden, der dabei war, wie die Rednerin anschaulich die sozio-kulturellen Unterschiede zwischen einem wütenden Schweden und einem wütenden Südländer demonstrierte! Anschließend erläuterten uns zwei Verwaltungsrichter in den altehrwürdigen Räumen des Kammergerichtes (entsprechend unserem Oberverwaltungsgericht) Geschichte und Gegenwart der schwedischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mit einem Spaziergang durch die einmalig schöne Stockholmer Altstadt inklusive Kurzbesuch in der Deutschen Kirche ging es dann zur Innenstadtfähre, die uns zum berühmten Vasamuseum brachte. Wer einmal das imposante Schiff und die abwechslungsreich gestaltete Ausstellung zu seiner Bergung gesehen hat, wird bei jedem Stockholmbesuch wiederkommen wollen! Abends war es schon wieder an der Zeit, sich mit einem Abschiedsmahl von unseren Gastgebern zu verabschieden.
Am Samstag ging es dann schließlich per Billigflieger von Stockholm-Skavsta über Hamburg/Lübeck zurück nach Hause.
Diese Reise war wieder einmal angefüllt mit nicht nur juristischen Eindrücken und wird uns allen als besonderes Erlebnis in Erinnerung bleiben. Wir können nur jedem empfehlen, bei der nächsten Schwedenreise in vier Jahren mit von der Partie zu sein. Vorher aber, nämlich in zwei Jahren, ist es an uns, den schwedischen Kollegen ebenso gute Gastgeber zu sein, wie sie es für uns waren. Schon jetzt rufen wir alle Kollegen auf, bei dem anstehenden Gegenbesuch zum Gelingen beizutragen.
Nancy Hädicke, Carola Schwersmann