(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/06, 32) < home RiV >

 

Leserbrief

Grundsätze für die Verlinkung von Presseartikeln auf der Homepage

 

Sehr geehrter Herr Hirth,

ich habe nach der Entscheidung des 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in der letzten Woche, durch die ein Urteil einer großen Strafkammer des Landgerichts wegen eines Formfehlers im Zusammenhang mit der Urteilsunterschrift aufgehoben worden ist, vergeblich darauf gewartet, entsprechende links auf der Homepage des Richtervereins vorzufinden, obwohl mindestens in den online-Ausgaben der regionalen Printmedien (Hamburger Abendblatt und taz) hierüber mit einer gewissen Ausführlichkeit berichtet worden war. Nach meiner Auffassung wäre es außerordentlich misslich und könnte den Eindruck einer selektiven und zugleich tendenziösen Berichterstattung begründen, wenn die Verlinkung justizbezogener Presseartikel in irgendeinem Zusammenhang damit stünde, ob diese im Einzelfall auch eine sachliche Kritik an richterlichem Handeln enthielten. Vor diesem Hintergrund wäre ich Ihnen für eine kurze Rückäußerung sehr dankbar.

 

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Rehling

 

 

Stellungnahme des Betreuers der Homepage:

Entstanden ist die Rubrik „Justizpresse“ auf unserer Internetseite www.richterverein.de mit der Intention, die Presse zur Verbandspolitik und zur Rechtspolitik, soweit sie für unsere Verbandsarbeit von Interesse ist, unseren Mitgliedern zugänglich zu machen. Um möglichst täglich etwas Neues bieten zu können, reicht jene Presse aber nicht aus, weshalb sie aufgefüllt wird mit sonstiger Justizpresse, soweit sie interessant erscheint. Da sich unsere Internetseite in erster Linie an unsere Mitglieder richtet, ist es aber jedenfalls nicht ihre Intention, der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild der Richterschaft zu präsentieren; die Kollegen kennen ihre Richterschaft. Für eine tendenziöse Berichterstattung fehlt deshalb jedes Motiv.

Selektiv ist die Liste dagegen selbstverständlich. Das ist gerade die Leistung einer solchen Presseliste: aus den vielen täglichen Presseartikel diejenigen auszuwählen, die für möglichst viele Kollegen interessant erscheinen (die vielen positiven Reaktionen zeigen, dass dies in der Regel gut gelingt). Die Liste soll aber auch nicht mit Beliebigkeit überfrachtet werden. Manchmal findet sich trotz intensiver Suche tagelang kein geeigneter Artikel. Selten werden mehr als 2 Artikel pro Tag verlinkt; doch auch das summiert sich, und so werden jedes Jahr ca. 500 Presseartikel verlinkt (mittlerweile insgesamt 3.700), die ein so buntes Bild zeichnen, dass es schwer fallen dürfte, eine Tendenziösität zu ermitteln. Was ausgewählt wird, hängt auch von der Person des Auswählenden ab: eine andere Person hätte möglicherweise etwas anderes ausgewählt; allein dies macht das tatsächlich Ausgewählte nicht tendenziös.

Es gibt auch keine festen Grundsätze für die Auswahl, abgesehen davon, dass möglichst viel aus der Verbandsarbeit Erwähnung finden soll und die Presseartikel einen Bezug zur Richterschaft haben sollten. Möglichst wenig berichtet wird

·     aus dem Strafvollzug – es sei denn, dass er Bezug zu Richtern (z.B. zu den Strafvollstreckungskammern) hat –

·      über reine Justizmitteilungen, die auch im Justizmitteilungsblatt stehen könnten, und

·     über einzelne Urteile – soweit sie nicht die richterliche Tätigkeit zum Gegenstand haben, wie z.B. im Statusrecht.

Insbesondere wird man selten Presseartikel mit Urteilskritiken in unserer Rubrik finden, auch wenn möglicherweise das ein oder andere Urteil kritikwürdig erscheinen mag. Wenn die Presse soetwas aufgreift, dann ist das ihre Sache, jedenfalls aber nicht unsere Sache. Die Grenze zur pauschalen Urteilsschelte ohne Aktenkenntnis ist schnell überschritten.

Letzteres trifft natürlich nicht den Leserbrief des Kollegen Rehling. Immerhin gab es in dem von ihm vermissten Fall ein BGH-Urteil, dass den Formfehler des landgerichtlichen Urteils festgestellt hat. Aber genau dafür sind Rechtsmittel da. Demgegenüber ist es nicht Aufgabe unserer Rubrik Justizpresse, solche von der Rechtsmittelinstanz bereits behobenen Fehler zusätzlich noch einmal auf unserer Homepage zu verewigen; schon gar nicht, wenn unter Nennung des Namens des Kollegen und z.T. mit halbseitigem Bild in allen Hamburger Tageszeitungen (über die im Leserbrief Genannten hinaus auch in der MoPo und in der Welt) ein einfacher – wenn auch folgenschwerer – Rechtsanwendungsfehler breitgetreten wird. Damit besteht schon hinreichend Öffentlichkeit, die unsere Rubrik Justizpresse nicht noch erweitern muss.

Für solche Anliegen gibt es andere Internetseiten, wie z.B. www.richterdatenbank.de, wo (in der Regel nur vermeintliche) Richterfehler gesammelt und in meistens ehrverletzender Weise kommentiert werden. Dort ist in der Rubrik „Gerichte“ ziemlich komplett auch die Hamburger Richterschaft in die Datenbank aufgenommen worden (insbesondere auch der Leserbriefschreiber und der Stellungnehmer) und wartet dort auf Negativeinträge; für den einen oder anderen Kollegen gibt es bereits einen Eintrag. Wer es unterlässt, dort Fehler seiner Kollegen einzutragen, handelt gewiss ebenfalls nicht tendenziös.

Damit soll nicht gesagt werden, dass es im Einzelfall nicht auch verlinkungswerte Presseberichte über richterliche Fehler in Hamburg oder anderswo gibt, die über einfache Rechtsanwendungsfehler hinausgehen; 6 derartige regionale und überregionale Links ‑ unter 3.700 sonstigen Presselinks seit 1998 - waren bei grober Durchsicht in unserer Presserubrik zu finden. Der Fehler, der den Anlass zum Leserbrief gab, gehört jedoch nach hiesiger Einschätzung nicht zu derartigen herausragenden Fehlern: wer viel arbeitet, der macht dabei auch mal einen Fehler; dafür sind Rechtsmittel da. In solchen Fällen wird eine Verlinkung beim Richterverein auch nicht dadurch indiziert, dass viele Zeitungen berichten.

Wolfgang Hirth