(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/06, 2) < home RiV >

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

die Berichte über unsere Verbandsarbeit sind dieses Mal etwas nach hinten gerutscht, weil zum Hauptthema Stolpersteine und den nachfolgenden Beiträgen ein Bezug den anderen ergab: von der Ermordung jüdischer Richter und Staatsanwälte über die Hilfe für verfolgte Juden (Büchel und Moll) spannt sich der Bogen zu einer anderen Religionsgemeinschaft (Richter im Christentum) und dortigem Beten (Rieger).

Durch das Stolpersteinthema ebenfalls etwas in den thematischen Hintergrund der MHR getreten ist die Beteiligung des Richtervereins an der Tolkatchev-Ausstellung. Hauptträger dieser unter prominenter Schirmherrschaft gestandenen Veranstaltung war der Hamburger Freundeskreis von Yad Vashem. Bei der Eröffnung verwies deren Vertreter Kaasmann auf den Besuch des Oberrabbiners Lau und auf die Leistungen Hamburgs für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus’. OLG-Präsident Rapp knüpfte an die Stolpersteine an, dankte dem Richterverein und unterstrich, dass die Menschenwürde von keinem totalitären Regime vernichtet werden könne. Prof. Busch referierte über den Sinn und die Schwierigkeiten von Kunst im KZ. Dem Yad-Vashem-Direktor Arik Rav-On kam es darauf an, den Ermordeten einen Namen zu geben und mit dieser menschlichen Geste zur Versöhnung der Völker beizutragen. Prof. Kämmerer von der Bucerius Law School las aus Tolkatchevs Eindrücken zum Bild „Mona Lisa von Auschwitz“.

Dieses Mal hat die MHR mehr Leserbriefe als sonst erhalten. Das zeigt, dass sich unsere Leser mit den für sie relevanten Themen aktiv auseinandersetzen. Zur Auseinandersetzung gehört auch die Reaktion. Die Stellungnahmen der Redaktion versuchen, weitere Argumente aufzuzeigen. Soweit sich daraus ergibt, dass die Meinung des jeweiligen Leserbriefschreibers hier nicht geteilt wird, ändert dies nichts daran, dass der Brief als solcher selbstverständlich willkommen ist.

Keinen Leserbrief, sondern einen Beitrag hat unsere langjährige MHR-Redakteurin Karin Wiedemann geschrieben. Damit ist sie der Bitte unserer Vorsitzenden gefolgt und befriedigt das Interesse vieler unserer Leser daran, wie es Karin Wiedemann denn jetzt so geht als Staatssekretärin in Kiel.

Aus den verbandsbezogenen Beiträgen ragt die Stellungnahme des Vorstands zum Selbstverwaltungsmodell des DRB heraus. Hamburg legt dabei Wert auf die Einführung basisdemokratischer Elemente.

Der Veranstaltungskalender ist diesmal besonders lang. Vor allem der November ist dicht gespickt mit interessanten Möglichkeiten für Sie. Nehmen Sie davon das Ein oder Andere wahr; dafür wird es angeboten. Besonderes Augenmerk verdient der Deutsche Juristentag mit dem Justiz-Unterthema „Gute Rechtsprechung - Ressourcengarantie und Leistungsverpflichtung“, auch wenn die Referenten mit Hoffmann-Riem, Busse und Möllring recht einseitig besetzt sind. Auch die Mitgliederversammlung mit GenBA’in Harms (vormaliges Mitglied des Richtervereins) als Gastrednerin können Sie sich schon einmal vormerken.

Aus der Justizpresse der vergangenen Wochen verdienen 2 Sachen besonderer Erwähnung: die Rückendeckung für die Staatsanwaltschaft und die Interviews des Justizsenators Lüdemann.

Nachdem der Spiegel einen OStA wegen angeblicher gefährlicher Nähe zu den Osmanis kritisiert hatte, hat die Justizbehörde binnen zwei Tagen die Vorwürfe untersucht, sodann den OStA öffentlich in Schutz genommen und dabei durch Staatsrat Schulz bemerkt: „Unsere Staatsanwälte kommen der Organisierten Kriminalität nur insofern gefährlich nahe, als sie gegen diese ermitteln.“

Auch wenn es den Senator nach eigenen Worten nicht ins Rampenlicht der Medien drängt, waren – ganz abgesehen von seinem Vortrag vor der Gesellschaft Hamburger Juristen – in den letzten Wochen diverse Interviews zu lesen, insbesondere in MoPo, Welt, Klönschnack und Rechtsanwaltskammerreport. Dabei konnte man beispielsweise zur Mediation erfahren: „Wir beobachten diese Feldversuche mit Interesse. Ich bin allerdings der Meinung, dass eine Mediation im klassischen Sinne besser im außergerichtlichen Bereich angesiedelt werden sollte. Man darf nicht vergessen, dass eine gerichtsinterne Mediation personelle und sachliche Ressourcen beansprucht und insofern zu einem Mehr an Aufgaben für unsere ohnehin stark beanspruchten Gerichte führt. Und mit dem ‚neuen’ § 278 ZPO haben wir auch heute schon geeignete Möglichkeiten für eine konsensuale Streitbeilegung. Ich sehe da aktuell keinen Handlungsbedarf.“

Ihr
Wolfgang Hirth