(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/06, 35) < home RiV >

Tagungen

 

I.  Deutsch-Polnischer Rechtsdialog

Am 1. April 2006 fand - nach einem gelungenen Begrüßungsabend mit vorzüglichem Buffet auf Einladung der Bucerius Law School in der Halle des architektonisch interessanten Auditorium Maximum - in den schönen Räumen der Handelskammer Hamburg ein Deutsch-Polnischer Rechtsdialog statt, der als Schlussveranstaltung zum Ende des Deutsch-Polnischen Jahres gedacht war.

 

Es handelte sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung e.V., des Hamburgischen Anwaltvereins, der Handelskammer Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (AsJ), der Bucerius Law School, der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) sowie des Hamburgischen Richtervereins.

 

Alle beteiligten Verbände trugen durch Engagement bei der Vorbereitung zu dem Erfolg der Veranstaltung bei. Allerdings lag die Hauptlast der Vorbereitung und Organisation beim Vorstand der Deutsch-Polnischen Juristenvereinigung, während die notwendigen finanziellen Beiträge großzügig durch die Handelskammer und die anwaltlichen Vertreter (Anwaltverein und Anwaltskammer) sowie den DAAD und einige Sponsoren aufgebracht wurden. Allen gebührt dafür Dank und Anerkennung.

 

Auf diese Weise war es möglich, zahlreiche kompetente ausländische Gäste aus allen Bereichen des polnischen Rechtswesens für die Teilnahme zu gewinnen.

 

Zu der Veranstaltung mit insgesamt drei Arbeitsgruppen -

Arbeitsgemeinschaft 1: Akteure der Rechtspflege;

Arbeitsgemeinschaft 2: Rechtsdurchsetzung;

Arbeitsgemeinschaft 3: Wirtschaftsrecht - hatten sich insgesamt ca. 150 Personen angemeldet. Aus dem Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften allerdings war leider keine nennenswerte Beteiligung festzustellen.

Nach Einführungsworten der Veranstalter und einem Grußwort des Generalkonsuls der Republik Polen hielt Prof. Dr. Roland Wittmann von der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder, einen Vortrag zum Thema "Praktische Perspektiven der Begegnung des deutschen und des polnischen Rechts", in dem er anschaulich Problemstellungen aus dem Bereich der deutschen und polnischen Rechtskultur darstellte.

Anschließend schilderte der frühere polnische Innenminister Kalisz, Mitglied des Sejms, die aktuellen Entwicklungen in der polnischen Rechtspolitik.

Nach der hervorragenden mittäglichen Beköstigung durch die Handelskammer hielten in den einzelnen Arbeitsgruppen die polnischen und deutschen Referenten Kurzreferate zu den Themen der jeweiligen Arbeitsgruppe, die dann unter Leitung eines Moderators Anlass zu vielfältigen Diskussionsbeiträgen gaben.

Zum Schluss der Veranstaltung fand eine Plenarsitzung statt, in der die Moderatoren das wesentliche Ergebnis aus den Arbeitsgemeinschaften vortrugen. Alle Teilnehmer waren übereinstimmend der Auffassung, dass diese Veranstaltung einen nützlichen Gedankenaustausch gebracht hat, nicht zuletzt hatte ich bei dieser Veranstaltung die Gelegenheit, mit der Kollegin Ewa Ibrom, Richterin am Verwaltungsgericht in Lublin, Gespräche über die Wiederbelebung unseres längere Zeit unterbrochenen Richteraustausches zu führen.

Dieser ereignisreiche Tag fand seine hervorragende Fortsetzung in einer gemeinsamen Barkassenfahrt auf der Elbe mit wunderbarer kulinarischer Anreicherung auf Einladung des Hamburgischen Anwaltvereins.

Alle an der Veranstaltung beteiligten Organisatoren waren zum Abschluss der Auffassung, dass eine solche Veranstaltung eine Wiederholung wert ist.

 

II. Justiz auf neuen Wegen

 

Am 9./10.05.2006 fand im Landeskulturzentrum Salzau auf Einladung des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes das 4. Salzauer Richter- und Staatsanwaltsgespräch unter dem Motto: „Forderungen, Anforderungen, Herausforderungen - Justiz auf neuen Wegen" statt, zu dem auch die Mitglieder der hamburgischen Justiz eingeladen worden waren. Aber auch bei dieser Veranstaltung war nur eine interessierte Kollegin zu entdecken. Schade, denn: Der wunderbare Tagungsort, in der Nähe des Selenter Sees gelegen, und die herrliche schleswig-hol­steinische Landschaft boten mit Unterstützung des Wettergottes die besten Voraussetzungen für ein Gelingen der Tagung, an dem allerdings angesichts des Programms schon von vornherein nicht zu zweifeln war.

 

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Andreas Martins folgten Grußworte der justizpolitischen Sprecher der Fraktionen des schleswig-holsteinischen Landtages, allerdings mit Ausnahme der CDU.

 

Anschließend hatten die ca. 40 Teilnehmer aus allen Bereichen der schleswig-holsteini­schen Justiz Gelegenheit, sowohl mit den Vertretern aus dem Parlament als auch mit anderen geladenen Gästen Gespräche über die Situation der Justiz zu führen.

 

Am nächsten Morgen hielt der frühere Vorsitzende Richter am BGH Klaus Kutzer einen Vortrag zum Thema „Patientenautonomie am Lebensende - Rechtslage und aktuelle Reformüberlegungen". Der Vortragende, ausgewiesener und engagierter Experte in diesem Themenbereich – u.a. seit 1999 Mitglied der BÄK für ethische und medizinjuristische Grundsatzfragen und Leiter der im Sommer 2003 von Bundesjustizministerin Zypries eingesetzten interdisziplinären Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende" – gab zunächst einen Überblick über die rechtliche Situation in unseren Nachbarstaaten und schilderte dann in eindrucksvoller Klarheit die notwendigen komplizierten rechtlichen Abwägungen und Überlegungen aus der Sicht des Patienten und der ihm nahe stehenden Personen, des Arztes und des Juristen in den unterschiedlichen Funktionen – ein eindringlicher Vortrag, der allein schon den Besuch der Tagung lohnte.

 

Danach wurde dem juristischen Alltag und den zu bewältigen Aktenbergen der Kampf angesagt, indem VRiLG Dr. Matthies vom LG Göttingen das dort praktizierte (Erfolgs-) Modell der gerichtsnahen Mediation anschaulich vorstellte. Seine lebhaft vorgetragenen Schilderungen über die Vorzüge dieses Verfahrens gegenüber dem herkömmlichen Zivilprozess fanden von Seiten zahlreicher Kollegen und Kolleginnen aus anderen Gerichten, die ähnliches auch bereits praktizieren, vielfältig Zustimmung und Unterstützung.

 

Der Nachmittag war dem Thema „Selbstverwaltung der Justiz im europäischen Vergleich" gewidmet, zu dem der Richter am Bezirksgericht Josefstadt aus Wien Dr. Schernthammer sprach.

 

Die Veranstaltung endete mit einer Podiumsdiskussion „Justiz GmbH – Modernisierung um jeden Preis?". Unter der Moderation des Verbandsvorsitzenden Andreas Martins diskutierten der Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung im Finanzministerium Schlie aus Kiel sowie VRiOLG a.D. Piorreck aus Frankfurt/Main.

 

III.

Berufsalltag von Richtern, Rechtsanwälten und Staatsanwälten im Spannungsverhältnis von Berufs-Ethik und Ökonomie

Mit diesem anspruchsvollen, spannenden Thema befasste sich eine Tagung der Richterakademie in Wustrau vom 27. bis 30.04.2006.

Diese mit hochkarätigen Vortragenden besetzte Veranstaltung diskutierte unter der gewandten, kenntnisreichen und charmanten Leitung des PräsOLG a.D. (Braunschweig) Flotho folgende Generalthemen: Die Bedeutung einer liberalen und verlässlichen Rechts­pflege für den demokratischen Rechtsstaat (Staatssekretär Steindörfner, Baden-Würt-temberg, Rechtsanwalt Dr. Möllering, DIHK Berlin), Rechtspflege zwischen fiskalischen Zwängen in der Justiz und ausuferndem Wettbewerb in der Anwaltschaft (Staatsrat Dr. Gottschalck[1], Finanzbehörde Hamburg, PräsAG (Hamburg) Dr. Raabe[2], Rechtsanwalt Dr. Scharf (Celle), Vizepräsident BRAK, PräsOLG (Bremen) und Arenhövel (Vorsitzender des DRB) sowie zuletzt Lösungsstrategien (MD Netzer (BMJ), Generalsbundesanwalt Nehm, Rechtsanwalt Dr. Dombek (Präsident BRAK, Berlin), Rechtsanwalt Dr. Kirchberg (Karlsruhe), Justizratsrechtsanwalt Dr. Eichele (Koblenz), PräsOLG (Hamm) Debusmann.

Diese thematisch breit angelegte Veranstaltung gab auf Grund der vielfältigen Kompetenz der zahlreichen Referenten allen Teilnehmern Ansatzpunkte für lebhafte Diskussionsbeiträge und einen anregenden und angeregten, auch durchaus temperamentvollen Gedankenaustausch, und zwar gerade auch außerhalb der eigentlichen Vortragsveranstaltungen in persönlichen Gesprächen.

Ich habe bislang selten an einer so vielseitigen und bereichernden - und zwar nicht nur fachlich - Tagung teilgenommen, noch nie aber an einer so gut bewachten, was natürlich der Teilnahme des Generalbundesanwalts zu verdanken war.

 

Inga Schmidt-Syaßen


[1] zu lesen unter www.richterverein.de/j2000/gottschalck1.htm

[2] zu lesen unter www.richterverein.de/j2000/raabe1.htm