(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/05, 40) < home RiV >

Benchmarking im Strafrecht:

von der EU i.A. der Weltbank verordnet?

 

Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments hat am 06.01.05 einen Bericht „zur Qualität der Strafjustiz und zur Harmonisierung des Strafrechts in den Mitgliedstaaten“ entworfen[1]. Darin wird empfohlen, eine „Charta der Qualität der Strafjustiz in Europa“ festzulegen, die insbesondere die „Einsetzung eines ständigen Mechanismus zur gegenseitigen Bewertung der Qualität der Strafjustiz“ verlangt. Hierzu soll ein „Benchmarking“ eingeführt werden, „wobei der Mechanismus zur gegenseitigen Bewertung (Verfahren, Strukturen, Indikatoren, Berichte, …) in einem oder in mehreren Beschlüssen auf der Grundlage von Artikel 31 des Vertrags über die Europäische Union formalisiert werden muss“. Zugleich wird eine „unabdingbare Mindestharmonisierung“ u.a. auch im Bereich „Beweisermittlung und -würdigung“ verlangt.

Bei dem Vorstehenden handelt es sich zwar erst einmal nur um einen Entwurf für eine Em­pfehlung. Aber er zeigt schon, wohin der Zug geht und auf was wir von den europäischen Institutionen gefasst machen können. Zudem ist zweifelhaft, ob Art. 31 EU-Vertrag, der lediglich die justizielle Zusammenarbeit betrifft, überhaupt eine Rechtsgrundlage für eine derartige Strafrechts-Harmonisierung sein kann.

Mysteriös sind Teile der Entwurfs-Begrün­dung. Nachdem so wunderschöne Motive wie die europaweite Durchsetzung des Folterverbots vorgegeben werden (die isoliert gesehen selbstverständlich zu begrüßen sind, die aber keine tragfähige Begründung für ein Benchmarking und für Änderungen des Beweisverfahrens darstellen), deutet der Entwurf schließlich doch den wahren Anlass an:

„Die Frage der Bewertung der Qualität der Strafjustiz bietet ebenfalls in diversen internationalen Kreisen (Europarat, Weltbank, ...[2]) in zunehmendem Maße Anlass zu Überlegungen.“

Haben wir künftig unsere Beweiswürdigungen an den Maßstäben der Weltbank auszurichten? Derartige Einmischungen der Weltbank scheinen in Mode zu kommen: kürzlich gab ein Weltbank-Beauftragter Deutschland bereits Ratschläge zur Gestaltung des Handelsregisterverfahrens, wobei er Deutschland mit Ruanda und Nigeria verglich[3].

 

Wolfgang Hirth


 

[1] http://www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/PR/552/552120/552120de.pdf

[2] Auslassung auch im Original

[3] Reichel, ZRP 2004, 184; krit. Hirth, ZRP 2005, 64