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(Hirth, ZRP 2005, 64:)

 

Notwendigkeit einer Reform des Firmeneintragungsverfahrens

zu Reichel, ZRP 2004, S. 184

 

Schon der Titel des Aufsatzes (“In einer Liga mit Ruanda und Nigeria”) lässt das Argumentationsniveau hinsichtlich des Handelsregisters erahnen. Und in der Tat unternimmt Reichel nicht einmal den Ansatz einer Untersuchung der Ursachen, warum die Eintragungsverfahren in Deutschland nach Angaben Reichels so lange wie in Ruanda und Nigeria dauern (ganz abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, ob in der Untersuchung diejenigen Verfahren mitberücksichtigt wurden, deren lange Dauer durch die Antragsteller selbst verschuldet wurde durch mangelhafte Anmeldungen; unterschiedliche Mangelmaßstäbe in verschiedenen Staaten würden einen Rückschluss von längerer Dauer auf Organisationsmängel verhindern).

 

Reichel legt so viel Wert auf Qualität, dass er auf Richter im Handelsregister auch deswegen verzichten möchte, weil sie sich "außer Reichweite einer Aufsicht, die die Qualität und Quantität ihrer Arbeit kontrolliert", befinden. Reichel wünscht also offenbar eine stärkere laufende Qualitätskontrolle als bisher; ob eine zusätzliche Kontrollinstanz wohl zu einer Verfahrensbeschleunigung und zu weniger Kosten führen würde?! Er sagt außer Kosten und Schnelligkeit nichts dazu, was er unter Qualität versteht, und ob diese auch in Ruanda und Nigeria oder schnelleren Staaten eingehalten wird. Insbesondere findet sich kein Wort Reichels dazu, dass ein elementarer Sinn des deutschen Handelsregisters der Schutz des Rechtsverkehrs ist, und was das Ausland hierzu unternimmt. Kein Wort dazu, dass in Deutschland eine der Haupttätigkeiten der Richter im Handelsregister die Prüfung der Kapitalaufbringung ist, damit nicht die ohnehin insolvenzgeplagten Gläubiger schon an von vornherein mangelhafter Kapitalausstattung ihrer Schuldner scheitern (der redliche Teil der Wirtschaft ist gegen eine Erhöhung der Gefahr von Forderungsausfällen). Und was eine unterlassene Prüfung von Formalien bedeutet, das kann wohl nur derjenige ermessen, der miterlebt hat, wie formale Fehler bei zu später Entdeckung die Existenz von Unternehmen noch Jahre später gefährden können.

 

Kein Wort zur Vergleichbarkeit der Rechtssysteme (wie sieht es in Ruanda und Nigeria z.B. mit der Ausgestaltung des Umwandlungsrechts aus oder sollte man das in Deutschland ohnehin gleich mitabschaffen, weil man ja für Deregulierung ist?). Natürlich könnte man das deutsche Gesellschaftsrecht entkomplizieren und auf das Niveau anderer Staaten bringen (wenn man bereit ist, daraus resultierende Gefahren für die deutsche Wirtschaft in Kauf zu nehmen). Solange das materielle Recht aber so bleibt wie es ist, bringt auch eine bloße Verlagerung von Kompetenzen keine Beschleunigung.

 

Und dann die durch nichts belegte Pauschalbehauptung, Behörden seien strukturell bedingt schneller als Gerichte! Die von Reichel angeführten Umstände (“Personalrecht, Geschäftsverteilungspläne, Gerichtsvorschriften und Gerichtspraxis”) sind eindeutig nicht die wesentlichen Ursachen von Verzögerungen im Handelsregister. Schnelligkeit ist vielmehr auch eine Frage des Geldes. Wenn bei Gericht die Eintragungen durch interne Schwierigkeiten gelegentlich verzögert werden, dann liegt das im wesentlichen daran, dass hier seit vielen Jahren permanent Personal gestrichen wurde und wird. In meiner Geschäftsstelle saß zeitweise 1 Person, wo früher 4 saßen. Dass sich da vorübergehend Rückstände aufbauten, ist doch kein Wunder. Auch in einer Handelskammer (oder in einem Wirtschaftsunternehmen) würde es zu Verfahrenszögerungen oder Qualitätsverlusten kommen, wenn bei ihr in derart drastischer Weise Personal abgebaut würde bei gleichbleibender Gesamtarbeitsmenge. Für Schnelligkeit braucht man nicht nur eine gute Organisation (die jedenfalls am Hamburger Handelsregister vorhanden ist), sondern auch das erforderliche Personal. Seltsamerweise sind aber diejenigen, die nach schnelleren Verfahren in Behörden und Gerichten rufen, oftmals identisch mit denjenigen, die zugleich einen Personalabbau im öffentlichen Dienst verlangen. Dass auch die Handelskammern sich das für eine Beschleunigung erforderliche Personal würden beschaffen müssen, dagegen hat Reichel seltsamerweise anscheinend keine Kosteneinwände.

 

Die Tätigkeit der Notare kann bislang die richterliche Prüfung nicht ersetzen, weil die Praxis zeigt, dass die richterliche Prüfung der notariellen Unterlagen immer wieder zu Beanstandungen führt. In Fällen bloßer Beglaubigungen haben die Notare ohnehin keine Verantwortung für den Inhalt der Urkunden zu tragen. Eine künftige Ausweitung und Intensivierung der materiellen Prüfung könnten die Notare nur leisten, wenn dafür die Notargebühren in Handelsregistersachen stark erhöht würden.

 

Auf der gleichen Ebene liegt die gleichzeitige Monierung der Gerichtsgebührenhöhe durch Reichel frei nach dem Motto: Steuern runter, Gebühren weg, Quantität und Qualität erhöhen. Wirtschaftsunternehmen wären bei solchen "Geschäftsmodellen" (leisten, aber nichts einnehmen) schnell pleite. Und die Gebührensenkung durch das am 7.7.04 verkündete Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz (HRegGebNeuOG [1]) hat Reichel offenbar nicht zur Kenntnis genommen.

 

Da passt es, dass er zum Justizmodernisierungsgesetz zwar zu Recht behauptet, es befasse sich nicht mit einer Beschleunigung der Handelsregistereintragung, aber verschweigt, dass durch Artikel 3 des HRegGebNeuOG gerade eine Monatsbescheidungsfrist im Handelsregister einführt wurde[2]. Und indem er als Anbieter von Internetbeauskunftung lediglich das AG Hamburg anführt, unterlässt er den Hinweis, dass auch Bayern und NRW dies schon seit geraumer Zeit leisten; bei weiteren Bundesländern steht die Einführung dieses Service kurz bevor[3]. In gleicher Weise bedenklich ist es, dass Reichel im Justizmodernisierungsgesetz-Entwurf vermisst, dass die Führung des Handelsregisters bei den Amtsgerichten in Frage gestellt wird; kein Wort von ihm dazu, dass dies bereits im Entwurf des Register-Führungsgesetz vorgesehen ist, welches der Bundesrat beschlossen hat und das derzeit im Bundestag behandelt wird[4] (die besseren Argumente sprechen allerdings gegen eine Übertragung auf die Handelskammern[5]). Lediglich der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass mit dem 1. Justizmodernisierungsgesetz soeben eine Öffnungsklausel eingeführt wurde, die es den Ländern ermöglicht, fast sämtliche Richteraufgaben im Handelsregister auf die Rechtspfleger zu übertragen.

 

Insgesamt gesehen vermittelt Reichels Aufsatz den Eindruck einer sehr einseitigen Betrachtungsweise unter Ausblendung der konkreten Gegebenheiten, was dem Überzeugungswert seiner Reformvorschläge deutlich schadet.

 

Richter am Landgericht (z.Zt. Handelsregister) Wolfgang Hirth, Hamburg