(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/04, 15) < home RiV >

Justizhaushalt

In seiner Rede zur Einbringung des Doppelhaushaltsplanes 2005/2006 postulierte der Finanzsenator[1] die Abkehr von einer Klientel-Politik hin zur Orientierung am Gesamtinteresse der Stadt. Da die Justiz mal wieder schlecht abschneidet, muss die Justiz also wohl von der neuen Gesamtwohl-Politik als bloße Klientel früherer Regierungen angesehen worden sein. Es fragt sich nur, wessen Klientel die Justiz denn mal gewesen sein soll, denn von der "alten" Klientel-Politik wurde die Justiz ebenfalls finanziell schlecht behandelt. So gibt es wenigstens insoweit etwas Konstanz in der Politik.

Der Anteil der Justiz am Haushalt (bereinigte Gesamtausgaben) sinkt von 4,8 % im Jahre 2005 auf 4,6 % im Jahre 2006[2].

Das Gesamtgebührenaufkommen[3] aller Ham­burger Behörden betrug 2004 285,1 Mill. EUR; davon trug die Justiz 114,9 Mill. EUR bei[4], also fast die Hälfte. Das zeigt, dass bei der Justiz auch unter ökonomischen Gesichtspunkten an der falschen Stelle gespart wird. Zudem hat die Justiz demnach einen hohen Kostendeckungsgrad bei Personalausgaben von 281,2 Mio. EUR und sächlichen Verwaltungsausgaben von 115,5 Mio. EUR (2005)[5], zumal wenn man bedenkt, dass im Justizhaushalt die Justizvollzugsanstalten und viele justizfremde Ausgaben mitenthalten sind.


Die Justizbehörde hat im Personalausgabenbudget 2003 einen Überschuss von 3 Mill. EUR "erwirtschaftet"
[6]; sie hat also anscheinend mehr Personal eingespart, als sie es nach dem Budget hätte tun müssen.

 
Der Stellenbestand soll in der Justiz in 2005/2006 gegenüber 2004 gesenkt werden, insbesondere in der Rubrik "Senatoren, Richter und Beamte" von 3.903,86 auf 3.890, 74
[7]. Das Stellensoll soll von 5.337,51 um 44,99 gesenkt werden[8].

 

Die Beratung des Justizhaushalts in der Bürgerschaft am 17.06.04[9] war überwiegend gekennzeichnet von den Themen Justizvollzug und Amtsführung des Justizsenators. Zum eigentlichen Thema blieb bei der Rede des SPD-Abgeordneten Klooß dann noch folgender Absatz:

„Das Geld, das Sie hier aus dem Fenster werfen, fehlt indes an anderer Stelle. Sie wollen zum Beispiel 20 Richterstellen sparen. Andererseits machen Sie keinen Gebrauch von Einnahmequellen in Ihrem eigenen Justizbereich, zum Beispiel durch den Ausbau der in ganz Deutschland geschätzten Spezialkammern beim Landgericht Hamburg für Wettbewerbssachen und dergleichen und den Kammern für Handelssachen. Dafür müssen Sie jetzt verschämt eingestehen, dass die vollmundigen Verlautbarungen für die Staatsanwaltschaft bei Ihrem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren nur noch ein Viertel wert sind. Sie hatten eine Morgengabe von 15 neuen Staatsanwälten angekündigt. Bei näherem Hinsehen waren es sowieso nur neun neue Stellen. Jetzt kommt eine Einsparung von fünf Staatsanwälten. Das heißt, aus 15 wurden vier. Was soll man von solchen Versprechungen halten?“

 

Der Justizsenator Kusch zu diesem Thementeil in jener Debatte:

„Ich schließe mich da meinen Kolleginnen und Kollegen im Senat an, dass auch mir die Zustimmung zu einem Senatsbeschluss nächste Woche, der zur Folge haben wird, dass wir 20 Stellen streichen müssen, nicht leicht fällt, diese 20 Stellen allerdings verglichen mit den Einschränkungen in anderen Haushalten politisch zu verantworten sind. Wir hatten im Jahr 2001 für die Gesamtheit aller Hamburgischen Gerichte und Staatsanwaltschaften einen Eingang von insgesamt 1,33 Millionen Verfahren. Nach dem ersten Quartal 2004 werden wir schätzungsweise im Jahr 2004 einen Eingang von 1,347 Millionen haben, das

ist eine Steigerung von 1,3 Prozent. Im Jahr 2001 hatten wir 900 Richter- und Staatsanwaltsstellen. Derzeit haben wir 917 Richter- und Staatsanwaltsstellen, das heißt, nach Absenkung um 20 werden 897 verbleiben, das heißt, ein Personalabbau auf diesem Sektor um 0,3 Prozent. Ich glaube, verglichen mit allen anderen Einschränkungen, die der Senat gezwungen ist, nächste Woche zu beschließen, ist das ein moderater und auch für die Leistungsfähigkeit der Justiz verantwortbarer Umgang.

Ich will noch einmal das Beispiel von Frau Spethmann mit den Sozialgerichten aufgreifen: Wir hatten 2001 eine Verfahrensdauer von 24 Monaten, die wir in den letzten beiden Jahren auf 19 Monate Verfahrensdauer abgebaut haben. Das zeigt die hohe Leistungsfähigkeit des Sozialgerichtes, weil die dort tätigen Richterinnen und Richter mehr Fälle erledigen als eingehen. Deshalb ist mit einem weiteren Rückgang der Verfahrensdauer zu rechnen. Trotzdem sind 19 Monate Verfahrensdauer zu lange. Aus diesem Grund wird die Streichung von 20 Richter- und Staatsanwaltsstellen mit keiner einzigen Stelle das Sozialgericht treffen.“

 

In der sich anschließenden Zeit schloss der Justizsenator bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Interviews[10] aus dem Umstand, dass die Streichung der 20 Stellen nicht eine ganz große Protestwelle in der Richterschaft nach sich zog, dass dies ein Zeichen der guten Kooperation zwischen Senator und Richterschaft sei – gar, dass derzeit fast ein Idealzustand in der Justiz herrsche. Die Mitteilung über die Streichung war jedoch genau in die Zeit gefallen, als der Streit wegen des Verhaltens des Senators gegenüber der Staatsanwaltschaft gerade verhallte und nun nicht ein Streit den anderen ablösen musste, so dass es bei der kritisierenden Anmerkung zum „Ende der Schonzeit“ in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift[11] blieb. Daraus zu schließen, die Richter seien mit der Streichung der 20 Stellen einverstanden, ist schlicht abwegig.

Es ist schon ein interessantes Rechenkunststück, einen Abbau um 20 von 917 Stellen (also um gut 2 %[12]) als Abbau um 0,3 % zu verkaufen; als ob die zwischendurch erfolgte Erhöhung der Stellen auf 917 zu Unrecht erfolgt war. Die gerade neu herausgekommene Statistik der Justizbehörde über den Geschäftsanfall[13] weist nicht etwa durchweg rückläufige Eingänge aus. Im Gegenteil: gerade in den personalintensiven erstinstanzlichen Zivilprozesssachen sind zuletzt (2003) die höchsten Eingänge der vergangenen Jahre zu verzeichnen, und zwar sowohl beim Amtsgericht als auch beim Landgericht. Gleiches gilt nach der genannten Statistik auch in Mahnsachen, in Registersachen, in staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, beim Verwaltungsgericht, beim Arbeitsgericht, beim Finanzgericht und beim Sozialgericht.

 

Wie hieß es im Koalitionsvertrag CDU/PRO/FDP vom 19.10.01 noch so schön, nachdem die vorherige Regierung laufend Richterstellen gestrichen hatte::

 „Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2002 wird über eine deutliche Ausweisung neuer Stellen für Richter und Staatsanwälte, deren Geschäftsstellen, Gerichtsvollzieher und Rechtspfleger entschieden“,

denn – so zwei Sätze vorher im Vertrag –:

„Recht sichert die Freiheit. Der Schutz durch den Rechtsstaat verlangt effektive Verfolgung und Verurteilung von Straftätern und eine schnelle Erledigung von Streitigkeiten.“

Aber auch richtige Erkenntnisse können verfliegen. Oder waren obige hehre Sätze gar noch nicht einmal eine Erkenntnis der jetzigen Regierung gewesen, sondern ein widerstrebendes Nachgeben gegenüber einem damaligen Koalitionspartner?

 

Wolfgang Hirth


 

[1] Rede des Finanzsenators Peiner zur Einbringung des vom Senat beschlossenen Entwurfes des Doppelhaushaltsplanes 2005/2006 in die Bürgerschaft am 08.09.04 =http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/ finanzbehoerde/haushalt/haushalt-2005-06/etatrede-2005,property=source.pdf

[2] Finanzbericht 2005/2006, S. 145 = http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoeden/finanzbehoerde/haushalt/haushalt-2005-06/finanzbericht-2005,property=source.pdf

[3] ohne Steuern, Abgaben, übrige Verwaltungseinnahmen

[4] Finanzbericht (s. Fn. 2), Anlage 1.1, Seite 2

[5] Finanzbericht (s. Fn. 2), Anlage Haushaltsquerschnitt, Gliederung der Ausgaben nach Funktionen und Ausgabegruppen; vgl. aber auch Gliederung der Personalausgaben der Hauptgruppe 4

[6] Finanzbericht (s. Fn. 2), S. 72

[7] Finanzbericht (s. Fn. 2), Anlage 1.7, S. 5

[8] Finanzbericht (s. Fn. 2), Anlage 1.7, S. 6

[9] PlenProt. 18/8, 323 ff.

[10] Welt am Sonntag vom 24.10.04, Morgenpost vom 28.10.04, „Senatorensprechstunde“ der Hamburg1-Sendung „Betrifft Hamburg“ vom 24.11.04

[11] MHR 3/2004, S. 3

[12] wobei diese Quote sich bei den einzelnen betroffenen Gerichten noch dadurch erhöht, dass eine ganze Gerichtsbarkeit von dieser Streichung ausgenommen wird (s.o. Kusch), so dass sich die Streichungen bei den übrigen Gerichten konzentrieren.

[13] Bekanntmachung vom 15.10.04, HmbJVwBl 2004, 68