(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/04, 33) < home RiV >

Mehr Verbraucherschutz für Käufer kredit-

finanzierter Immobilien?

 - Brüssel rügt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes -

 

Die EU-Kommission setzt sich aktuell für eine Stärkung des Verbraucherschutzes bei übereilt „zwischen Tür und Angel“ abgeschlossenen kreditfinanzierten Immobiliengeschäften ein und führt die Kontroverse um die so genannten „Schrottimmobilien-Fälle“ auf eine neue Ebene.

 

Anlass der aktuellen Debatte ist die restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) bei der Rückabwicklung von zu Hause abgeschlossenen Kreditverträgen zur Immobilienfinanzierung. Das Landgericht Bochum (NJW 2003, 2612 ff.), das die BGH-Rechtsprechung als möglicherweise gemeinschaftsrechtswidrig erachtet, da sie den Verbraucherschutz nicht hinreichend berücksichtige, hat nun den hier im Folgenden dargestellten Sachverhalt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Im Vorfeld hatte der BGH sich ausdrücklich geweigert, den Sachverhalt in Luxemburg vorzulegen (siehe dazu BGH WM 2003, 2184 ff.). Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 EGV entscheidet der EuGH über die Vereinbarkeit des deutschen Rechts zum Verbraucherschutz mit dem Gemeinschaftsrecht. Dieses Urteil wird nun mit Spannung erwartet.

 

Aufgrund der Brisanz der zu erwartenden Entscheidung hat die EU-Kommission am 2. Dezember 2003 eine Stellungnahme (abrufbar unter http://www.stiftung-warentest.de/webdateien/1156948_stellungnahme.pdf) abgegeben. In dieser rügt sie mit sehr klaren Worten die Haltung des BGH als verbraucherfeindlich und rechtsformalistisch, so dass der geprellte Immobilienkäufer, der bislang vergeblich vor deutschen Gerichten klagte, wieder hoffen kann.

 

Hintergrund ist der Streit um die so genannten „Schrottimmobilien“. Nach Schätzung der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. wurden in den 90er Jahren etwa 300.000 Kleinanleger zum Kauf nahezu wertloser „Schrottimmobilien“ bewegt. Gleichzeitig mit dem Kauf wurde den Käufern zur Finanzierung der Immobilie ein Darlehen vermittelt, wobei der Käufer im Glauben gelassen wurde, der Wert des Darlehens entspräche dem seiner Immobilie. Dies war jedoch regelmäßig nicht der Fall. Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang, dass die Verkaufsgespräche in der Regel bei Hausbesuchen stattfanden und die Immobilienverkäufer eng mit den darlehensgebenden Banken zusammenarbeiteten und regelmäßig Provisionen für die Kreditvermittlung erhielten.

 

Die Geschädigten, die sich durch den hohen Kredit überrumpelt fühlten und aufgrund ausbleibender Mieteinnahmen aus der Immobilie die Raten nicht zahlen konnten, hatten lange vor deutschen Gerichten keine Chance, von dem ungünstigen Kreditvertrag zurück zu treten. Und dies, obwohl die Geschäfte meist im häuslichen Rahmen stattfanden und unter den Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes oder aber des Verbraucherkreditgesetzes fallen müssten.

 

Beide Gesetze konnten jedoch auf den vorliegenden Sachverhalt nach Ansicht des BGH nicht angewendet werden:

 

Das Haustürwiderrufsgesetz, das aufgrund der Situation beim Verkauf der Immobilien im häuslichen Rahmen eigentlich einschlägig gewesen wäre, konnte auf den Kaufvertrag nicht angewendet werden, da die entsprechenden Willenserklärungen zum Kauf des Grundsstücks notariell beurkundet wurden (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG a.F). Auf die Darlehensverträge zur Finanzierung der Immobilie war das Haustürwiderrufsgesetz ebenfalls nicht anwendbar, da diese in den Schutzbereich des Verbraucherkreditgesetzes fielen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 HWiG a.F). Das Widerrufsrecht des Verbraucherkreditgesetzes hingegen war für die Kredite der Banken nicht anwendbar, da es sich bei diesen zumeist um sog. Realkredite handelte, die durch Grundpfandrechte gesichert waren (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG a.F). Und sofern ein Widerrufsrecht bestand, sind die Ansprüche auf Widerruf des Kreditvertrages nach einem Jahr erloschen (§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG a.F).

 

Diese für die Betroffenen sehr ungünstige Auslegung des Verbraucherschutzes wurde dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 234 EGV vorgelegt. Mit der Entscheidung vom 13. Dezember 2001 (sog. Heininger Entscheidung, EuGH, Rs. C-481/99) rügten die Luxemburger Richter die deutsche Rechtslage hinsichtlich des Verbraucherschutzes und stellten fest, dass diese nicht mit dem Sinn und Zweck der hier zugrunde liegenden Europäischen Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 (Abl. EG Nr. L 372 S. 31) übereinstimmte. Der EuGH entschied, dass die Verbraucher, die zu Hause einen Kaufvertrag verbunden mit einem Kreditvertrag abgeschlossen hatten, das Recht haben, diesen nach den Bestimmungen des Haustürwiderrufgesetzes zu kündigen. Hinsichtlich der Frist entschieden die Richter, dass das unbefristete Widerrufsrecht des Haustürwiderrufsgesetzes nicht auf die Jahresfrist des Verbraucherkreditgesetzes zu reduzieren sei. Eine derartige Frist sei in der entsprechenden europäischen Richtlinie nicht vorgesehen. Da die Käufer meist bei Abschluss des Vertrages nicht über ihre Widerrufsmöglichkeit belehrt wurden, könnten sie gerechnet von dem Moment an, in dem sie von der Möglichkeit der Kündigung erfahren, den Kredit innerhalb von 14 Tagen widerrufen.

 

Dafür, dass dieses Kündigungsrecht für die Geschädigten jedoch quasi wertlos ist, sorgt die jüngst durch die Kommission gerügte Rechtsprechung des BGH. Der für Banksachen zuständige XI. Zivilsenat legte die Entscheidung des EuGH gänzlich anders aus: Er bejahte in zahlreichen Entscheidungen (exemplarisch: Urteil vom 9. April 2002, Az. XI ZR 91/99, Urteil vom 10.9.2002, Az. XI ZR 151/99) zwar, dass das Widerrufsrecht des § 1 HWiG a.F. auch auf Realkredite anwendbar sei. Der Verbraucher, der seinen Kreditvertrag widerrufen wolle, sei jedoch verpflichtet, die gesamte erhaltene Kreditsumme nebst Vertragszins auf einen Schlag statt in Raten an die Bank zurück zu zahlen. Die Übereignung der unrentablen Immobilie an die Bank, statt einer Rückzahlung, sei jedoch nicht möglich: Darlehens- und Kreditvertrag seinen keine sog. verbundenen Geschäfte gem. § 9 Abs. 1 VerbrKrG a.F., so dass der Kaufvertrag der Immobilie nicht von dem Widerrufsrecht umfasst sei. Mangels verbundenem Geschäft zwischen Bank und Immobilienverkäufer bleibe die Immobilie von der Rückabwicklung des Darlehensvertrages unberührt.

 

Die Rückzahlung des Darlehens unter diesen Vorraussetzungen dürfte den durch die wertlose Immobilie ohnehin geprellten Kleinanleger jedoch regelmäßig überfordern. Durch diese Auslegung wird das durch den Europäischen Gerichtshof bestätigte Haustürwiderrufsrecht wirtschaftlich sinnlos und ein Recht, das eigentlich dem Schutz des Verbrauchers und der Rückabwicklung unbilliger Rechtsgeschäfte dient, ins Gegenteil verkehrt.

 

Zusätzliche Brisanz erhielt die Angelegenheit noch durch die Tatsache, dass sich Mitglieder des XI. Senats des BGH mit Vorträgen auf bankenfinanzierten Seminaren ein einträgliches Zubrot verdienen. 

 

Die Kommission rügt in ihrer Stellungnahme vom 2. Dezember 2003 die Rechtsprechung des BGH mit ungewohnt harten Worten: Sie kritisiert die Rechtsprechung des BGH als „verbraucherfeindlich“ und wirft diesem vor, die „Vorschriften ... über die Rückabwicklung des Kreditvertrages formal und mechanisch anzuwenden, ohne sich nur im Mindesten an den Gründen des Verbraucherschutzes ... auszurichten.“ Weiterhin „dränge sich die Schlussfolgerung auf, dass die … Rechtsprechung des BGH die rechtsgestalterischen Möglichkeiten dieser Rechtslage nicht nur in keiner Weise ausgeschöpft hat, sondern an ihnen gerade zu vorbei gegangen ist …“

Aus diesen Gründen bittet die Kommission den Europäischen Gerichtshof um eine beschleunigte Entscheidung in der hier geschilderten Sache.

 

Das nun ausstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofes wird mit Spannung erwartet. Denn folgte der EuGH der Stellungnahme der Kommission und der Ansicht des Landgerichts Bochum und bejahte das Vorliegen eines verbundenen Geschäftes, so dürften die Kreditinstitute die gekündigten Kredite nicht zurückfordern. Stattdessen müssten sie die durch sie finanzierten sog. „Schrottimmobilien“ übernehmen und die bereits geleisteten Darlehensraten zurückzahlen. Die wirtschaftliche Tragweite einer derartigen Entscheidung wäre erheblich, da angesichts der hohen Zahl an Geschädigten den beteiligten Banken ein erheblicher Schaden ins Haus steht. Insbesondere drohte dann möglicherweise auch eine Schadensersatzhaftung des Bundes für ca. 100.000 Immobilienkaufverträge. Denn der Bund haftet nach ständiger Rechtsprechung des EuGH dafür, dass in seinem Bereich alle staatlichen Organe, auch die Gerichte, das Europäische Recht korrekt anwenden und umsetzen.

 

Über den Streit um die Schrottimmobilien hinaus könnte dieses Urteil auch eine weit reichende Bedeutung für den deutschen Verbraucherschutz haben.

 

Es bleibt zu hoffen, dass die Richter in Luxemburg der Bitte der Kommission nach einer schnellen Entscheidung nachkommen und sich für eine Stärkung des Verbraucherschutzes aussprechen und damit die aktuell bestehende Rechtsunsicherheit beenden.

 

RA Hans Arno Petzold,

RRef.in Corinna Heyder,

Info-Point Europa Hamburg