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Bericht über die Informationsveranstaltung des Hamburgischen Richtervereins zum Thema
"Kompromiss geplatzt?? Information aus erster Hand!! Kompromiss geplatzt - Abschaffung des Vorschlagsrechts der Präsidenten auf kaltem Wege? Tiefgreifende Änderung der Probezeit für Richter und Staatsanwälte?"
am 9.12.05 von 16 bis 18 Uhr in der Grundbuchhalle |
(Foto: Maik Ochlast) |
Auf dem Podium saßen:
· Frau Dr. Schmidt-Syaßen (Vorsitzendes des Hmb. Richtervereins)
· Herr Schaberg (stellv. Vors. des Hmb. Richtervereins)
· Herr Rapp (Präsident des HansOLG Hamburg)
· Herr Lüdemann (Justizstaatsrat)
Die Grundbuchhalle war mit Zuhörern voll besetzt. Viele Kollegen mussten bis in den 2. Stock stehen. Die Presse zählte über 250 Richter und Staatsanwälte.
Frau Dr. Schmidt-Syaßen begrüßte die Anwesenden und leitete in das Thema ein. Der Richterverein sei an verlässlichen Informationen interessiert. Angesichts der in der Presse wiedergegebenen widersprüchlichen Äußerungen aus der Justizbehörde insbesondere zu einer Abänderung des Einstellungsverfahrens bestehe aus der Sicht des Richtervereins im Interesse aller Kollegen ein dringender Aufklärungsbedarf zum Inhalt der Vereinbarungen zwischen den vorschlagsberechtigten Präsidenten und der Generalstaatsanwältin, und zwar auch im Hinblick auf mögliche Änderungen zur Gestaltung der Probezeit für die neu eingestellten Richter sowie Staatsanwälte.
Herr Rapp gab zunächst einen Überblick über den Hergang.
Es sei um Änderungen folgender Punkte gegangen:
- Einstellungsverfahren
- Ablauf der Probezeit
- Verfahren bei der Beförderung
Zum Einstellungsverfahren:
In der Vergangenheit sei immer sehr darauf geachtet worden, dass keine Politisierung stattfindet. Deshalb habe der Senat nicht per se eine Mehrheit im RWA und sei - auf Betreiben gerade auch der damals oppositionellen - CDU in § 24a HmbAGGVG ein Vorschlagsrecht des jeweiligen Präsidenten/GenStA aufgenommen worden. Seither sei niemals ein Vorwurf politischen Filzes gegen die Justiz erhoben worden.
Nach einer Vorauswahl der Bewerber anhand Qualitätskriterien wie der Noten würden die verbliebenen Bewerber von einem Auswahlgremium befragt. Dieses bestehe aus dem Präsidenten, dem Personalreferenten, Vertretern der StA, des Präsidialrats und der Justizbehörde. In 99,9 % der Fälle bestehe im Gremium Einvernehmen und werde dem Senator ein gemeinsamer Kandidat vorgeschlagen. Es habe keinen Fall gegeben, in dem die Justizbehörde dem Vorschlag nicht gefolgt sei.
Auch im Verfahren bei den Beförderungen gebe es in der Beförderungsrunde ganz überwiegend einvernehmliche Voten, die dann vom Senator in aller Regel übernommen werden. Das gelte bei Beförderungen nach R2 fast immer und auch bei Beförderungen nach R3 nur etwas weniger. Im Falle von Differenzen hätten im RWA meistens die Kandidaten der Vorschlagsberechtigten obsiegt.
Bei den aktuellen Kontroversen hätten Herr Rapp für die Ordentliche Gerichtsbarkeit, Frau Uhlig-van Buren für die StA, Herr Dr. Gestefeld für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Herr Dr. Ruppelt für die Sozialgerichtsbarkeit und Herr Kirsch für die Arbeitsgerichtsbarkeit einvernehmlich gehandelt.
Im Schreiben vom 26.10.05 habe Staatsrat Lüdemann angekündigt, an den Beförderungsrunden solle kein Vertreter der Justizbehörde mehr teilnehmen. Bewerber sollten sich vor einem Vorschlag der Präsidenten bei der Justizbehörde vorstellen.
Die Präsidenten hätten nichts gegen dieses zusätzliche Vorstellungsgespräch einzuwenden gehabt, würden aber das Ausscheiden der Behördenvertreter aus dem Gremium bedauern. Herr Lüdemann habe die Bedenken der Präsidenten besprechen wollen.
Daraufhin sei ein Schreiben des Staatsrats Lüdemann vom 15./16.11.05 eingegangen, wonach bei Einstellungen die Bewerbungen an die Justizbehörde zu richten seien. Die Unterlagen geeigneter Kandidaten würden dann an das OLG gesandt.
Daraufhin hätten die Präsidenten/GenStA mit Schreiben vom 21.11.05 eine beamtenrechtliche Gegenvorstellung nach § 61 HmbBeamtG erhoben.
Am 23.11.05 habe der RWA tagen sollen. Um 8:00 Uhr hätten die Präsidenten erfahren, dass die Justizbehörde ein Pressegespräch auf 11:00 Uhr anberaumt habe. Nachdem dort ein Pressepapier verteilt worden sei, hätten die Präsidenten die Presse für den nächsten Tag eingeladen.
Am 28.11.05 sei der Entwurf eines Schreibens von Herrn Siewert (Leiter des Justizverwaltungsamts) eingegangen. Darin sei mitgeteilt worden, dass die Probezeit in 3 einjährige Stationen eingeteilt werden solle (u.a eine Verwaltungsstation für Richter und eine Gerichtsstation für StA’e). Außerdem solle vor einem Einstellungsvorschlag ein Einsatzvorschlag eingereicht werden, der mit dem Bewerber abgestimmt sei.
Die Präsidenten hätten das Verlangen eines solchen Einsatzvorschlags wegen § 13 DRiG für rechtswidrig gehalten, weil beim Bewerber nicht die erforderliche Freiwilligkeit vorliege, wenn ihm die Zustimmung vor der Einstellung abverlangt werde.
Am 29.11.05 habe ein Gespräch der/des Präsidenten mit dem Bürgermeister stattgefunden. Das Gespräch sei vertraulich, freundlich und sachlich gewesen.
Am selben Tage hätten die Präsidenten sodann mit dem Senator und mit dem Staatsrat zum ersten Mal zum Thema sprechen können. Das Gespräch habe folgendes Ergebnis gehabt:
a) Einstellungsverfahren:
Das OLG solle zentrale Eingangsstelle ("Briefkasten") für alle Bewerbungen sein.
Der Internetauftritt solle zum 1.1.06 angepasst werden.
Mindestnote solle wieder zweimal Vollbefriedigend sein.
Die Justizbehörde erhalte Kopien aller Bewerbungen sowie eine diesbezügliche listenmäßige Aufstellung.
Bewerbungen für die Fachgerichte/StA würden an diese weitergeleitet incl. Auflistung.
b) Probezeit:
Die Präsidenten hätten die Regelung für nicht praxistauglich gehalten, insbesondere nicht bei schematischer Anwendung. Schwierigkeiten gebe es z.B. bei der Anrechnung von Vordienstzeiten und wegen der mangelnden Prognostizierbarkeit von Schwangerschaften. Demgegenüber hätten die Präsidenten eine freiwillige Flexibilität immer befürwortet. Die Justizbehörde habe die Frage jedoch anders entschieden, so dass nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie diskutiert werden könne. Dafür sei eine Arbeitsgruppe mit Herrn Siewert und den Präsidenten der ersten Instanz eingerichtet worden.
Ein Verwendungsplan betreffend die geplanten Stationen des Bewerbers werde dem RWA vorgelegt werden. Die Bewerber würden von den Gerichten lediglich darauf hingewiesen werden, dass die Justizbehörde das Dreistufenmodell während der Probezeit anwende.
c) Beförderungsverfahren:
Die Justizbehörde werde wieder an der gemeinsamen Runde teilnehmen. Die Präsidenten hätten keine Einwände gegen Auswahlgespräche der Justizbehörde. Auf entsprechende rechtliche Risiken (z.B. Konkurrentenklagen) hätten die Präsidenten hingewiesen.
Für dieses Gespräch der Präsidenten mit Justizsenator und Staatsrat habe ein Protokoll angefertigt werden sollen. Dies sei nicht geschehen. Stattdessen sei am 1.12.05 der Deputationsbeschluss gefasst worden, der z.T. von dem Besprochenen abweiche.
Die Präsidenten hielten es für erforderlich, dass das Auswahlverfahren bei der Einstellung ergebnisoffen zu sein habe und dass dem Bewerber keine Vorabzustimmung zum Verwendungsplan abverlangt werde.
Herr Rapp berichtete von großer Solidarität seitens der Richter und StA'e sowie von großer überparteilicher Zustimmung zu den Ansichten der Präsidenten.
(großer und sehr langer Applaus der Zuhörer)
Herr Staatsrat Lüdemann stimmte der Sachdarstellung des Präsidenten zu, monierte aber, dass Herr Präsident Rapp eine zeitweise Absenkung der Notenanforderung angesprochen habe. Dies sei ein Wiederaufgreifen einer vergangenen Kampagne und sei unfair gegenüber der betroffenen Kollegin.
Herr Rapp stellte klar, dass er lediglich die Gestaltung des Internetauftritts der Justizbehörde hinsichtlich der Mindestanforderungen gemeint habe, dass er aber die Einstellung der betroffenen Kollegin für richtig halte.
Herr Lüdemann führte zur Flexibilität der Proberichter aus, dass diese von den Präsidenten zwar in der Vergangenheit immer verbal befürwortet worden sei, dass aber nach der Lebenszeiternennung faktisch keine Flexibilität stattfinde. Wenn die Justizbehörde Bewerber nach ihrer Bereitschaft zur Flexibilität gefragt habe, so hätten die Bewerber diese Flexibilität immer angeboten. Die Behörde wolle sich nicht in die konkrete Ausgestaltung der Flexibilität einmischen, habe aber Interesse daran, dass Proberichter auch in der Justizbehörde und insbesondere im Strafvollzug eingesetzt würden.
Ein zentraler Posteingang für die Bewerbungen sei der Behörde sehr wichtig gewesen. In fast allen anderen Bundesländern liege der zentrale Bewerbungseingang bei den Justizministerien. Eine Auflistung der Bewerbungen von zentraler Stelle erhöhe die Transparenz. Wo sich dieser zentrale Eingang befinde (OLG oder Justizbehörde) sei der Justizbehörde nicht so wichtig. Die Bewerberliste diene einem Ranking. Maßgeblich hierfür sei zunächst die Examensnote; im Wege eines Punktesystems sollten aber auch weitere Qualifikationen wie Promotion / LLM / Auslandsstudien / besondere berufliche Erfahrungen Berücksichtigung finden. Wie das genau auszugestalten sei, solle mit den Gerichtsleitungen noch erörtert werden.
Die Voraussetzung eines zweimaligen Vollbefriedigend könne im Wege der Absprache auch wieder geändert werden.
Warum die Justizbehörde unabhängig von den Präsidenten selbst Kandidaten für das Vorstellungsgespräch, an dem weiter Vertreter der Justizbehörde teilnehmen würden und in dem selbstverständlich auch eine andere Auswahl getroffen werden könne, vorschlagen wolle, sei mit motiviert durch eine besondere Begebenheit: Die Justizbehörde habe die 10 besten Examensabsolventen eingeladen. Dabei habe der Beste erklärt, er habe Richter werden wollen, habe aber vom Präsidenten eine Absage erhalten.
Frau Rolf-Schoderer (Personalreferentin beim HansOLG) teilte mit, der Betreffende habe eine Einladung zu einem Informationsgespräch mit Hinweis auf die Stellensituation und keine Absage durch den Präsidenten erhalten. Der Betreffende sei dann in die Gesprächsrunde gegangen, an der auch die Justizbehörde teilgenommen habe, und sei daraufhin nicht eingestellt worden.
Herr Lüdemann fuhr fort. Die Justizbehörde hätte dem Betroffenen - wenn sie von dem Fall gewusst hätte - eine andere Stelle angeboten, z.B. vorübergehend im Strafvollzug.
Frau Dr. Schmidt-Syaßen betonte, dass die Schaffung eines zentralen Bewerbungseingangs nicht als Problem angesehen werde. Es sei auch kein Problem, dass die Justizbehörde neben den Vorschlägen des Präsidenten 2 weitere Kandidaten vorschlägt, wenn diese weiteren Kandidaten ebenfalls mit in die gemeinsamen Auswahlgespräche kämen.
Herr Schaberg wies darauf hin, dass fast in ganz Europa nach einer Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz gestrebt werde, während jetzt in Hamburg das Einstellungsverfahren auf den Kopf gestellt werde, obwohl sich das bisherige Verfahren bewährt habe.
Herr Lüdemann sah kein Auf-den-Kopf-Stellen; sogar die Kette der Vorschläge bleibe erhalten. In anderen Bundesländern gebe es sogar das ausschließliche Vorschlagsrecht des Justizministers.
Herr Strate (RA; Mitglied des RWA) zeigte sich verwundert, dass der Justizsenator umso weniger Wert auf Akzeptanz seiner Ansichten lege, je wichtiger sein Anliegen in seinen Augen sei.
Herr Hirth (Mitglied des Richtervereinsvorstands) sah in den zusätzlichen Personalvorschlägen des Justizsenators tendenziell eine Schwächung der Selbständigkeit der Justiz.
Herr Lüdemann erwiderte darauf, eine zentrale Liste aller Bewerbungseingänge sei sinnvoll.
Herr Rapp verwies darauf, dass es auch Bewerber für spezielle Gerichtszweige gebe, die gar nicht in andere Gerichtszweige wollten. Außerdem seien auch bislang schon lediglich Leistungskriterien die Auswahlkriterien der Präsidenten gewesen.
Frau Uhlig-van Buren (GenStA'in) wies darauf hin, dass sie Personalvorschläge nur für ihren eigenen Bereich mache.
Herr Lüdemann erwiderte, dass dies nicht hindere, ein größeres Bewerberfeld kennenzulernen.
Herr Mehmel (Vors. ASJ-Hamburg) erinnerte an den Konflikt mit dem Justizsenator im Jahre 2004 betreffend sein Verhalten gegenüber der StA; daraus habe der Senator offenbar nicht gelernt.
Herr Dr. Gestefeld (Präsident des OVG) wies darauf hin, dass vor den von Herrn Rapp genannten Schreiben mindestens ein Jahr lang kein Anzeichen für eine von der Justizbehörde beabsichtigte Maßnahme erkennbar war, so dass die Schreiben unerwartet und ohne vorherige Kontaktaufnahme seitens der Justizbehörde erfolgten.
Herr Lüdemann erwiderte, irgendwann müsse die Behörde schließlich eine Entscheidung treffen.
Herr Köhnke (Leiter der StA) wies darauf hin, dass für die StA die Note nicht das alleinige Einstellungskriterium sei. Ein StA müsse auch ein guter Ermittler sein. Die Einführung mehrerer Stationen für die Proberichter berge die Gefahr, dass die Zeitdauer von nur 1 Jahr der StA-Station nicht ausreiche, um geeignete junge Kollegen an sich zu binden. Außerdem komme auf die einzelnen Stationen nunmehr die dreifache Ausbildungslast zu. Die Qualität der Bewerbungen in Hamburg sei in letzter Zeit ohnehin zurückgegangen. Und mancher gute Bewerber für ein Spezialgericht könne durch die Aussicht, ein Jahr z.B. im Strafvollzug arbeiten zu müssen, abgeschreckt werden.
Nach einem Schreiben von Herrn Siewert (Leiter des Justizverwaltungsamts) vom 8.12.03 sei einmal eine konsensfähige Situation eingetreten gewesen. In jenem Schreiben sei die Flexibilität konkretisiert worden auf eine Stammdienststelle des Proberichters von z.B. 2 Jahren, während nur der Rest außerhalb der Stammdienststelle zu leisten sei. Dieser Vorschlag sei akzeptabel gewesen; er sei leider dennoch von der Justizbehörde wieder auf Eis gelegt worden.
Herr Lüdemann war der Meinung, angesichts einer Zahl von nur ca. 20 Neueinstellungen von Proberichtern im Jahre 2006 sei der organisatorische Aufwand der Flexibilität zu bewältigen.
Die Frage von Herrn Dr. Augner (Mitglied des Richtervereinsvorstands), ob es richtig sein, dass der Senator den Präsidenten keinen Vorschlag für ihren Vorschlag an den Senator machen werde, bejahte Herr Lüdemann.
Herr Lüdemann erklärte auf erneuten Vorhalt des dem geplanten „Ablaufplan" entgegenstehenden gesetzlichen Verbots in § 13 DRiG, Richterbewerbern vor ihrer Einstellung den Einsatz in der Verwaltung abzuverlangen, er habe keine Ermächtigung, von der Linie des Senators abzuweichen.
Daraufhin bat Herr Pradel (VRiOVG) den Staatsrat, in seiner Eigenschaft als Senatssyndikus jedenfalls den Senat darauf hinzuweisen, dass es rechtswidrig sei, Einstellungsbewerbern eine Zustimmung zu Wechseln zwischen Gerichten/Behörden abzuverlangen, bevor sie eingestellt sind.
Wolfgang Hirth
Anmerkung des Webmasters: vgl. zu diesem Thema auch
- die Presseerklärung des Richtervereins