Neues über
die
"3. Prüfung"
"Justiz und Demokratie
oder: Transparenz im Beförderungssystem" darüber hatte der
damals frisch pensionierte Kollege Jürgen Franke in den MHR 4/97,
23 ff. erfahrungsgesättigte Reflexionen ausgebreitet. Sie umkreisten
die Frage nach Gerechtigkeit und Transparenz bei Auswahl schon "habiler"
Kolleginnen und Kollegen, die sich für "R 2" bewarben, und die dem
Richterwahlausschuß (RWA) nun vorgeschlagen werden sollten oder
eben nicht. Dabei ging es Franke nicht um die Prämisse der Sache:
wie man denn überhaupt in den Kreis habiler Bewerber gelangt,
also nicht um das davor liegende Nadelöhr der sog. 3. Staatsprüfung
(am Obergericht oder am gleichgestellten Orten anderswo).
Ich entsinne mich mancher
Diskussion im Kollegenkreis darüber, auch im Richterverein. Wie könnte
es anders sein? Und welcher Präsidialrichter hätte nicht einen
veritablen Teil seiner Zeit damit verbracht, darüber ad personam Auskünfte
und Erklärungen zu geben: Hoffnungen zu beflügeln, oder öfter
noch ! - sie zu dämpfen ...?
Letztlich setzen sich die
Präsidenten und Behördenleiter zusammen, um über Anwartschaften,
Rechte und Wünsche ihrer Gerichte und Behörden eine Verständigkeit
zu finden im Einvernehmen mit der Justizbehörde, an der es dann
ist, die Abordnung förmlich zu verfügen.
Das ganze ist da es immer
mehr Bewerber als Plätze gibt ein unausweichlich dorniges
Terrain, über dessen besondere Schicksalhaftigkeit im Einzelfall angesichts
der gegenwärtigen Lage kein Wort zu verlieren ist.
Deshalb möchte man
es schon begrüßen, wenn die Justizbehörde die Initiative
ergreift und eine schriftliche Fixierung maßgeblicher Grundsätze
entwirft vorausgesetzt, dass dies der Klarheit, Transparenz und substanziellen
Gerechtigkeit dient.
Vom 6. August d.J. datiert
ein Entwurf der Justizbehörde mit dem Titel:
"Richtlinien über
die Ernennung
und Beförderung von
Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten
§ 1
I.
Die Bewährung von Richtern
auf Probe für die Ernennung zum Richter oder zum Staatsanwalt auf
Lebenszeit wird in der Regel
-
in der ordentlichen Gerichtsbarkeit
durch eine Tätigkeit sowohl am Landgericht als auch am Amtsgericht,
mindestens in den Bereichen des Zivilrechts und des Strafrechts,
-
in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
durch eine Tätigkeit in mindestens zwei Spruchkörpern mit unterschiedlichen
Zuständigkeiten,
-
bei der Staatsanwaltschaft
durch eine Tätigkeit in mindestens zwei Dezernaten mit unterschiedlichen
Zuständigkeiten
nachgewiesen.
II.
Der Tätigkeit an dem
weiteren Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder in einem anderen
Spruchkörper der Verwaltungsgerichtsbarkeit steht die Abordnung an
ein anderes Gericht oder an eine Behörde gleich, sofern diese Tätigkeit
geeignet ist, Kenntnisse und Erfahrungen für die Ausübung des
Richteramts zu vermitteln.
§ 2
I.
Vorschläge zur Übertragung
eines Amtes mit nächsthöherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes
sollen dem Richterwahlausschuss und der Deputation durch die zuständige
Behörde in der Regel nur dann vorgelegt werden, wenn die Eignung des
Vorgeschlagenen durch eine Erprobung festgestellt worden ist.
II.
Für weitergehende Beförderungen
sollen die Bewerber darüber hinaus über möglichst vielseitige
berufliche Erfahrungen im Eingangsamt und im ersten Beförderungsamt,
insbesondere im Amt eines Vorsitzenden Richters verfügen.
§ 3
I.
Durch die Erprobung sollen
zusätzliche Erkenntnisse über die besondere Eignung und Leistung
des zu Erprobenden aufgrund der Beurteilung durch eine andere als die bisherige
Dienststelle gewonnen werden.
II.
Die dienstliche Beurteilung
hat Feststellungen zur Bewertung der Eignung (hervorragend geeignet, sehr
gut geeignet, gut geeignet, geeignet, mit Einschränkung geeignet,
ungeeignet) und zur Art des Beförderungsamtes, für welches die
Eignung bejaht wird, zu enthalten.
§ 4
I.
Die Erprobung erfolgt in der
Regel
-
für die ordentliche Gerichtsbarkeit
in einem Senat des Oberlandesgerichts,
-
für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
in einem Senat des Oberverwaltungsgerichts,
-
für das Finanzgericht
in einem Senat des Finanzgerichts,
-
für die Staatsanwaltschaft
bei der Generalstaatsanwaltschaft oder bei der Staatsanwaltschaft bei dem
Landgericht als vertretender Abteilungsleiter in einer anderen als der
bisherigen Abteilung.
II.
Die Erprobung erfolgt ferner
durch eine Tätigkeit
-
bei dem Bundesverfassungsgericht,
-
bei einem Obersten Bundesgericht,
-
bei der Bundesanwaltschaft
bei dem Bundesgerichtshof,
-
bei dem Bundesministerium
der Justiz,
-
bei der Justizbehörde,
-
in der Verwaltung der Präsidenten
der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungs- oder Finanzgerichtsbarkeit,
-
in der Verwaltung des Generalstaatsanwalts,
-
als Vorsitzender in einer
Hilfskammer (Straf- oder Zivilkammer),
-
in vergleichbaren Stellen,
wenn die Tätigkeit nach Art und Bedeutung geeignet ist, die in §
3 Abs. 1 genannten zusätzlichen Erkenntnisse zu gewinnen.
§ 5
I.
Die Erprobung soll nicht vor
Ablauf von fünf Jahren nach Ernennung auf Lebenszeit stattfinden.
Zeiten, in denen Tätigkeiten nach § 10 Abs. 2 DRiG ausgeübt
wurden, können angerechnet werden.
II.
Die Dauer der Erprobung beträgt
bei einem Senat des Oberlandesgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts
neun (sechs) Monate, bei dem Finanzgericht oder bei der Staatsanwaltschaft
bei dem Landgericht ein Jahr.
III.
Die Dauer der Erprobung gemäß
§ 4 Abs. 2 beträgt regelmäßig 24 Monate, mindestens
12 Monate. Sie kann bis zur Mindestzeit insbesondere dann abgekürzt
werden, wenn in nennenswertem Umfang eine Verwendung in einem Senat nach
§ 4 Abs. 1 oder mit staatsanwaltschaftlichen Aufgaben bei dem Generalstaatsanwalt
erfolgt.
§ 6
I.
Richter und Staatsanwälte,
die nach § 4 erprobt werden wollen, bekunden zum 1. April und 1. Oktober
eines jeden Jahres nach ihrer ersten Regelbeurteilung (Verfügung der
ehemaligen Landesjustizverwaltung über die dienstlichen Beurteilungen
der Richter und Staatsanwälte vom 12.11.1958) ihr Interesse an einer
Erprobung auf dem Dienstweg gegenüber der Justizbehörde. Dieses
Interesse wird als fortbestehend angesehen, solange nichts anderes mitgeteilt
wird.
II.
Die Präsidenten der Oberen
Landesgerichte und der Generalstaatsanwalt nehmen gegenüber der Justizbehörde
zu den eingegangenen Bewerbungen Stellung und machen einen Vorschlag zur
Berücksichtigung überhaupt und zur Reihenfolge der Erprobungen
nach persönlicher und fachlicher Eignung. Die Entscheidung trifft
die Justizbehörde nach Prüfung der Vorschläge und unter
Berücksichtigung anderer dienstlicher und persönlicher Gesichtspunkte,
die für die Personalplanung von Belang sind.
§ 7
Die Richter erhalten Gelegenheit,
mit dem Präsidenten ihres Gerichts oder dem dafür bestellten
Vertreter im jährlichen Abstand ein Gespräch über ihre gegenwärtige
berufliche Situation sowie Wünsche, Voraussetzungen und Aussichten
einer Weiterentwicklung zu führen. Der Generalstaatsanwalt regelt
für seinen Geschäftsbereich, wer das Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch
führt; er hat dafür Sorge zu tragen, dass Staatsanwälte
auch unabhängig von diesem Gespräch ihre beruflichen Wünsche
mit dem Leiter der Behörde oder dem für Personalfragen zuständigen
Vertreter erörtern können."
Das Mitgeteilte soll hier
einer interessierten Leserschaft zur Kenntnis gebracht, kaum schon bewertet
werden. Da der Richterverein sich gemäß §§ 59 (2),
56 (2) 4 HmbRiG mit der Sache wird befassen müssen, sollte auch sein
Mitteilungsblatt zur allseits erwünschten Transparenz beitragen.
Vermutlich wird sich vieles
der Quantität nach das meiste als Verbriefung des Herkommens verstehen
lassen (wenngleich man materiale Grundsätze über "persönliche
und fachliche Eignung" vergeblich sucht). Als Sprengsatz im Gebälk
allerdings könnte sich der § 6 II Satz 2 erweisen:
"Die Entscheidung trifft
die Justizbehörde nach Prüfung der Vorschläge und unter
Berücksichtigung anderer dienstlicher und persönlicher Gesichtspunkte,
die für die Personalplanung von Belang sind."
Das ist dem Text zufolge
nicht weniger als die Verlagerung der behördlichen Vorschlagskompetenz
dem RWA gegenüber, und obendrein deren substanziell tiefgreifende
Verstärkung, weit hinein in das Vorfeld
- offenbar nach Maßgabe einer Personalplanung, welche nicht
die der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist (jener Einheiten also, deren
Selbständigkeit, Selbstverantwortung und Eigenregie sonst beredt herausgestellt
zu werden pflegt.) ...
Dass § 4 II für
richterliche Erprobung auch rechtsprechungsferne (managementorientierte)
Tätigkeiten anerkennt, entspricht zum Teil der Praxis. Ob das zumal
in der vorgeschlagenen Erweiterung nicht eine neue sehr fragwürdige
Qualität gewinnen kann, wenn den Gerichten und Staatsanwaltschaften
das Heft aus der Hand geschlagen wird: auch darüber bleibt wohl noch
zu diskutieren.
Günter Bertram
Anmerkung des Homepage-Betreuers vom 20.12.99:
In "Justiz intern" 12/1999, 10 wird die 2. Entwurfsfassung mitgeteilt.
Neben grammatikalischen Korrekturen und konsequenter Einhaltung auch der
weiblichen Bezeichnungsformen sind folgende Änderungen zu erwähnen:
zu § 1 II:
Die Tätigkeit in einem anderen Dezernat der StA wurde eingefügt.
zu § 2 I:
R1+Z bei der StA wurde dem Eingangsamt gleichgestellt.
neu § 2 III:
StA: Erfahrungen im Beförderungsamt auch als AL bei der StA(LG)
und als Dez bei der StA(OLG).
zu § 3 III:
Als Note wurde "vollauf geeignet" zwischengefügt.
zu § 4 I d:
Gestrichen wurde die Regelerprobung als vertr. AL bei der StA(LG) in
einer anderen Abt. Diese Möglichkeit wurde verlagert in die "ferner"-Erprobungen
nach § 4 II g, wo dafür die bislang vorgesehene Erprobung in
der Verwaltung beim GenStA gestrichen wurde.
neu § 4 III:
Die bislang nur bei "vergleichbaren Stellen" vorgesehene Einschränkung,
dass die Tätigkeit "nach Art und Bedeutung geeignet ...." sein muss,
gilt nun auch für die Tätigkeiten bei BMJ, JB und in den Präsidialverwaltungen.
zu § 5 I:
Zu früh stattgefundene Abordnungen werden nicht anerkannt.
zu § 5 II:
Bei der Erprobungsdauer von 9 Monaten wurde der Klammerzusatz "6 Monate"
gestrichen.
zu § 6 II:
Die von den Oberen Landesgerichtspräsidenten der Justizbehörde
vorgelegte Vorschlagsliste kann "nur in besonders zu begründenden
Ausnahmefällen geändert werden." (Der 1. Entwurf hatte noch
eine Prärogative der Justizbehörde vorgesehen.)