Am 18.07.1999 verstarb plötzlich und unerwartet der Direktor des Amtsgerichts Hamburg-Harburg, Dr. Claus Oellrich.
Sein Tod hat auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschüttert, und so bin auch ich als sein Stellvertreter im Amt einerseits voller Trauer über den Verlust, andererseits dankbar für die Jahre der vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Auf Wunsch mancher seiner Richterkollegen und Freunde und einem eigenen Bedürfnis folgend, möchte ich an dieser Stelle noch einmal versuchen, die Persönlichkeit unseres verehrten Direktors zu beschreiben.
Claus Oellrich wurde am 15.05.1938 in Hamburg-Rissen geboren. Er besuchte hier die Grundschule und anschließend in Hamburg-Blankenese bis zu seinem Abitur das Gymnasium. Dem Beispiel seines Vaters – eines angesehenen Hamburger Richters – folgend, studierte er Jura in Graz, Marburg und Hamburg und bestand 1961 das erste juristische Staatsexamen. Es folgten einige Jahre, in denen er als wissenschaftlicher Assistent in Bonn tätig war. Hier promovierte er auch und absolvierte schließlich wieder in Hamburg seine Referendarzeit mit dem zweiten Staatsexamen im Jahr 1967. Der Eheschließung im Jahre 1966 mit Frau Gudrun geb. Renard folgten im Jahre 1970 und 1971 die Geburten seiner Kinder Björn und Antje.
Claus Oellrich begann seine Richterlaufbahn im Jahre 1967 als Gerichtsassessor beim Amtsgericht Hamburg-Mitte, war kurze Zeit auch im Amtsgericht Hamburg-Wandsbek und wurde nach seiner Ernennung zum Richter auf Lebenszeit vom damaligen Amtsgerichtspräsidenten Wienbeck in die Funktion eines Präsidialrichters berufen, wo er mit Personalführungsaufgaben betraut wurde und sich die Grundlagen für sein späteres Wirken als Dezernatsleiter und Amtsgerichtsdirektor erwarb. Nach der Erprobung beim Oberlandesgericht 1975/1976 war er für kurze Zeit Amtsrichter in Hamburg-Blankenese.
Ende 1976 wurde Claus Oellrich damit beauftragt, im Amtsgericht Hamburg-Mitte und in den Stadtteilgerichten die Einrichtung der Familiengerichte so zu koordinieren, dass diese mit Inkrafttreten des ersten Ehereformgesetzes zum 01.07.1977 räumlich, technisch und personell in der Lage waren, ihre Arbeit aufzunehmen. Er wurde "Hamburgs erster Familienrichter", wie damals der Presse zu entnehmen war. Claus Oellrich erfüllte seine Aufgabe mit so großem Erfolg, dass nachfolgende Familienrichtergenerationen heute noch von seiner Arbeit profitieren.
Als Dezernatsleiter des Familiengerichts Hamburg wurden ihm unter anderem die Familiensachen mit Auslandsberührung übertragen, und hier begann er seine zweite Karriere als Mitarbeiter des Handbuchs Garbe-Oelkers, "Praktische Arbeitshilfen zur erfolgreichen Bearbeitung von Familiensachen", in dem er den IPR-Teil übernahm und fortlaufend ergänzte. Sein guter Ruf, den er sich bis dahin als Richter erworben hatte, verbreitete sich nun auch über Hamburgs Grenzen hinaus in ganz Deutschland. Im Rahmen seines Spezialgebietes widmete er sich alsbald auch der Fortbildung deutscher Rechtsanwälte zum Fachanwalt für Familienrecht. Ich konnte miterleben, wie er so manches Mal auch auswärtigen Anwälten und Richterkollegen gegenüber, die sich mit ihren speziellen Fragen zum internationalen Familienrecht Rat suchend an ihn wandten, zum Ratgeber wurde.
Die letzte Station seiner Richterlaufbahn führte ihn an das Amtsgericht Hamburg-Harburg, dessen Direktor er von Juli 1988 bis zu seinem Tode war. Er wurde damit Vorgesetzter von ca. 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und er übernahm zusätzlich den Vorsitz in einer Familien- und später in einer Zivilabteilung.
Ich bin sicher, dass ihn die Arbeit am Amtsgericht Hamburg-Harburg besonders erfüllte. Jeder verspürte etwas von der Freude, mit der er seinen Beruf ausübte. Sein fröhliches und heiteres Wesen und sein Optimismus übertrugen sich auf seine Umwelt und prägten das Betriebsklima. Durch sein Vorbild motivierte er uns zu besonderen Anstrengungen. Er führte das Gericht mit Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Geduld. Nie hörte man von ihm ein unbedachtes oder verletzendes Wort. Über allem stand sein kaum zu übertreffender Humor, der sich im täglichen Umgang aber auch bei besonderen Anlässen – Ansprachen zu Weihnachtsfeiern, Jubiläen und dergleichen – immer wieder neu entfaltete. Andererseits konnte er, wenn es um die Interessen des Gerichts und der Mitarbeiter ging, nach außen gegenüber Vorgesetzten oder behördlichen Anordnungen etwaige konträre Ansichten, die er für richtig erkannt hatte, beharrlich und geschickt vertreten und auch seinen Standpunkt durchsetzen.
Wegen seiner untadeligen integeren Amtsführung wurde Claus Oellrich schließlich kurz vor seinem Tode zum Vorsitzenden des Disziplinargerichts Hamburg gewählt.
Privat erlebte ich Claus Oellrich als einen christlich denkenden und handelnden Menschen, der es als Aufgabe und Pflicht empfand, sich aktiv zu engagieren und für Verständigung und Aussöhnung einzusetzen. Er wirkte viele Jahre als Kirchenvorsteher seiner Johanneskirche in Hamburg-Rissen. Seine Reiselust führte ihn u.a. mehrfach nach Israel, wo er Freundschaften schloss, die bis zu seinem Tode hielten.
Für mich und sicher auch für viele meiner Kolleginnen und Kollegen setzte Claus Oellrich hohe Maßstäbe, an denen wir uns orientieren und unsere richterliche Arbeit ausrichten. Sein Tod hat eine Lücke gerissen, die nur sehr schwer zu schließen sein wird.
Eckart Waldow