In der Sache kann der Justizsenatorin nur zugestimmt werden: Gespräche, wie die von Herrn von Beust intendierten, haben nicht stattzufinden gleichviel ob sie nun von einem Politiker oder von dem Präsidenten als dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten geführt werden, ob sie lediglich Informationszwecken dienen, die Sicht der Politik verdeutlichen oder gar deren Wunschvorstellungen vermitteln sollen. Alles dies ist schlechterdings unzulässig. Daran gibt es nun wirklich nichts zu deuteln.
Natürlich wären die Begehrlichkeiten – transportiert und befeuert über ein solches Verfahren – groß, der Phantasie weite Felder eröffnet: Die Planfeststellung auf dem Amboß rechtlicher Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht und der Wunsch des Wirtschaftssenators oder gar des ersten Bürgermeisters, den beteiligten Richtern die Bedeutung der Bestandskraft der Planungen für die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs zu vermitteln, die Forderung nach nahtloser Einpassung der Asylrechtsprechung in die Asylpolitik, ein politisch erwünschter rustikalerer Umgang mit jugendlichen Straftätern, Problemverdeutlichungsgespräche über die unterschiedliche Rechtsprechung zur polizeilichen Ingewahrsamsnahme, die Verkündung politischer Wahrheiten und Prioritäten, und, und, und, und .... Nein, das alles wollen wir nicht, will aber insbesondere die Verfassung nicht.
Diese Stadt ist belastet, belastet auch und nicht zuletzt von Machenschaften der Justiz im Dritten Reich. Vor- und Nachschau waren das Instrument, mit dem ein Curt Rothenberger, weiland Chefpräsident, und seine Kumpane der Rechtsprechung das politisch gewirkte Wams verpassen wollten. Wir alle haben die in einer Ausstellung präsentierten einschlägigen Dokumente und Urkunden mit großer Betroffenheit zur Kenntnis nehmen müssen. So manches aus überwundener DDR-Zeit ließe sich dem hinzufügen. Ich möchte ausdrücklich die Äußerungen des Herrn von Beust in diesen historischen Kontext nicht gestellt wissen. Dies erschiene mir völlig unangemessen, über das Ziel hinausgeschossen. Ich werte die an die Justizsenatorin gerichtete Aufforderung vielmehr als unbedachte Aktion, als politischen Fehlgriff. Die Senatorin hat prompt und deutlich reagiert. Das ist es dann aber auch: Nicht mehr, allerdings auch nicht weniger.
Zum Schluß die Feststellung, von mir hier und anderenorts schon mehrfach, zuletzt aber auch von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Rapp getroffen: Politik trägt für die Rechtsprechung keine inhaltliche Verantwortung. Sie hat vielmehr durch entsprechende Rahmenbedingungen dafür Sorge zu tragen, daß unabhängige Rechtsprechung stattfinden kann. Politiker können also für die Entscheidungen der Gerichte nicht verantwortlich, nicht haftbar gemacht werden, auch nicht von dem Wähler – das muß immer wieder in Erinnerung gerufen und betont werden. Zurückhaltung sollte dem Politiker daher gerade in diesem Bereich nicht schwerfallen.
Die Verantwortung für ihre Entscheidungen trägt die Justiz selbst – und fordert sie in besonderer Weise. Ich kenne viele Richterinnen und Richter. Sie nehmen diese Herausforderung an, diskutieren, streiten über den überzeugenden Weg, die richtige Entscheidung, scheuen die Auseinandersetzung nicht, fühlen sich ihrer Aufgabe verpflichtet. Aber das ist wiederum eine andere Geschichte.
Heiko Raabe