(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/99) < home RiV >
Entgegnung:

Der Artikel "Umzug", in dem die wenig erheiternden Erlebnisse der Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen im Zusammenhang mit der Durchführung des Tandem VII-Projektes am Landgericht geschildert wurden, hat den Widerspruch des Vizepräsidenten des Landgerichts hervorgerufen und ihn zum Schreiben des nachfolgenden Leserbriefes veranlaßt. In den Kreisen derjenigen, die den Prozeß miterleben, hat seine Sicht der Dinge überrascht:

Liebe Karin Wiedemann,

Dein Artikel "Umzug" zum gegenwärtig laufenden Projekt der Geschäftsstellenmodernisierung im Bereich der Kammern für Handelssachen (TANDEM VII) in den MHR 4/1998 stimmt mich traurig, zum einen wegen Deiner greifbaren Verbitterung als Mitbetroffene dieses Projekts und zum anderen, weil Du zumindest unterschwellig suggerierst, für die Geschäftsstellen werde in den bisherigen Richterzimmern eine Luxuswelt, u.a. mit Hydrokulturpflanzen, eingerichtet, während die Richter aus ihren abgelegenen und ruhigen Zimmern willkürlich in die bisherigen Geschäftsstellenräume umquartiert würden, in denen sie erheblichen Geräuschbelästigungen ausgesetzt wären und deren Zustand durchweg desolat sei.

Daran ist so gut wie nichts richtig, und Du hättest dies aufgrund der Informationen des Projektleiters auch wissen können, als Du den Artikel veröffentlicht hast - übrigens sehr im Sinne journalistischer Fairness, ohne dem Projektleiter Gelegenheit zur Stellungnahme oder gar zu einer Erwiderung in derselben Ausgabe der MHR zu geben.

Nun im einzelnen:

Wie alle früheren TANDEM-Projekte wird auch TANDEM VII ausschließlich durch die Einsparung von Stellen im nichtrichterlichen Dienst finanziert. Dieses Finanzierungsmodell, das uns durch die Hamburger Haushaltspolitik vorgegeben ist, gefällt hier niemandem. Wir schlucken die Kröte der Stellenstreichungen trotzdem, weil dies der einzige Weg zur Modernisierung der Organisation und zur Schaffung besserer Arbeitsbedingungen ist. Dass diese Maßnahmen zunächst in dem Bereich stattfinden, der für die Modernisierung Stellen geopfert hat, ist naheliegend; unabhängig davon ist allgemein anerkannt, dass Verbesserungen in der Organisation und in den Arbeitsabläufen der Gerichte bei den Geschäftsstellen ansetzen müssen.

Dies führt jedoch entgegen Deiner Behauptung nicht dazu, daß Richter in dieser schönen neuen Welt, in der übrigens zu keinem Zeitpunkt Hydro-Kulturpflanzen in den Geschäftsstellen der Kammern für Handelssachen vorgesehen waren, weil diese zu kostspielig sind, nicht vorkommen.

Wie bei allen früheren TANDEM-Projekten ist auch bei TANDEM VII von Anfang an vorgesehen gewesen, möglichst viele Richterzimmer aus Projekt-Restmitteln zu renovieren. Du hättest bei Veröffentlichung Deines Artikels wissen können, dass bereits im Rahmen des ersten Bauabschnitts aus Projektmitteln drei Richterzimmer von Grund auf (einschließlich der Fußböden und Beleuchtung) instand gesetzt worden waren und in zwei weiteren Richterzimmern bis Mitte Januar 1999 Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollten - die inzwischen abgeschlossen wurden. Außerdem hatte der Projektleiter mehrfach - zuletzt Ende Oktober 1998 im Rahmen der Vorsitzendenbesprechung - angekündigt, das Landgericht werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Möglichkeiten finden, ausreichende Mittel bereitstellen zu können, um im Laufe des Jahres 1999 alle übrigen Richterzimmer im Bereich der Kammern für Handelssachen renovieren zu können; auch dies hättest Du wissen und in Deinem Artikel wenigstens erwähnen können. Allerdings bleibt es auch für mich bitter, dass zwei Kollegen ihre Zimmer in Eigeninitiative renoviert haben, weil die beantragten Mittel seinerzeit noch nicht zur Verfügung standen. Inzwischen ist es sicher, dass wir über ausreichende Finanzmittel verfügen werden, um im Jahre 1999 alle renovierungsbedürftigen KfH-Richter-zimmer streichen zu können; dies verdanken wir der Initiative des Projektleiters TANDEM VII.

Grob verfälschend ist bedauerlicherweise auch Deine Darstellung zu den Umzügen der Richter, insbesondere was die in der Grundbuchhalle belegenen Zimmer betrifft. Dort waren bisher u.a. die Mitglieder der Zivilkammer 23 untergebracht, die sich in dieser Umgebung wohl fühlten und lediglich die relativ weite Entfernung von ihrem TANDEM bedauerten. Und hier kommen wir zu dem Konzept der Neuorganisation, mit dem man zwar nicht einverstanden sein muss, das aber dem Lesepublikum auch nicht hätte verheimlicht werden sollen: Ziel der Neuorganisation ist eine sinnvolle Zuordnung von Richterzimmern und Geschäftsstellen, durch die weite Wege, wie sie jetzt zum Teil noch nötig sind, nach Möglichkeit vermieden werden sollen. Deswegen war es sinnvoll, die Mitglieder der Zivilkammer 23 in Räume umziehen zu lassen, die nahe bei ihrem TANDEM liegen, und andererseits die Zimmer in der Grundbuchhalle, die nahe bei dem neuen TANDEM VII liegen, für Richter aus den Kammern für Handelssachen zu nutzen. Wesentlicher Bestandteil des TANDEM-Konzeptes ist zudem die organisatorische Zusammenfassung der Mitarbeiter des nichtrichterlichen Dienstes zu selbständigen und damit vertretungsfesten Einheiten, in denen sämtliche Funktionen vorhanden sind. Dieses Konzept läßt sich, was 11 Jahre TANDEM-Erfahrung gezeigt haben, sinnvoll nur umsetzen, wenn die Mitarbeiter räumlich in einer mit Zwischentüren verbundenen Zimmerflucht sitzen. Allein aus diesem Grund wurden bisher von Richtern genutzte Zimmer dem TANDEM-Bereich zugeordnet.

Dass wir bei der Möblierung vieler Richterzimmer - nicht nur in den Kammern für Handelssachen - und auch in vielen anderen Bereichen noch immer erheblichen Nachholbedarf haben, ist traurig - das hat aber mit TANDEM VII nichts zu tun. Im übrigen konnten wir allein 1998 im Ziviljustizgebäude in über 20 Richterzimmern die Ausstattung durch Anbringung von Lamellen sowie Ergänzung der Möblierung bis hin zur völligen Neuausstattung erheblich verbessern. Weitere Maßnahmen werden 1999 mit Sicherheit folgen, wovon dann auch – wie von Anfang an geplant - der KfH-Bereich profitieren wird. Soweit es um die Telefonanlage geht, hättest Du allerdings ruhig schreiben können, daß die gesamte Telefonanlage des Landgerichts - ab Mitte 1999 - komplett erneuert werden wird.

Ich würde mich freuen, wenn mit dem Fortgang des Projekts, das jetzt sichtbar Gestalt annimmt, nach dem Ärger auch Deine schale Grundstimmung verflöge. Außerdem fände ich es schön, wenn durch Veröffentlichung dieses Briefes in der nächsten Ausgabe der MHR die von mir genannten Punkte richtiggestellt werden könnten.

Ungeachtet allen Ärgers und Verdrusses grüsse ich Dich in alter Verbundenheit herzlich

Volker Öhlrich

! Anmerkung der Redaktion, die zu den betroffenen Verkehrskreisen gehört:

Weiter so, Herr Vizepräsident! Die Betroffenen begrüßen dem Vernehmen nach die Entwicklung und sehen der Renovierung ihrer Zimmer und der Ausstattung mit zeitgenössischer Möblierung erfreut entgegen. Könnte doch dadurch der Zustand beendet werden, der einen Handelsrichter aus der Unternehmensberaterbranche neulich beim Betreten des mit Büroeiche der Fünfziger eingerichteten Zimmers seines Vorsitzenden angesichts dieses Möbelstils und des rotmarmorierten, selten gereinigten Fußboden zu dem entsetzten Ausruf veranlaßte: "Das ist ja eine ästhetische Körperverletzung!". Wie Richter so sind: Auf Schmerzensgeld wird verzichtet.

(Wie)