(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/98) < home RiV >
Umzug
Die Modernisierung der Verwaltung ergreift derzeit die Kammern für Handelssachen des Landgerichts Hamburg. Beträchtliche Anstrengungen werden unternommen, um den nichtrichterlichen Mitarbeitern eine gedeihliche Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Betrachtet man, mit welcher ärmlichen Ausstattung die Mitarbeiter in den Geschäftsstellen der Kammern für Handelssachen täglich ihr umfangreiches Pensum bewältigen müssen, ist dies auch dringend geboten und findet derzeit seine Umsetzung in umfangreichen Umbauarbeiten im Fritz Schumacher-Gebäude, dem Anbau zum Ziviljustizgebäude von 1928/1932.
Die Räume der Geschäftsstellen, der Rechtspfleger und Kostenbeamten, der Ausfertigung und der Protokollführerinnen werden nach Entfernung einiger Wände gestrichen, mit Teppichboden belegt und mit modernen Büromöbeln einschließlich Hydro-Kultur-Pflanzen und der zeitgemäßen Technik versehen. Die Mitarbeiter erhalten gut ausgestattete Sozialräume.
Dies ist zu begrüßen. Betrüblich ist nur, daß die Richter in dieser schönen neuen Welt nicht vorkommen. Weder für die Renovierung der Richterzimmer noch für deren Ausstattung sind Mittel vorgesehen.
Die Richterzimmer lagen bisher in einem von den "Verkehrswegen" abgelegenen und ruhigen Trakt. Dieser nimmt nun - in renoviertem Zustand - die Räume der nichtrichterlichen Mitarbeiter auf. Die Richter wurden umgesiedelt. Sie übernehmen die Räume der Geschäftstellen und anderer Mitarbeiter in der fröhlich lauten Grundbuchhalle und den vielbegangenen Zwischengängen zwischen Alt- und Neubau. Diese Räume werden in keiner Weise renoviert oder gesäubert.
Recht so: Rechtsfindung soll sich ja nicht im "Elfenbeinturm" - abspielen, sondern mitten im Leben. So kann man nun - genießt man den Vorzug, im Zwischengang zu residieren - den Gesprächen der Mitarbeiter auf dem Wege zum Essen folgen, Wortfetzen ihres Klatsches aufnehmen und sich an ihrem Gekicher und Gelächter freuen oder den Berichten des Publikums über seine Eindrücke vom Prozeßgeschehen folgen. Die Kollegen, die ihre Zimmer in der Grundbuchhalle haben, nehmen hautnah teil am Sitzungsbetrieb und nachmittags an kulturellen Veranstaltungen und Geburtstagsfeiern. Mitten im Leben.
Angesichts des Zustandes der Zimmer hilft nur die ungehemmte Lust an der Arbeit:
Da nehmen sich die Computer in den Richterzimmern geradezu futuristisch aus. Allerdings sind sie natürlich nicht - wie beim nichtrichterlichen Dienst - von Blendschutzvorrichtungen an den Fenstern oder computergerechten Leuchten begleitet. Wozu auch.
Richter - diesen Eindruck haben die Betroffenen der Kammern für Handelssachen gewonnen - spielten bei der Planung des Unternehmens Tandem der Kammern für Handelssachen keine oder nur eine periphere Rolle. Die Projektverantwortlichen bestreiten diese subjektive Sicht entschieden und versuchen mit beruhigenden Meetings die Wogen zu glätten, dies jedoch erst nach heftigen Interventionen und auffälliger Widersetzlichkeit einzelner Vertreter der Dritten Gewalt. So weigerte sich ein Kollege, in das ihm bestimmte Zimmer mit besagten Spinnweben einzuziehen. Ein anderer beantragte eine Nebentätigkeitsgenehmigung für das Streichen des eigenen Zimmers, mit deren Bescheidung eine nicht zu Scherzen aufgelegte Justizbehörde ihre Mühe hatte. Harsche Briefe gingen an die Präsidentin.
Langsam verbraucht sich der Ärger. Was bleibt, ist eine schale Grundstimmung, die dem beabsichtigten Verfassen einer schwungvollen Satire über diese unsere Zustände im Wege steht.
Eine positive Erfahrung gibt es dennoch: Diejenigen Verwaltungsmitarbeiter, die den Umzug organisiert haben, waren aufmerksam, umsichtig und kommunikativ. Sie kamen, um die Organisation zu besprechen, brachten eine ausreichende Zahl von Umzugskartons und plazierten nach einem zuvor erbetenen Einrichtungsplan die Möbel exakt an die bezeichneten Stellen. So erlebt man doch noch freudige Überraschungen beim Landgericht Hamburg.
Karin Wiedemann