(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/98) < home RiV >
Am 1. Januar 1999 tritt nun endgültig das neue Insolvenzrecht in Kraft. Mit der in Deutschland erstmalig eingeführten gerichtlichen Verbraucherinsolvenz kommt auf die Justiz zum Jahreswechsel eine völlig neue Aufgabe zu. Mit welchem Personal, mit welcher Technik und wo soll sie bewältigt werden ?
Der Weg zu neuen Stellen und Sachmitteln für die Justiz war schon immer beschwerlich. In Zeiten extremer Haushaltslücken schien er lange Zeit gänzlich versperrt. Vier Jahre lang hat uns die haushaltsmäßige Umsetzung der Insolvenzreform in Atem gehalten. Jetzt darf eine positive Bilanz gezogen werden, ohne der noch ausstehenden Beschlußfassung durch die Bürgerschaft zum Haushalt 1999 vorgreifen zu wollen. Der vom Senat eigens im Hinblick auf die Insolvenzreform ergänzte Haushaltsplan-Entwurf sieht zusätzliche Personalmittel für insgesamt 50,5 Stellen über alle Funktionsbereiche (9 Richterinnen und Richter, 17 Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, 20,5 Stellen Servicepersonal, 3 Stellen Technik, 1 Stelle Hausdienste) vor. Hinzu kommen Sachmittel für die Anmietung, den Bürobedarf und Investitionen für die erforderliche Technik.
Der Durchbruch zu dieser Etatergänzung ist erst in den Senatsberatungen für den Haushalt 1999 gelungen, die Anfang Juli 98 stattgefunden haben. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die Wächterin der Hamburger Finanzen am Gänsemarkt sich nicht entschließen, den Aufbau des Insolvenzgerichts mit zusätzlichen Mittteln zu ermöglichen. Der dortigen Auffassung, die Justiz müsse dies aus eigener Kraft leisten, konnten wir angesichts der Lage in der Justiz nicht folgen.
Gestartet haben wir den Haushaltsmarathon in Sachen Insolvenz im Herbst 1994, in- dem wir für die folgenden Haushaltsjahre zusätzliche Anwärterstellen für die Ausbildung von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern beantragt haben. Nun war die Insolvenz zwar damals noch in weiter Ferne. Aufgrund der Vorlaufzeit von 3 Jahren für die Ausbildung von zusätzlichen Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern mußte aber unbedingt mit der Einstellung von Anwärtern begonnen werden, um den Aufbau des Insolvenzgerichts zum Winter 1998/1999 nicht zu gefährden. Doch dieser Anlauf hat schon die ersten Hürden des Haushaltsplanaufstellungsverfahren nicht genommen und niemals das Licht der Senats- , geschweige denn der Bürgerschaftsberatungen erblickt. Die Justizbehörde wurde schon im Vorfeld auf den Grundsatz der Bestandsfinanzierung verwiesen, der besagt, daß Veränderungen im Stellenplan zwar jederzeit möglich, hierfür aber an anderer Stelle Einsparungen im Justizetat zu erbringen sind. Wie aber sollte das bewerkstelligt werden ?
Schon 1994 befanden wir uns in der ersten Phase der Haushaltskonsolidierung, die den gesamten Betriebshaushalt betraf, also Personal- und Sachmittel. Das Streichen von Stellen zur Finanzierung der neuen Aufgabe kam nicht in Betracht. Das Problem war damit allerdings nicht vom Tisch. Der Verzicht auf eine Erhöhung der Anwärterzahlen hätte ein klares Defizit im Jahre 1999 bedeutet. Was also tun ? Wir haben alle vorhandenen Anwärterstellen aus allen Bereichen "zusammengekehrt", junge Kolleginnen und Kollegen unabhängig von der sonstigen Bedarfslage eingestellt und dabei vorausgesetzt, daß wir im Jahr 1999 die erforderlichen Planstellen für die Übernahme in den Justizdienst zur Verfügung haben würden.
Zum nächsten Haushalt haben wir den Versuch - wiederum für die Rechtspfleger - erneut gestartet. Das Ergebnis war wiederum negativ. Bilanz: Alles beim Alten, ein vorhandenes Gesetz, ein definierter Zeitpunkt des Inkrafttretens, zusätzliche Bedarfe, aber kein Geld.
Der nächste Haushalt stand vor der Tür, und hier haben wir - nach zweimaligem Scheitern verständlich - unser Verfahren geändert. Wir haben nicht mehr nur Rechtspflegerstellen beantragt, sondern alle zur Finanzierung der Insolvenzreform erforderlichen Bedarfe in einer umfassenden Senatsdrucksache zusammengefaßt und die gesamten organisatorischen und finanziellen Auswirkungen für den Justizbereich dargestellt. Die Ausbildung der Rechtspfleger war ohnehin in vollem Gange, jetzt mußten wir aufs Ganze gehen, immerhin war die zunächst üppig aussehende Vorlaufzeit von 4 Jahren auf nunmehr knapp 1½ Jahre zusammengeschmolzen. Der Senat hat unser Konzept zwar zur Kenntnis genommen, der Haushaltsplan-Entwurf für 1998 aber blieb unverändert. Hierfür gab es mehrere Gründe. Zunächst lag ein Gesamtkonzept nur für den Justiz-, nicht aber für den außergerichtlichen Bereich vor. Hierzu ergingen Aufträge an eine andere Behörde. Auch war die erforderliche Technik noch nicht ausgewählt, die Auswirkungen auf die endgültige Personalausstattung hat. Gleichzeitig regierte aber im Sommer 1997 noch das Prinzip Hoffnung. Hoffnung, daß der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform ein weiteres Mal hinausgeschoben werden würde, Hoffnung, daß inhaltliche Korrekturen bei der Verbraucherinsolvenz (Stichwort Mindestquote) zu einer geringeren Personalausstattung führen würden, Hoffnung, daß durch ein weiteres Reformvorhaben, die nächste zivilgerichtliche Entlastung, Ressourcen noch rechtzeitig freigemacht werden können.
Das Prinzip Hoffnung ist gescheitert. Alle Initiativen zur Veränderung des längst beschlossenen Gesetzes sind letztlich ohne Ergebnis geblieben. In dieser Erkenntnis hat die Justizbehörde im Frühjahr dieses Jahres den vierten Anlauf gestartet, der - endlich - zum Erfolg geführt hat.
Bevor ich zum Schluß komme, hier noch einige wichtige Daten zu dem Konzept:
Bei der Bemessung der Stellenzahl für die Verbraucherinsolvenz sind wir davon ausgegangen, daß 4.000 Verfahren pro Jahr bei Gericht eingehen werden, nachdem die außergerichtliche Einigung durchgeführt, in der Sache aber gescheitert ist. Basis der Bedarfschätzung bilden Annahmen über überschuldete Haushalte, die für Hamburg mit 50.000 angesetzt werden. Die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales erwartet ca. 5.250 Fälle für ihre Schuldnerberatungstellen. Rund 25% dieser Fälle sollen - so die Annahme - im außergerichtlichen Verfahren erledigt werden können. Dann bleiben ca. 4.000 Personen übrig, die nach einem Scheitern dieses Verfahrens das Gericht anrufen werden. Ob die der Personalausstattung zu- grundeliegenden Annahmen zutreffen, soll durch eine von der Justizbehörde geleitete Lenkungsgruppe festgestellt werden, die die Umsetzung der Reform bei den Schuldnerberatungsstellen und beim Gericht begleitet.
Wegen der erst im Laufe des nächsten Jahres anwachsenden Verfahrenswelle wird das Insolvenzgericht am 1. Januar 1999 mit einer zusätzlichen Stellenzahl von 30,5 starten, die zum 1. Juli um weitere 20 aufgestockt wird. Das Insolvenzgericht wird voraussichtlich in zunächst zwei Stockwerken der "Alstercity", in der Weidestraße seine Arbeit aufnehmen. Die Liegenschaftsverwaltung der Finanzbehörde hat den Mietvertrag unterschrieben. Sämtliche Arbeitsplätze sollen mit der in Nordrhein-Westfalen speziell für das neue Insolvenzrecht entwickelten Software IT-InsO ausgestattet werden. Die entsprechenden Verträge sind geschlossen.
Soviel zum Haushaltsmarathon in Sachen Insolvenz aus Sicht der Justizbehörde. Wie viele Vermerke, Konzepte, Beratungen und Sitzungen es in den letzten vier Jahren gegeben hat, läßt sich nur erahnen. Doch am Ende zählt nur das Ergebnis. Und das kann sich sehen lassen.
Monika Nöhre