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Das Ende einer Kampagne -

oder: Wie Hamburger Medien ein Nichts zum "Fall Makowka" aufzublasen wußten

 

1. Die Hamburger BILD-Zeitung vom 28. April 1997 erscheint mit einem Photo, das dort schon zehn Jahre im Archiv gelegen hatte: des Hamburger Landgerichtspräsiden-ten mit seiner Tochter Barbara (auf einem Juristenball im Atlantik): eine eigentlich reizende, ja rührende Szene, wenn, ja wenn nicht beider Augenpartien durch schmale schwarze Balken unkenntlich gemacht gewesen wären: "Achtung Steckbrief, dringender Tatverdacht!".

So dann auch der Text:

"Skandal in der Justizbehörde ... Verriet Staatsanwältin Polizei-Razzia? ... Hamburgs Justiz im Zwielicht: Hat eine Staatsanwältin geheime Kripo-Ermittlungen verraten, damit die Tochter von Ex-Landgerichtspräsident Roland Makowka vor einem peinlichen Gerichtsverfahren geschützt wurde? ... Was macht die Tochter in der Betrüger-Firma? ... Was geschah nach dem Anruf der Staatsanwältin? Die Präsidenten-
tochter kündigte ihren Job. Die Kripo rückte zur Durchsuchung in der Firma ein. Die Razzia wurde ein Schlag ins Wasser ... Und der Justizsenator hat ein Problem ...". Dunkel-suggestives Munkeln, viele Fragezeichen: so gesetzt, damit sie sich im Kopf des Lesers von selbst in empörte Ausrufungszeichen verwandeln.

Am nächsten Tag setzt das Hamburger Abendblatt nach: schludrig, aber mit Ausschmückungen und pikanten Details, um dann am nächsten Tage zu titeln: "Der Fall Makowka: Vorwurf wird geklärt - Staatsanwaltschaft leitet erste Schritte ein." ...

Das Gerücht dringt über Hamburg hinaus. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 2. Mai 1997 zu einem schönen Hamburg-Bild (Rathaus, Alster):

"NACH DEM HAMBURGER Polizei-
nun ein Justizskandal? ...".

Was darüber an Informationsbrocken, Gerüchten, Verdächtigungen und freier Phantasie auf dem Markt herumgeistert, geht zurück auf eine Quelle: Thomas Wüppesahl, ehemals Grüner, früherer Bundestags-abgeordneter, Mitbegründer der "Arbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten", auf einen (lt. SZ vom 02.05.97:) "anstrengenden Mann, einen, der immer ein Haar in der Suppe findet ..." - was hier wohl eine freundliche Umschreibung des Begriffs Querulant ist.

Barbara Makowka setzt gegen den Axel-Springer-Verlag (Hamburger Abendblatt, Welt und Bild) etliche Gegendarstellungen durch, aber die Sache wird schon bald anläßlich einer Fragestunde der Bürgerschaft am 22. Mai 1997 publizistisch noch einmal hochgekocht, wobei die Hamburger Morgenpost einem Archivbild Roland Makowkas (diesmal ohne Augenbalken!) die düstere Zeile "Im Zwielicht - Ex-Landgerichtspräsident Makowka" unterlegt.

Die Hamburger Justizbehörde kann sich nicht entschließen, diese (von Wüppesahl nur wieder aufgewärmte, durch Einstellungsverfügung der StA Hamburg vom 30.09.1996 bereits negativ beschiedene) Sache kurz und bündig abzutun. Also wird ermittelt - formell gegen die Hamburger Oberstaatsanwältin Barbara Korth und einen Kriminalbeamten, wobei sich das öffentliche Interesse allerdings an Roland Makowka und seiner Tochter festkrallt. ...

Seit Februar 1998 ist die Sache nun endlich beschieden, eingestellt, erledigt und als das entlarvt, was jeder Kundige, dem sie je zu Ohren gedrungen war, von Anfang an dringlich vermuten mußte: Konfabulationen eines verqueren, von zwanghaftem Mißtrauen erfüllten Kopfes ..., wobei man dann allerdings noch darüber spekulieren mag, welche Interessen diverse Hamburger Zeitungen bewogen haben mögen, sich an Gerüchten und Spekulationen zu wärmen, von denen zuvor FOCUS, dessen Redaktion der gleiche Kram (vermutlich von Wüppesahl) angedient worden war, wegen offensichtlicher Unseriösität des Materials die Hände gelassen hatte.

2. Soll man davon überhaupt wieder sprechen und alten Stuß aufwärmen? Der Mensch, reiz- und informationsüberflutet, wie er ist, vergißt ja schnell: Wem von meinen Leserinnen und Lesern stehen - Hand aufs Herz! - die einschlägigen Berichte und Gerüchte von damals jetzt, nach gehabter Lektüre bis hierher, wieder vor Augen? Niemandem, wie ich wette, was dafür spricht, Ruhe zu geben und keine weiteren Worte zu machen. Dennoch hat die Medaille zwei Seiten: Etwas bleibt, wie schon die alten Römer sehr gut wußten ("Semper aliquid haeret"), immer hängen, und sei es nur im Labyrinth des Unterbewußten, als ein diffuses Gefühl: "... aber irgend etwas war ja doch faul beim Makowka, irgendwas ...!".

Aber es war nur die Kampagne selbst, sie und sonst nichts, die es verdient, als faulig und skandalös im bewußten und unterbewußten Gedächtnis verankert zu bleiben. Roland Makowka indessen hat einen Anspruch darauf, daß jedweder Verdacht gegen ihn (und alle anderen Beteiligten, die Wüppesahl mit zwanghaftem Argwohn überzogen hatte) aus den Köpfen verschwindet. Deshalb also, und weil die oben wiedergegebenen Bruchstücke eines Berichts noch der Zusammenfügung bedürfen, sei kurz und bündig dies hinzugesetzt:

3. Im März 1994 hatte Makowkas 26jährige Tochter Barbara ihr Examen als internationale Betriebswirtin gemacht und im Juli Anstellung bei einer Hamburger Warenterminsfirma gefunden. So froh der Vater war, daß sie einen Arbeitsplatz hatte, so sehr war er mit - in der Folgezeit wachsender - Skepsis erfüllt, ob das konkrete Genre wohl das richtige sei. Die Sorgen wurden dringlicher, als er von seiner Barbara erfuhr, daß die Bremer Staatsanwaltschaft gegen die dortige Niederlassung wegen Betruges ermittelte und im April 1995 Anklage gegen die Geschäftsführer erhoben hatte. Nun war ihm noch mehr als schon zuvor daran gelegen, seine Tochter zu bewegen, ihre Stellung aufzugeben. Damit stieß er aber auf taube Ohren: In der Hamburger Firma sei alles korrekt, suchte sie ihn - selbst bona fide - zu beruhigen und bestand darauf, ihrem eigenen Kopf zu folgen.

Im Mai 1995 erzählte Makowka Frau Oberstaatsanwältin Korth (anläßlich eines Kontakts, der durch Auslandsbesuch veranlaßt war) von den Sorgen und Nöten, mit denen er sich seiner Tochter wegen herumquälte. Kraft ihrer Erfahrung als ehemalige Referentin im Wirtschaftsdezernat bestärkte sie ihn in seiner Skepsis und erbot sich, über einen ihr bekannten Kripobeamten festzustellen, ob die fragliche Hamburger Warenterminsfirma dem LKA schon negativ aufgefallen sei. Dort erhielt sie dann allerdings nur Hinweise auf die Ermittlungen gegen die Bremer Schwesterfirma. Dem Vater gelang es schließlich (durch Vermittlung Dritter) die Zusage seiner Tochter zu erwirken, nach ihrer für den August 1995 geplanten Heirat bei der Warenterminsfirma Schluß zu machen (was zum 31.12.95 kraft Kündigung von Arbeitgeberseite auch geschah).

Am 28.11.1995 wurde die Hamburger Firma polizeilich durchsucht, wobei umfangreiches Beweismaterial (insgesamt 40 Umzugs-kartons) sichergestellt wurde.

4. Dieses sozusagen magische (oder meinetwegen tragische) Dreieck: "unbeschwert/naives Kind - sorgenzerquälter Vater - dubioser Arbeitgeber" braucht nur an den Ecken etwas gedreht und verbogen zu werden, und schon ist’s ein süffiger Skandal - in der Lesart Wüppesahls:

Der Landgerichtspräsident, über dessen Schreibtisch eine Aktenanforderung der Kripo läuft (dazu Hamburger Abendblatt vom 29.04.1997), wittert Gefahr für die Firma, in der die Tochter arbeitet, bringt mit Hilfe einer Staatsanwältin (die sich von ihm dazu einspannen läßt) von der Kripo (die eigentlich darüber schweigen muß) in Erfahrung, daß eine Durchsuchung der Firma bevorsteht, läßt diese vermittels seiner Tochter (die mit dem Geschäftsführer "zusammenlebt": eine Falschinformation pikanter Art, wie sie heutzutage offenbar dazugehört!) warnen, mit der Folge, "daß die Razzia ein Schlag ins Wasser wird" (BILD vom 28.04.1997) und zieht seine Tochter dann vorsichtshalber aus der Firma ab ...

Man kann das lang oder kurz kommentieren. Machen wir’s schnell ab: Der Witz der Story soll die kraft Amtsmißbrauchs im Effekt vereitelte Durchsuchung der Hamburger Firma gewesen sein. Die aber hat stattgefunden, von niemandem behindert oder konterkariert, und zwar höchst erfolgreich, indem sie zur Sicherstellung von Beweismaterial in ganz ungewöhnlicher Menge führte. ...

Damit stürzt das ganze Gebäude wilder und bösartiger (nota bene: selbst wenn Makowka "Dienstgeheimnisse" über die Arbeitgeberin seiner Tochter in Erfahrung gebracht hätte, wäre er dazu berechtigt, auch das Handeln anderer also keineswegs "unbefugt" gewesen!) Spekulation in sich zusammen, und übrig bleibt eine private Familiengeschichte - mit familiären, väterlichen Sorgen und Nöten, freundlichem Zuspruch und guten Ratschlägen. ...

Die Story verdient also nichts besseres, als samt Urhebern in stummer Vergessenheit zu verschwinden - allerdings nicht spurlos. Aber diese Spur gehört nicht ins Gewaber des Unterbewußten, sondern in alle Klarheit:

Niemand auf dieser Erde ist dagegen gefeit, zum Skandal gemacht zu werden (in bürgerlicher Behäbigkeit heißt es schon in Schillers Wilhelm Tell: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt": aber damals gab es noch keine Massenmedien!). Dieser künstlich produzierte Skandal kann, wie hier, leicht zum Dschungel werden: Welche - politischen und journalistischen (ob die Leute dort fm, au, jb oder sonstwie heißen) - Kräfte an welchen Strippen ziehen und weshalb: ob überhaupt rationale Absichten und Interessen verfolgt werden, durchschaut bald keiner mehr. Da niemand etwas Genaues weiß (und das Vorschützen von Unwissenheit überdies opportun sein kann), muß ermittelt werden, lege artis, und das braucht seine Zeit. ... so waren uns, der Redaktion der MHR, bislang die Hände gebunden: Denn kann und darf man, des Herzens Triebe folgend, einfach dazwischenrufen: "alles Unfug!"? Schwerlich, wo wir doch selbst die Nase zu rümpfen pflegen, wenn sonst in laufende Ermittlungen hineingeredet oder gar -regiert wird. Das mußte also wohl selbst hier gelten, wo die Recherchen sich quälend lange hingezogen haben.

5. Nun aber ist der Schlußpunkt endlich gesetzt, die überfällige Stunde zur Rehabilitierung unseres Ehrenvorsitzenden und aller anderen so mies Verleumdeten gekommen. ...

Ist gegen derlei Machenschaften zunächst einmal kein Kraut gewachsen, vor ihnen keiner sicher: heute nicht und morgen ebensowenig, so ist es dann aber das Mindeste, nicht länger als unvermeidlich das alles mit duldendem Schweigen hinzunehmen, sondern die Zähne zu zeigen, den Spieß umzukehren und die üblen Nachredner vor aller Welt an den Pranger zu stellen.

So endete dieser Beitrag für die Sommerausgabe der MHR: Bis mir dann - etwas verspätet - das Hamburger Abendblatt vom 22. Mai unter die Augen kam mit dem Artikel Bettina Mittelachers:

"Die Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen",

der - als Textumrahmung - ein Bild (ohne Augenbalken diesmal!) des bis dato Verfemten umschließt, unterschrieben mit:

"Völlig rehabilitiert:
Ex-Landgerichtspräsident Roland Makowka".

Auch dort läßt sich nunmehr alles Nötige nachlesen. Die Korrespondentin, die selbst an der schäbigen Kampagne niemals beteiligt gewesen war, hat mit dem Akt der Wiedergutmachung zugleich ihrer Zeitung einen großen Dienst erwiesen, da man vom Hamburger Abendblatt nun ganz zum Schluß immerhin versöhnlich berichten kann, es habe sich (bislang m.E. als einzige Hamburger Zeitung) wegen einer groben Fehlleistung - jedenfalls konkludent und tätig - entschuldigt.

Günter Bertram