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Deutscher Richterbund

Der Deutsche Richterbund hat zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Präsidialverfassung der Gerichte (BR-Drucks. 97/98) Stellung genommen, die ich bei der Anhörung vor dem Rechtsausschuß der Bürgerschaft am 04.06.1998 für den Hamburgischen Richterverein vertreten habe.

Die Stellungnahme lautet wie folgt:

I.

Der Deutsche Richterbund verschließt sich Überlegungen zu einer Reform der geltenden Präsidialverfassung der Gerichte nicht, wenngleich sie rechtspolitisch nicht vordringlich ist. Die Arbeit der Präsidien gibt nach Überzeugung des Deutschen Richterbundes jedenfalls keinerlei Anlaß zu grundsätzlicher Kritik. Insoweit befremdet zumindest die zur Begründung für die vorgebliche Notwendigkeit einer Reform bemühte Formulierung vom "Abbau überkommener Privilegien". Schlechterdings nicht nachvollziehbar ist die hinsichtlich der Zielsetzung des Entwurfs ebenfalls aufgestellte Behauptung, "der Entwurf mobilisiere Binnenressourcen innerhalb der Justiz" und führe so "zu einer Entlastung der Gerichte im Bereich der Rechtsprechung."

II.

Zu den Vorschlägen des Entwurfs im einzelnen:

  1. Der Deutsche Richterbund befürwortet es, daß für die Gerichtspräsidien künftig ein Quorum der Vorsitzenden nicht mehr vorgegeben sein soll. Die Mitglieder des Präsidiums sind vielmehr ohne Beschränkungen aus dem Kreis aller planmäßigen Kolleginnen und Kollegen des Gerichts zu wählen. Sicher sind in den Präsidien auch Berufserfahrung und besondere Kenntnisse in der Zusammensetzung des Gerichts erforderlich. Soweit einschlägige Kompetenzen eher bei Vorsitzenden Richterinnen/Richtern liegen sollten, werden sich diese kraft ihrer Persönlichkeit auch durchsetzen.
  2. Die im Gesetzesantrag vorgesehene Möglichkeit, in § 21 b Abs. 3 GVG eine "Öffnungsklausel" einzufügen, die es dem Landesrecht überläßt, das Verhältniswahlsystem einzuführen, wird abgelehnt. Nach Auffassung des Deutschen Richterbundes bedarf es bei der Präsidiumswahl keines Minderheitenschutzes. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Interessenvertretung o.ä. sollen bei der Besetzung der Gerichtspräsidien gerade keine Rolle spielen. Es geht ausschließlich um die objektive Eignung der Kandidatinnen und Kandidaten für ihre Tätigkeit im Präsidium. An der nach geltendem Recht vorgegebenen Persönlichkeitswahl ist demnach festzuhalten.
  3. In Übereinstimmung mit dem Gesetzesantrag erachtet es auch der Deutsche Richterbund für sachlich geboten, vor Beschlußfassung über die Geschäftsverteilung allen Kolleginnen und Kollegen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Desgleichen ist es ein Gebot der Fairneß, bei Änderungen allen Richterinnen und Richtern, deren Spruchkörper oder Dezernate davon berührt werden, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.
  4. Der Deutsche Richterbund ist weiterhin der Auffassung, daß bei Freistellungen für Aufgaben der Justizverwaltung das Präsidium die jeweiligen Quoten der Freistellung beschließen muß. Dagegen erscheint es nicht sachgerecht, die Präsidentinnen/Präsi-denten und aufsichtführenden Richterinnen/Richter in ihrer Funktion als für die Verwaltung des Gerichts Verantwortliche bei der Auswahl der für Aufgaben der Justizverwaltung teilweise freigestellten Kolleginnen/Kollegen zu binden.
  5. Die vorgeschlagene Regelung, daß bei Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums die Richterinnen/Richter des Gerichts zugegen sein können und lediglich entsprechend § 171 b GVG diese Öffentlichkeit im Einzelfall ausgeschlossen werden kann, hält der Deutsche Richterbund nicht für sachgerecht. In den Präsidien sind nicht nur vereinzelt, sondern fortwährend Umstände zu erörtern, die die persönliche Sphäre der Kolleginnen und Kollegen betreffen. Deshalb erscheint es nicht angemessen, die Richteröffentlichkeit der Präsidiumssitzungen gänzlich vorzusehen. Vielmehr muß es dem Ermessen des Präsidiums vorbehalten bleiben, Präsidiumssitzungen ganz oder teilweise richteröffentlich durchzuführen.
  6. Der Entwurf enthält schließlich den Vorschlag, daß innerhalb der mit mehreren Richterinnen/Richtern besetzten Spruch-körper die Geschäfte durch Beschluß aller Mitglieder des Spruchkörpers auf diese verteilt werden und daß bei Stimmengleichheit das Präsidium entscheidet. Dieser Vorschlag geht in die richtige Richtung. Die Arbeit ist gemeinsam zu erledigen, über ihre Verteilung ist deshalb auch gemeinschaftlich zu entscheiden. Der Deutsche Richterbund tritt bereits seit langem für eine entsprechende Änderung des § 21 g GVG ein (vgl. DRiZ 1985, 228). Er schlägt diesbezüglich eine Regelung folgenden Wortlauts vor: "Die Mitglieder des Spruchkörpers beschließen vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder an den Verfahren mitwirken; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Ein überstimmtes Mitglied des Spruchkörpers kann auf Entscheidung des Präsidiums antragen."

Heiko Raabe