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Editorial

Ein umfangreiches MHR-Heft liegt vor Ihnen. Der Sommerurlaub ist die rechte Zeit, das alltägliche Getriebe mit dem gebührenden Abstand zu betrachten und dabei MHR 2/98 zur Hand zu nehmen - im Strandkorb, im beschaulichen Kahn oder unter einem Apfelbaum.

Machen Sie eine Reise nach China, gehen Sie zum Sommerfest des Fürsorgevereins oder staunen Sie, wie heftig es sich über Justizreform streiten läßt. Öffentliche Diskussionen über die Justiz sind nichts Ungewöhnliches. Zu bemerken ist aber, daß in letzter Zeit Ton und Niveau nicht mehr die gewohnte hanseatische Präsung aufweisen. Man legt einander den Rücktritt nahe. Es wird von "Termiten" gesprochen.

Auch "Justiz 2000" gibt Anlaß zum Disput. MHR nimmt die Debatte auf. Der Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins sprach anläßlich der diesjährigen Mitgliederversammlung die Hoffnung aus, daß Richter von ihrer Unabhängigkeit Gebrauch machen und nicht abducken, Mut beweisen, sich nicht anpassen, im besten Sinne standhaft sind. Nun denn, diesem Wunsche kommen die Autoren der MHR nach und machen schreibend Gebrauch von ihrer Meinungsfreiheit.

Der/die geneigte Leser/in könnte den Sommer auch dazu nutzen, über die angebliche Äußerung eines Hamburger Parlamentariers nachzusinnen, wonach die Probleme der Justiz durch eine "verringerte Bearbeitungstiefe" gelöst werden könnten. Mir geht dieser Vorschlag nicht mehr aus dem Kopf. Was mag der Mann wohl meinen? Eigentlich würde ich gerne in die Bibliothek gehen, nagende Zweifel klären - aber ist mir diese Bearbeitungstiefe noch erlaubt? Höhle ich gar das betriebswirtschaftliche Gebäude der Justizreform aus?

Sicher war es nur ein Mitverständnis. Lassen wir diese bohrenden Frage ungeklärt. Verbringen wir erholsame Ferientage! Im Herbst geht es weiter. Bestimmt.

Ihre

 

Karin Wiedemann