(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/97) < home RiV >

Die Koalitionsvereinbarung

Vor Bekanntwerden der Rückkehr von Frau Peschel-Gutzeit als Justizsenatorin schlossen SPD und GAL ihre Koalitionsvereinbarung. Diese wurde in der Presse nur auszugsweise veröffentlicht. Hier der volle Wortlaut des die Justiz betreffenden Teils (Nr. 5.2):

5.2 Justiz

Die Koalitionspartner sind sich einig, daß die Justiz ihren Aufgaben als dritte Gewalt zügig und bürgerfreundlich nachkommen muß. Dazu sind Aufgaben und Bearbeitung in Teilbereichen zu überprüfen.

5.2.1

Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen wird Hamburg im Bundesrat eintreten für:

5.2.2

Die Rechte von Opfern in Zivil- und Strafrecht sollen gestärkt werden. Die Verbesserung des Zeuginnen- und Zeugenschutzes durch Einrichtung von Schutzzimmern für ZeugInnen wird unter Einbeziehung der bisher schon vorhandenen Möglichkeiten angestrebt.

5.2.3

Die Koalitionspartner stimmen überein, daß die Justiz den wachsenden Aufgaben auch in Zeiten knapper Ressourcen zügig nachkommen muß. Der Modernisierungsprozeß bei Gerichten und Staatsanwaltschaft wird mit Nachdruck fortgesetzt. Dazu gehören das Projekt "Justiz 2000", die Modernisierung der Staatsanwaltschaft durch räumliche Zusammenlegung und Verbesserung der Abläufe mit IuK-Technik sowie die Umsetzung der geplanten Binnengliederung des Amtsgerichts Hamburg-Mitte. Möglichkeiten der Zusammenführung der Justizkasse mit anderen öffentlichen Kassen sollen nach einer Verbesserung der Arbeitsweise geprüft werden.

5.2.4

Die Koalitionspartner bekräftigen, daß Hamburg seinen fortschrittlichen und humanen Strafvollzug auch unter den veränderten Bedingungen beispielsweise im Hinblick auf Drogengebrauch und neue Gewaltstrukturen in Strafanstalten fortführen will. Dazu wird die Modernisierung der Verwaltung im Strafvollzug fortgesetzt. Dies schließt eine eigenständigere Wirtschaftsführung der Betriebe und Leistungsanreize für die dort tätigen Gefangenen ein. Das Programm zur Renovierung der Justizvollzugsanstalten wird weitergeführt, dabei ist eine wegen der stark veränderten Belegungsstruktur notwendige Differenzierung (z.B. Schaffung drogenfreier Stationen, verstärkte Rückzugsmöglichkeiten für gefährdete Gefangene, gesonderte Unterbringung für gefährliche Gefangene, Abbau der Saalunterbringung, Abteilung Sexualstraftäter Nesselstraße) zu beachten. Das Substitionsprogramm wird im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten ausgeweitet. Das Pilotprojekt Spritzentausch wird zügig ausgewertet.

5.2.5

Die medizinische Versorgung der Gefangenen soll einer umfassenden Prüfung unterzogen werden.

5.2.6

Der wachsende Anteil nichtdeutscher Gefangener soll nicht nur von deutschen Bediensteten betreut werden. Die Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nichtdeutscher Herkunft wird deshalb angestrebt. Die Aus- und Fortbildung ist den veränderten Anforderungen anzupassen.

5.2.7

Die JVA Vierlande (XII) wird nach dem in der Finanzplanung festgesetzten Zeitplan in einen Neubau in Billwerder verlagert.

Mit den Punkten 1 bis 3 dieser Koalitionsvereinbarung werden ganz überwiegend Forderungen wiederholt, über die sich Senat und Bürgerschaft schon in der letzten Legislaturperiode einig waren, wie die - verständlicherweise wesentlich umfangreicheren - Bürgerschaftsdrucksachen gerade aus der letzten Zeit zeigen: Stellungnahme des Senats vom 23.09.97 auf ein Ersuchen der Bürgerschaft (Drucksache 15/8064) und der 66seitige Bericht der Justizbehörde zu den Zielen und zum Stand des Projekts "Justiz 2000" (Anlage zur Stellungnahme des Senats vom 05.08.97, Drucksache 15/7871).

Allerdings hat der Senat in der Stellungnahme vom 23.09.97 mitgeteilt, Hamburg werde von der im Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens vorgesehenen Ermächtigung, für Nachbarrechtsstreitigkeiten ein obligatorisches außergerichtliches Güteverfahren vorzusehen, zunächst keinen Gebrauch machen. Dies dürfte nun wieder zur politischen Diskussion stehen.

Der zur Prüfung gestellte "Gerichtsmanager" ist begrifflich ein Blankett. Bei entsprechender Begriffsinterpretation gibt es ihn schon lange. Die Frage ist vielmehr, wie der bisherige Geschäftsleiter künftig ausgestaltet sein soll (vgl. dazu die Kontroverse zwischen Hoffmann-Riem und Leeb in DRiZ 1997, 290 ff., 287 ff.).

Mit der "geplanten Binnengliederung des Amtsgerichts Hamburg-Mitte" dürfte die im o.g. Bericht, S. 24, beschriebene "Segmen-tierung" des Amtsgerichts in überschaubare Einheiten (z.B. Familiengericht, Insolvenzgericht, Registergericht, Vormundschaftsgericht) mit jeweils eigener Budgetverantwortung gemeint sein. Ob die von mir in MHR 1/97, S. 12, kritisierte Verteilung auf verschiedene Gebäude weiterverfolgt wird, wird dort nicht erwähnt.

Wolfgang Hirth