(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/97) < home RiV >

Initiative für einen
Gedankenaustausch
mit der Polizei

Am 15. August 1997 fand auf Einladung unseres Vorsitzenden ein Gespräch mit dem Polizeipräsidenten und Mitarbeitern des LKA statt, in dem - auch mit Blick auf einige sehr kritische Äußerungen von Polizeibeamten über die Arbeit der Strafrichter und umgekehrt von Strafrichtern über die Arbeit der Polizei in der jüngeren Vergangenheit - ausgelotet werden sollte, ob und gegebenenfalls in welchen Schwerpunkten ein Bedarf und eine Bereitschaft für Gespräche besteht, die einerseits die Möglichkeit zur Kritik und andererseits die Chance eröffnen, das wechselseitige Verständnis für die eigene Arbeit zu verbessern. In dem erfreulich offen und sachlich geführten Gespräch wurden die Bruchstellen, an denen es zu Verständnisdefiziten kommt, sehr rasch deutlich:

Polizeibeamte sehen sich durch die Strafgerichte nicht selten um den Erfolg ihrer mit großem Einsatz geleisteten Aufklärungsarbeit gebracht, weil es trotz eines aus ihrer Sicht "dichten" Ermittlungsergebnisses nicht zu einer Verurteilung kommt; dem war aus der strafrichterlichen Sicht entgegenzuhalten, daß diese Einschätzung in aller Regel unrichtig ist, weil die Tatsachenfeststellung in der Hauptverhandlung sich nach anderen Regeln vollzieht als die Ermittlungsarbeit der Polizei und deswegen - um mit den Worten unseres Vorsitzenden zu sprechen - "ein sorgfältig errichtetes Ermittlungsgebäude in der Hauptverhandlung zerfließen kann wie Butter an der Sonne." Ein zweiter wesentlicher Diskussionspunkt war die Behandlung von Polizeibeamten als Zeugen in der Hauptverhandlung. Dabei wurde von seiten der Gesprächsteilnehmer aus der Polizei nicht bemängelt, daß Polizeibeamte hart und kritisch befragt würden; eine Grenze sei jedoch beispielsweise dann überschritten, wenn Verteidiger von der Befragung zu Formalbeleidigungen übergingen und die jeweiligen Vorsitzenden auch dann nicht einschritten. Aus strafrichterlicher Sicht war dem entgegenzuhalten, daß die StPO den Verfahrensbeteiligten, und damit vor allem den Verteidigern, sehr weitgehende Fragerechte gibt und es deswegen vorkommen kann, daß Zeugen - und zwar nicht nur Polizeibeamte - eine strafprozessual zulässige und inhaltlich noch korrekte Befragung persönlich als unzumutbare Zumutung empfinden, daß aber andererseits dort eine Grenze gezogen werden müsse, wo es zu persönlichen Beleidigungen komme.

Als Ergebnis des Gesprächs läßt sich folgendes festhalten:

Auf seiten der Polizei besteht ein großes Interesse daran, von seiten der Strafgerichte sehr viel stärker als bisher - und vor allem für die jüngeren Beamten - kontinuierlich über die Gründe für die oft unterschiedliche Bewertung von Ermittlungsergebnissen durch Polizei und Gerichte informiert zu werden. Als ein besonders geeignetes Forum für solche Informationen bietet sich die Landespolizeischule an, wo bereits jetzt einige Strafrichter entsprechende Veranstaltungen abhalten; es wäre jedoch sehr erwünscht, wenn wesentlich mehr Kolleginnen und Kollegen als bisher sich zur Durchführung solcher Informationsveranstaltungen bereit erklärten. In dem Zusammenhang mit der Diskussion um die Bewertung von Ermittlungsergebnissen wiesen die Gesprächsteilnehmer aus der Polizei im übrigen darauf hin, sie würden in der Regel nicht darüber informiert, ob ein Gericht in seiner Entscheidung Ermittlungsfehler feststelle, und es deswegen nicht zu einer Verurteilung komme; dies sei vor allem unter dem Gesichtspunkt der Qualitätskontrolle der Polizeiarbeit mißlich.

Ein weiteres Gesprächsergebnis war, daß das wechselseitige Verständnis zwischen Strafgerichten und Polizei sowohl in bezug auf die unterschiedliche Funktion und Arbeitsweise als auch im Hinblick auf den Umgang miteinander, vor allem in der Hauptverhandlung, deutlich verbesserungsfähig ist. Weil solche Verbesserungen am besten im informellen Gespräch unter den Beteiligten zu erreichen sind, bietet es sich an zu versuchen, entsprechende Gesprächsrunden - gegebenenfalls auch unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft - zusammenzubringen. Ein erster Versuch soll auf Anregung der Gesprächsteilnehmer aus der Polizei im Bereich der BtM-Kammern des Landgerichts gestartet werden.

Ansprechpartner: Kai-Volker Öhlrich, GS 23, Tel.: 9.43.2241 oder Hermann Harms, GS 24, Tel.: 9.43.3747.

Kai-Volker Öhlrich