Das ist der Stoff, aus dem Sommertheater gemacht wird: Den Schauplatz
bietet eine kleine Stadt am Rande Hamburgs. Als Hauptdarsteller sehen wir
zwei nicht ganz gertenschlanke Herren, beide Mitglieder einer großen
Volkspartei, und eine kämpferische Hundehalterin. Reichlich vorhanden
sind Nachbarn und Anlieger als Statisten, ratlose Rathausmitarbeiter und
ein Forstamt.
1. Akt
Worin ein Birkenwäldchen einen Pächter findet und zu Ehren
kommt
Eigentum macht frei - Wohnungseigentum allein macht noch nicht glücklich,
fand Ratsherr Hans Hase, als er erfuhr, das an seine Terrasse grenzende
Birkenwäldchen sei zu verpachten. Er griff zu. Ungestörtes Gartenleben,
Vogelsang und ein Stückchen Natur für sich und seinen Hund (Boxer,
weiblich), so dachte er. Er legte einen Waldrand an und bepflanzte diesen
unter Mithilfe seiner Freunde aus der großen Volkspartei, die viel
Spaß bei ihrem Pflanzhappening hatten.
Das Glück wäre vollkommen gewesen, hätte nicht im selben
Hause unter’m Dach das Vorstandsmitglied derselben großen Volkspartei,
Rechtsanwalt Gisbert Gans residiert - Halter von zwei kläffenden Kleinhunden
Marke Sheltie und Reiter mit Stallmist an den samstäglichen Stiefeln.
Seine Stunde sollte noch kommen.....
Das Birkenwäldchen hatte noch andere Liebhaber als Hans Hase,
führte doch der direkte Weg zwischen einem gepflegt bürgerlichen
Wohngebiet und der morgendlich zu besuchenden Hundewiese just durch die
Idylle des Birkenwäldchens. Nicht daß Hunde und Herrchen, bzw.
Frauchen, das Wäldchen zügig durchquert hätten - nein. Die
Hunde setzten Haufen. Sie jagten Kaninchen - oder gar Hasen - auf die schon
bekannte Terrasse oder jedenfalls kurz daran vorbei. Die Menschen trampelten
Pfade durch Neuanpflanzungen, sie ließen stehen und liegen, was sie
bei sich hatten oder extra mitbrachten, zerstörten liebevoll getöpferte
Waldschrate. Und natürlich lärmten ihre Kinder auf der Straße
vor dem Haus.
Hans Hase ist nicht der Charakter, der Haus und Hof ungerührt
als Schuttplatz und Hundeklo mißbrauchen läßt. Fiat iustitia,
et pereat mundus. Er ließ einen Zaun um das beliebte Wäldchen
ziehen, 150 cm hoch. Natürlich geschah das nicht folgenlos. Zum Ende
des ersten Aktes ziehen deswegen deutlich dunkle Wolken am Rechtshimmel
über der kleinen Stadt auf.
2. Akt
Worin wir unsere Kenntnisse des Deutschen Waldrechtes auffrischen können
und von einer eklatanten Rechtsverletzung erfahren, die an die staatliche
Ordnung rührt.
Hundehalter kämpfen nicht für sich, sondern für ihre
Lieblinge. Sie sind deswegen - wie engagierte Eltern - zu jedem altruistischen
Einsatz für das Gute und (Un)Rechte bereit. So auch die stadtbekannte
Leiterin des Feuerwehr-Kasperle-Theaters, die Sheltie-Halterin, Maxi Maus.
Maxi, von der nicht bekannt ist, ob sie eine Rechtsschutzversicherung unterhält,
ging zum Anwalt. Was lag näher, als Gisbert Gans aufzusuchen, Hases
Intimfeind und Parteifreund? Dieser entzog vorübergehend Pferd und
Hunden einen Teil seiner Freizeit, sammelte Unterschriften der Anwohner
(120!) und warf sich auf das Studium des Waldrechtes. Den Extrakt seiner
Bemühungen kleidete er in der Einwohnerfragestunde der Ratsversammlung
dieser unserer kleinen Stadt in ein flammendes Statement für die Rechte
des freien Bürgers in einem freien Land auf freien Waldzugang. Hierin
betonte er - auch für den müdesten Zeitungsredakteur nachvollziehbar
- daß es sich bei dem bösen Rechtsbrecher um einen - ehemaligen
- Stadtrat der besagten großen Volkspartei handele.
Die effektive Verwaltung der kleinen Stadt zog sich aus der Affäre
und meinte, man könne ruhig einen Zaun ziehen, solange dabei nicht
das Waldgesetz verletzt werde....
Der kommunale Blätterwald begann zu rauschen. Tag für Tag
neue Enthüllungen, Drohungen, Vergleichsangebote, brüske Ablehnungen
wurden zum Thema des jeweiligen Tages. Das ganze Arsenal des klassischen
Nachbarstreits fuhren die Waldliebhaber auf. Presseerklärungen und
Leserbriefe erfreuten das staunende Publikum. Die große Volkspartei
- leicht irritiert davon, vollkommen unschuldig immer wieder in den Streit
gezogen zu werden und von anderen Mitgliedern bedrängt, doch solche
unglaublichen Angriffe auf das Eigentumsrecht, wie sie Gisbert Gans und
seine Klientel begingen, nicht zu unterstützen - distanzierte sich
von beiden Parteien und erklärte kühl, es handle sich um einen
privaten Nachbarstreit, mit dem man nichts zu tun haben wolle.
Gisbert Gans tat ein Weiteres für seine Mandantin Maxi: Mit einem
vielseitigen und nicht ungelehrten Schriftsatz wandte er sich an das zuständige
Forstamt. Den Inhalt seiner Ausführungen hier wiederzugeben, sprengte
den Rahmen unserer Publikation - es soll hier nur aus didaktischen Gründen
der Nucleus seiner Argumentation aufgegriffen werden. Warum ein Birkenwäldchen
auf ehemaligem Baumschulgelände dem Waldgesetz unterfallen soll, wird
nämlich nicht ohne weiteres nachvollziehbar sein. Kurzum: Ein Wald
ist ein Wald ist ein Wald...Er braucht weder eine Mindestgröße
noch eine Mindestanzahl von Bäumen. Und einen Wald darf man betreten
- wenn auch nur auf den Wegen. Wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn
er keine Wege, sondern nur selbstgemachte Trampelpfade hat, ist unklar.
Alles klar?
Zwischenzeitlich hatte in einem nächtlichen Terrorakt ein Unbekannter
(oder waren es gar mehrere?) den Zaun an den zum Durchgang benötigten
Stellen durchschnitten! Damit erreichen wir einen bedenklichen kriminellen
Höhepunkt. Hans Hase behauptete sogar, die Gegenseite habe seine Autoreifen
in nächtlicher Aktion zerschneiden lassen. Es folgt eine vorübergehende
Beruhigung im
3. Akt
Worin ein nicht vollstreckungsfähiger Vergleich geschlossen wird
und man die Messer weiter wetzt.
Das Forstamt sprach kühn, man werde gründlich prüfen,
das könne dauern, auch wenn die Hunde derweil zu ihrem Rendezvous
mit ihresgleichen große Umwege laufen müßten. Es folgte
eine Ortsbesichtigung - von außen, denn man hatte Hans Hase nicht
dazu gebeten, wohl aber alle anderen Beteiligten. Hase schäumte. Und
er tat das in diesem unseren Lande einzig Richtige: Er nahm sich einen
Anwalt! Einen der Besten! Einen Verwaltungsrechtler, der schon für
das Städtchen erfolgreich an der Schlei gefochten hatte. Dieser verlangte
Akteneinsicht, schrieb eine bündige Eingabe. Das Forstamt wurde nachdenklich
und regte einen Vergleich an. Selbstverständlich wurde eine vergleichsweise
Regelung beiderseits schroff zurückgewiesen. Dann jedoch - nach getrennten
Gesprächen mit beiden Parteien, über deren Inhalte man nur mutmaßen
kann - stimmten überraschend beide Seiten einem Vergleich zu, jedenfalls
war das in der Presse zu lesen. Der Vergleich lautet danach u.a. wie folgt:
? Der Waldweg an der Südgrenze des Waldstücks wird den Waldbesuchern
weiterhin zur Verfügung stehen.
? Im Wald wird parallel zu diesem Weg ein neuer Zaun gezogen, um die
geplanten Baum- und Buschanpflanzungen im Waldstück zu schützen.
? Dieser Waldweg wird zumindest solange für Waldbesucher offengehalten
bis die Stadt ? eventuell auf den benachbarten südlichen Grundstücken
einen öffentlichen Weg anlegt.
Der Vergleich enthält noch viele Details mehr. Auch der bisher
noch geneigte Leser würde durch ihre Wiedergabe ermüdet. Die
Hundefraktion hätte einen Sieg errungen? Mitnichten: Das Forstamt
weist darauf hin, daß Hunde aufgrund der Landesgesetze im Wald nur
an der Leine geführt werden dürfen. Dies gelte auch auf diesem
Waldweg......
Ein Pyrrhussieg also: Wäre es kein Wald, dürften die Hunde
theoretisch ohne Leine laufen, Hans Hase das Birkenstück aber einzäunen.
Ist es ein Wald, darf Hans Hase das Wäldchen nicht einzäunen,
die Hunde müssen aber angeleint werden.
Was nun passiert: Erstens zieht den Gerüchten zu Folge Gisbert
Gans aus. Zweitens bleibt der Zaun, wo er ist, die gewaltsam angebrachten
Löcher auch. Drittens hat Hans Hase inzwischen nach dem Ableben seiner
Boxerhündin zur Empörung der Sheltie-Leute einen Staffordshire-Terrier,
auch Kampfhund genannt, ein krauliges Biest von 9 Monaten. Viertens wird
es den städtischen Wanderweg in absehbarer Zeit nicht geben, weil
das Gewerbegebiet, in dem er verlaufen soll, nicht an den Mann und an die
Frau zu bringen ist, was wiederum mit einem Verwaltungsrechtsstreit und
vielen streitbaren Nachbarn zu tun hat - doch dies ist ein anderes Kapitel
der unendlichen Geschichte aus unserer kleinen Stadt und soll hier und
heute nicht näher erläutert werden. Der Sommer ist ja im übrigen
auch schon fast vorüber.
Karin Wiedemann