Prof. Dr. Edgar Castan, Hamburg, hat im DStR 7/96 S. 254 ff. ein Geheimnis gelüftet; mit freundlicher Genehmigung von Verfasser und Verlag drucken wir es (ohne Fußnoten) für unsere Leser ab, desgleichen die Stellungnahme des Rechtsausschusses, die sich in DStR 14/96 S. VIII dazu findet.
Wie verlautet, hat der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg der Bürgerschaft am 1. April 1995 den Entwurf eines Gesetzes zur Besteuerung der Barttracht (BartG) zugeleitet. Mit dem Steueraufkommen sollen Haushaltslücken geschlossen werden. Im folgenden werden - nach einem historischen Rückblick - eine Einordnunng der vorgesehenen Abgabe in das Steuersystem versucht und Anmerkungenn zur verfassungsmäßigen Zulässigkeit gemacht. Der Gesetzentwurf ist als Anlage beigefügt.
a) Die Geschichte des Bartes, als das dem männlichen Menschen (und dem Affen) eigentümlichen Haarwuchses um Mund, Kinn und Wange, ist so alt wie die Menschheit. Von einer Barttracht kann jedoch erst ab einer Zeit gesprochen werden, in der die Männer dem Bartwuchs mittels Werkzeugen eine Form zu geben versuchten oder zumindest begannen, das Haar in Strähnen zu flechten. Die ältesten Belege hierfür finden sich auf Schiefertafeln im Ägypten der frühesten neolithischen Zeit, also etwa 4000 v. Chr. Im alten Ägypten bedienten sich die Könige auch eines künstlichen Bartes (Falschbart). Die Römer gingen ungeschoren bis etwa 300 v. Chr. Als erster Barbier wird P. Licinius Mänas aus Sizilien genannt. Bei den alten Germanen galt nach Tacitus ein geschorener Bart als Zeichen der Unfreiheit oder des Verlustes der Ehre. Ähnliches wird aus dieser Zeit auch von anderen Völkern berichtet. Noch im Mittelalter schwor man beim eigenen Bart wie der Muslim beim Barte des Propheten.
b) Die Geschichte der Steuern ist kürzer als die des Bartes, jedoch nicht sehr viel kürzer als die der Barttracht. Bemerkenswerterweise nimmt auch die Besteuerung im alten Ägypten ihren Anfang. Um 2900 v. Chr. erhob der Pharao Abgaben in Form von Vieh und Korn von den Bauern und als Gold, Silber und Kupfer von den Lehnsfürsten. Die Steuerobjekte haben im Laufe der Jahrtausende häufig gewechselt. Die Bücher Moses (13. Jhdt.v. Chr.) berichten von Frucht-, Fleisch-, Most- und Honigrechten sowie von Frondiensten. Im alten Rom waren - neben Zöllen, Benutzungsgebühren und Abgaben unterworfener Völker - auch Kopf-und Vermögensteuern anzutreffen.
Bei den historischen Parallelen zwischen Barttracht und Steuern ist es erstaunlich, daß die Verbindung der beiden Phänomene 5000 Jahre hat auf sich warten lassen. Ganz neu ist die Idee der Hamburger Bartsteuer von 1995 allerdings auch nicht. In Rußland begann Peter der Große (1672 - 1725) die später so genannte "Kultivierung" seiner Untertanen mit dem Verbot des großen Bartes für alle Nichtbauern. Als er damit nicht gleich Erfolg hatte, führte er eine Bartsteuer (!) ein: Wer durch die Tore einer Stadt mit einem Bart ging, mußte diesen versteuern. Die Bartsteuer kann somit als eine russische Erfindung gelten und bei den traditionell freundschaftlichen Beziehungen zwischen Rußland und der Hansestadt ist es vielleicht kein Zufall, daß gerade dieses Bundesland an russische Erfahrungen anknüpft.
a) Für die Rechtsfolgen und die Frage der verfassungsmäßigen Zulässigkeit ist zunächst die Frage zu beantworten, ob es sich bei der vorgesehenen Abgabe um einen Beitrag, eine Gebühr, eine Sonderabgabe oder eine Steuer handelt.
Ein Beitrag kann offensichtlich nicht gemeint sein, da dieser eine besondere Leistung einer öffentlichen Körperschaft in Form der Errichtung oder Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen voraussetzt, die dem Beitragsschuldner zugute kommt (z.B. Erschließungsbeiträge für Straßen).
Ebensowenig kommt eine Gebühr (weder als Benutzungs-, Verwaltungs- oder Verleihungsgebühr) in Frage, da nicht vorgesehen ist, daß der Staat für die Zahlung der Bartsteuer eine bestimmte Gegenleistung erbringt. Die Verleihungsgebühr steht der Steuer allerdings sehr nahe. Mit dieser Gebühr soll ein vermuteter wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft werden (z.B. in Form der Konzession für eine private Rundfunkanstalt). Im Falle des Bartes wird von einem wirtschaftlichen Vorteil jedoch nur in seltenen Fällen gesprochen werden können. Ein Vorzug, den das weibliche Geschlecht dem Bartträger möglicherweise einräumen könnte, ist steuerlich unbeachtlich.
Schließlich kommt auch eine Qualifizierung als Sonderabgabe nicht in Betracht, da eine gesetzliche Zweckbindung der aufgebrachten Mittel im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen nicht vorgesehen ist. Die Bartsteuer dient nicht der wirtschaftlichen Förderung der Friseure.
Damit dürfte es sich bei der Bartabgabe zweifelsfrei um eine Steuer i.S.v. § 3 Abs. 1 AO handeln.
b) Für die verfassungsmäßige Zulässigkeit ist darüber hinaus die Zuordnung der vorgesehenen Abgabe zu einer bestimmten Steuerart von Bedeutung, da die Art. 105/106 GG einen numerus clausus der Steuern enthalten und es darüber hinaus kein Steuererfindungsrecht des Bundes oder der Länder gibt. Diese Einordnung ist im vorliegenden Fall nicht leicht, da Steuern üblicherweise danach unterschieden werden, ob sie das Einkommen oder das Vermögen belasten oder an die Verwendung von Einkommen oder Vermögen anknüpfen. Wird an die Geschichte des Bartes gedacht (Stichwort: "Manneszierde"), dann wäre zwar eine Einordnung in die Gruppe der Realsteuern nicht von vornherein auszuschließen. Wie bei diesen kommt es auch bei der Bartsteuer auf persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen (Familienstand, Zahl der Kinder) nicht an. Eine entsprechende Einordnung verbietet sich aber wohl, da abrasierte Bärte ohne Zutun des Steuersubjektes nachzuwachsen pflegen. Diese Eigenschft zeichnet Vermögen sonst nicht aus.
In Frage kommt daher nur eine Einordnung in die Kategorie der speziellen Verkehrsteuern, enger der Verbrauchsteuern und noch enger der Aufwandsteuern. Für die letzteren gilt als charakteristisch, daß sie die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen wollen. Daß das Tragen eines Bartes eine Einkommensverwendung darstellt, ist zwar nicht ohne weiteres ersichtlich. Dieses Merkmal läßt sich aber auch bei anderen Aufwandsteuern nur mit Mühe konstruieren: Nimmt ein Schlachter einen zugelaufenen Hund an, so entstehen ihm weder für die Anschaffung noch für den späteren Unterhalt Aufwendungen. Dennoch ist nicht streitig, daß die Hundesteuer zu den Aufwandsteuern gehört. Für unser Problem reicht es aus, daß jedenfalls bei gepflegten Bärten unterstellt werden kann, daß diese zumindest gelegentlich einer fachmännischen Behandlung bedürfen, womit regelmäßig ein Aufwand verbunden ist (Ausnahme bei dem Friseur als Steuersubjekt).
Die vorgesehene Abgabe wirft nicht einfache Verfassungsfragen auf, deren Beantwortung hier nur stichwortartig möglich ist. ...
Schließlich ist die Frage zu beantworten, ob die Einführung der Hamburger Bartsteuer gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstößt. Die erwähnte Norm untersagt eine Benachteiligung oder Bevorzugung eines Menschen u.a. wegen seines Geschlechts.
Unstreitig sind Bärte (jedenfalls in der Form der echten) nur dem Manne eigen (an eine Besteuerung des sogenannten Damenbartes wird nicht gedacht). Art. 3 Abs. 3 GG ist in unserem Fall jedoch schon deshalb nicht anwendbar, da es sich bei dem Bart um einen Lebenstatbestand handelt, der grundsätzlich nur in einem Geschlecht verwirklicht werden kann.
Ebenso wie der Mann durch ein Mutterschutzgesetz im Rechtssinn nicht benachteiligt werden kann, wird die Frau durch eine Besteuerung des männlichen Bartes nicht bevorzugt. Im übrigen hat es der Mann - buchstäblich - in der Hand, das Enstehen des Steuergegenstandes zu vermeiden.
Sofern - wie der Entwurf es vorsieht - auch das Tragen falscher Bärte steuerbar würde, könnte der Tatbestand im übrigen auch von Frauen verwirklicht werden. Wohin die Mode noch führen wird, kann gegenwärtig nicht abgeschätzt werden. Mit dem Griff in den Bart greift der Hamburgische Senat somit zugleich in die Zukunft.
Entwurf zur Einführung eines Gesetzes zur Besteuerung der Barttracht (BartG) vom 1.4.1995
Für das Tragen von Bärten (echten oder falschen) wird eine Steuer nach den Vorschriften dieses Gesetzes erhoben.
Die Steuer ist von Bartträgern mit Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt in der Freien und Hansestadt Hamburg zu entrichten.
Die Steuerpflicht beginnt nach Ablauf des Monats, in dem der Bart mindestens 2 cm lang oder ersichtlich ist, daß eine Barttracht beabsichtigt wird. Sie erlischt mit Ablauf des Monats, in dem der Bart vollständig abgeschafft (rasiert) wird.
Die Steuer beträgt
- für einen kurzen Backenbart (sogenannte Fräse) 120 DM jährlich;
- für einen Oberlippenbart 60 DM jährlich;
- für einen Vollbart (ab 10 cm Länge) 200 DM jährlich.
Die Steuer wird nicht erhoben von
- Personen, denen ein Bart unbeabsichtigt gewachsen ist;
- Personen, die einen Bart vorwiegend aus beruflichen Gründen tragen (z.B. für Auftritte als Weihnachtsmänner oder Künstler);
- Personen ohne steuerpflichtiges Einkommen.
Jeder Bart ist innerhalb von zwei Wochen bei der Steuerbehörde anzumelden. Abgeschaffte (rasierte) Bärte sind innerhalb von zwei Wochen nach der Beseitigung abzumelden.
Für jeden Bart ist beim Finanzamt ein Steuerzeichen zu erwerben. Der Bartträger hat das Steuerzeichen mit sich zu führen und es auf Verlangen einer zur Prüfung der Personalien ermächtigten Behörde vorzulegen.
Der Rechtsausschuß der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg hat in seiner Sitzung am 1. April 1996 den Entwurf des Gesetzes zur Besteuerung der Barttracht (BartG, DStR 1996, 254) kontrovers diskutiert, nachdem die Bürgerschaft diesen Entwurf nach erster Lesung an die verschiedenen Fachausschüsse mit der Bitte um ausführliche Stellungnahme weitergeleitet hat. Die Stellungnahme des Rechtsausschusses wird als Anlage beigefügt. Sie spiegelt die Komplexität der Gesamtheit der Probleme wider, mit denen sich der heutige Gesetzgeber konfrontiert sieht. Aus diesen Gründen ist der Rechtsausschuß der Auffassung, daß seine Stellungnahme zu veröffentlichen ist.
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Rechtsausschuß der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg hat den Entwurf des Gesetzes zur Besteuerung der Barttracht (BartG) in seiner Sitzung am 1. April 1996 diskutiert und nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Der Rechtsausschuß ist insgesamt der Auffassung, daß der ihm vorgelegte Entwurf die Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg und der betroffenen Bartträger nicht ausreichend ausgleicht und daß er auf drei Ebenen ergänzt werden sollte.
I. Der Rechtsausschuß ist einhellig der Meinung, daß die Kompetenz der Freien und Hansestadt Hamburg zum Erlaß der Bartsteuer durch Europarecht nicht eingeschränkt wird. Er stützt sich hierbei auf die von ihm eingeholten Gutachten der Herren Prof. Dr. M. Moustache, Paris, und Sir A. Beard PhD, MP, Oxford.
II. 1. Der in § 2 im Akkusativ verwendete unbestimmte Rechtsbegriff "ständiger Aufenthalt" ist durch "gewöhnlicher Aufenthalt" zu ersetzen. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 9 AO dient dies der Rechtseinheit und erhöht damit die Rechtssicherheit.
2. Der Gesetzesentwurf muß familienfreundlich gehalten werden. Es wird deshalb vorgeschlagen, eine weitere Vorschrift einzuführen in der Weise, daß die bisherigen §§ 4, 5, 6 und 7 die Ziffern 5, 6, 7 und 8 erhalten, und der bisherige § 4 die Überschrift "Zusammenveran-lagung" mit folgendem Text erhält:
Die Höhe der Steuer ermäßigt sich durch die Zusammenveranlagung um 20 %.
4. § 6 "Steuerbefreiungen" (früher § 5) erhält folgenden Zusatz nach:
..."Personen, die einen Bart vorwiegend aus beruflichen Gründen tragen, ...":
... Personen, die einen Bart vorwiegend aus religiösen Gründen tragen ...
5. Es wird abschließend ein § 8 mit der Überschrift Ermächtigung vorgeschlagen, der folgenden Inhalt hat:
Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wird ermächtigt, zur Durchführung des Gesetzes Verfahrensvorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen.
III. Der Rechtsausschuß empfiehlt durch Rechtsverordnung klarzustellen,
1. wie die Steuerpflicht im Jahr des Zu- und Wegzugs ins Erhebungsgebiet abgewickelt wird,
2. daß dem Senator für Finanzen der Freien und Hansestadt Hamburg ein Prüfungsrecht i.S.d. §§ 193 ff. eingeräumt wird, um jegliche Bevorzugung roter Bärte gegenüber schwarzen Bärten, bei denen die Steuerpflicht eher offenkundig ist, zu vermeiden;
3. daß für die An- und Abmeldung sowie für die Veranlagung die Finanzämter zuständig sind, zu deren Zuständigkeit die Stadtteile Blankenese und Ha(a)rburg gehören, während das Finanzamt für Verkehrsteuern und Grundbeseitz für die Prüfung zuständig ist.
IV. Der Rechtsausschuß empfiehlt dem Senat durch Verwaltungsanweisung klarzustellen, daß
1. die Bartsteuer auch für Bürger gilt, die in der Freien und Hansestadt ihren Zweitwohnsitz haben.
2. für die An- und Abmeldung von Bärten Formulare anzuwenden sind, die eine EDV-mäßige Erfassung ermöglichen und gleichzeitig die Belange des Datenschutzes berücksichtigen.
3. Steuerbefreiungen nachzuweisen sind. Der Nachweis für Bartträger aus beruflichen Gründen sollte von der zuständigen Industrie- und Handelskammer bzw. Handwerkskammer erbracht werden. Der Nachweis von verkammerten Bartträgern ist von der zuständigen Berufskammer zu führen. Für Bartträger, die ihren Bart aus religiösen Gründen tragen, ist die Steuerbefreiung durch eine Bescheinigung des zuständigen geistlichen Oberhaupts zu führen. Für Seeleute ist das Oberhafenamt, wahlweise ein Havariekommissar zuständig.
4. im Falle einer Doppelbesteuerung eine außerhalb des Erhebungsgebietes festgesetzte und gezahlte Bartsteuer analog zu § 21 Abs. 1 Satz 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) angerechnet wird.
Hamburg, 1.4.1996
gez. Der Vorsitzende