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Wind, Sand und Sterne
Gedanken des scheidenden Landgerichtspräsidenten Roland Makowka
Auszug aus seiner Rede vom
20. Dezember 1995 -

Bei all den Lobpreisungen, die ich über mich ergehen lassen muß, irritiert mich etwas, daß von meiner Pensionierung Ende des Jahres als etwas Unumstößlichem ausgegangen wird. Richtig scheint nur zu sein, daß ich im Winter in Ostpreußen geboren bin. Da im Winter die Dörfer Ostpreussens hoch verschneit waren und kein Fuhrwerk zum oft weit entfernt liegenden Standesamt gelangen konnte, war es üblich, die Geburten durch den Dorfschulzen auf Zettelchen sammeln zu lassen, der sie dann im Frühling, wenn der Schnee weggetaut war, zum Standesamt brachte. Dabei kam es jedoch zu mancherlei Mißgriffen, sei es, daß der Standesbeamte einige Zettelchen verbummelt hatte, sei es, daß er die Eintragungen auf den verwitterten Papierchen nicht mehr entziffern konnte. So scheint mir nicht sicher, daß ich wirklich in diesem Monat in Rente gehen muß.

Ich habe diese Unklarheiten natürlich der zuständigen Dienststelle vorgetragen. Wiederum fand ich jedoch bei der Obrigkeit wenig Verständnis. Man bedeutete mir, daß - alle meine Angaben als richtig unterstellt - man mich vielleicht schon vor drei Jahren hätte loswerden und sich dadurch manche Unbill, bedingt durch meine schwierige Persönlichkeit, hätte ersparen können.

So will ich denn - auch mit Rücksicht auf die Weihnachtszeit - Frieden geben und in wenigen Tagen dem Landgericht den Rücken kehren. Viele ungelöste Fragen lasse ich zurück. So weiß ich immer noch nicht, was ein Gericht eigentlich ist:

Sehen Sie, so furchtbar viel habe ich aus 15 Jahren Landgericht nicht zusammengetragen. Vielleicht kommen noch ein paar Urteile und Vergleiche dazu, übrigens immer mit guten Anwälten.

Aber noch etwas ganz anderen: Es ist der Gang durch die Flure, das Hineinschauen in die Geschäftsstellen, Kanzleien und Richterzimmer, das Gespräch über die großen und kleinen Nöte, auch über die eigenen Fehler - und derer habe ich unendlich viele gemacht.

Dieses Bild will ich um ein anderes ergänzen:

In den ostpreußischen Winternächten war es oft bitter kalt. An den Fenstern bildeten sich Froststerne von unterschiedlicher Gestalt. Der Himmel war klar - voller Sterne. Stellen Sie sich vor, einige der Sterne verließen die Fenster und den Himmel - und einige von ihnen wären Symbole für Recht, Menschlichkeit, Verantwortung und Hoffnung.

Verbinden wir beide Bilder: Das Gespräch und die Sterne - es würde ein gutes Gespräch. Es würde auch Traum und Spiel. ...

(Es folgen Gedanken, Erinnerungen und Dank, die speziell auf das Landgericht zugeschnitten sind)

In meinem Manuskript hatte ich zunächst geschrieben: Ihr werdet mir fehlen. Das ist falsch. Ihr werdet in unseren und in meinem Herzen immer dabei sein.

Roland Makowk