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Der brennende
Makowka
Momentaufnahme aus einer Dienstbesprechung im Oberlandesgericht

Es gab einmal eine Zeit, da wurden Stellenanträge, die nach dem Pensenschlüssel errechnet waren, in Stellenzuwächse umgesetzt und Sachanträge, die auf Raum- oder Mobiliarbedarf beruhten, erfüllt. Das war eine geradezu paradiesische Zeit, die goldenen 60er Jahre. Die Landesjustizverwaltung, ein Senatsamt, räumte den Gerichten am Sievekingplatz Freiräume ein. Es wurde ein liberales Richtergesetz geschaffen, und der Dritten Gewalt im Staate Hamburg ging es gut.

An der Schwelle der 70er Jahre wurde im politischen Raum das Unwort von den "Sparzwängen" erfunden; aus der Landesjustizverwaltung erwuchs die Justizbehörde; das Paradies wandelte sich zur justizpolitischen Kampfstätte.

In diese Zeit fällt meine Ernennung zum Oberlandesgerichtspräsidenten. Ich brauchte, um den Sievekingplatz im Kampf um die Ressoucen behaupten zu können, einen energischen, dynamischen 1. Präsidialrichter als Weggefährten. Glücklich war ich darüber, daß der damalige Landgerichtspräsident Dr. Clemens bereit war, mir seinen Präsidialrichter "abzutreten". Es war Dr. Roland Makowka. Er war mir aus der gemeinsamen Arbeit Landesjustizverwaltung/Sievekingplatz bekannt, auch dadurch, daß er häufig Dienstwege nicht einzuhalten pflegte, und im ganzen Bereich der hamburgischen Verwaltung acquirierte, was nach seinem Geschmack zur Verbesserung der Situation des Landgerichts zu acquirieren war.

So begann am 01.07.1969 eine sechsjährige segensreiche gemeinsame Arbeit zur Stärkung der Dritten Gewalt in Hamburg, zum Ausbau der Gerichte und zur Festigung ihrer Wirkungsbreite. Als erstes schufen wir eine Justizplanungsgruppe, in der Richter an der Gestaltung ihres eigenen Umfeldes mitwirkten.

Jeweils am Montagvormittag fanden die Beratungen dazu und zu anderen Themen der Justizverwaltung im Kreise der Präsidialrichter in meinem Dienstzimmer statt. Makowka kam gelegentlich zu spät. Er hatte häufig noch Besprechungen mit Richteramtsbewerbern, oder er war mal schnell ins Ziviljustizgebäude geschlüpft, um mit den dortigen Präsidenten oder Präsidialrichtern Vorfragen abzuklären.

Er liebte diese spontanen, nicht kalkulierbaren Wege; überfallartig erzielte er bei seinen Gesprächspartnern die meisten Erfolge. Mühevoll durchgestylte Verfahrensweisen haßte er, sie führten nach seinem Verständnis nur in wenigen Fällen zu gewünschten Ergebnissen. Genialität und Chaos sind eben Geschwister, nämlich unterschiedliche Orientierungsreflexe, die er zu nutzen verstand; mal öffnet systematische Planung den Weg zu einem erfolgreichen Abschluß, mal einfach chaotische Spontanität. Für Makowka war letztlich maßgebend, welche "Reize" sich besser einsetzen lassen.

Nun zu der angekündigten Momentaufnahme:

In dem Gefühl, wieder einmal eine erfolgreich abgeschlossene Aktion vortragen zu können, springt Dr. Makowka die breite Treppe im OLG hinauf und landet verspätet und atemlos in unserer Runde. Nach kurzer Zeit bemerken wir Teilnehmer einen Geruch, wie er auf dem nahegelegenen Frühjahrsdom bei dem Lauf von überhitzten Rotorblättern zu entstehen pflegt. Plötzlich quellen dichte Rauchschwaden aus der Jackettasche von Dr. M.

Hier muß ich einen Einschub machen:

Als ich Makowka als 1. Präsidialrichter gewann, hatte ich ihn für einen Nichtraucher gehalten. In Wahrheit war er ein starker Raucher; nur hielt er sich freundlicherweise in meiner Gegenwart zurück, weil er wußte, daß ich Tabakrauch an den Augen nicht vertragen konnte.

Dr. M. drohte also in Flammen aufzugehen. Er hatte in seinem Zimmer ausgiebig geraucht. Als er bemerkte, daß der Termin zur Morgenbesprechung schon beinahe verpaßt war, hatte er die brennende Zigarette einfach in die Tasche gesteckt, die sich im Futter des Jacketts nun zu entfalten drohte.

Ein Teilnehmer unserer Runde schlug spontan vor, Dr. M. über den Teppich zu rollen, um den Schwelbrand zu ersticken. Aber Dr. M. war reaktionsschnell: sozusagen im Wege der Selbstmedikation schlug er solange gegen seine Tasche, bis aus der dicken Wolke ein verlöschendes Fähnchen wurde, und das alles ohne jede körperlich messbare Erregung. Danach setzte er sich, als sei nichts Besonderes geschehen, auf seinen Platz und referierte über eine von ihm erstellte Vorlage. Er hatte eben vorgesorgt und einen Anzug gekauft, von dem er überzeugt war, daß er aus schwer entflammbarem Material bestand.

Die sechsjährige Präsidialrichterzeit und die folgende Zusammenarbeit mit dem Vizepräsidenten des Amtsgerichts und dem Landgerichtspräsidenten Dr. Makowka war nicht nur sachorientiert und in Gerichtsverwaltung und Justizpolitik erfolgreich, sondern auch eine fröhliche Zeit mit vergnüglichen zwischenmenschlichen Beziehungen.

Ich erinnere mich gern daran und möchte diese Jahre nicht missen.

Walter Stiebeler