Jetzt muß er also doch abtreten, der "Große Vorsitzende"; daran läßt sich nun nichts mehr ändern. Sollte man etwas Schönes schreiben? Vielleicht eine "Festschrift" zusammenwerben? Aber seit dem Vorliegen einer solchen zum höheren Ruhm des verblichenen Kollegen Friedrich Gottlob Nagelmann ("Das wahre Verfassungsrecht", Baden-Baden 1984) ist dieses literarische Genre etwas anrüchig geworden und in leichten Verruf geraten (was der munteren Weiterproduktion solcher oevres allerdings keinen Abbruch zu tun scheint). Wir machen also aus der Not eine Tugend, indem wir die Tatsache unerwähnt lassen, daß wir ohnehin weder Mittel noch Zeit und Energie für ein so hochfahrendes Werk gehabt hätten ..., und überdies vermuten, daß die Ehre, die der Destinatar einer solchen Huldigung angedeihen lassen würde, über ein pflichtschuldig-lustloses "Anblättern" kaum hinausginge.
lautete die Lebenssumme eines alten Kantors und Organisten aus dem sächsischen Hoyerswerda. Es war der damals in Pension tretende Präsident des Bundesverwaltungsgerichts Horst Sendler, der im Juli des Jahres 1991 vor festlicher Versammlung diesen Spruch seines seligen Vaters in Erinnerung rief (vgl. FAZ vom 06.07.1991). Dessen Beruf dürfte es mit sich gebracht haben, daß er gar nicht umhin konnte, auf das Ritual, in Grabkapellen weder mit Lobeshymnen noch preisenden Reden zu knausern, sich seinen eigenen Vers zu machen (den man in der zweiten Hälfte des Zitats wiederfindet); und er kannte die Welt zu gut, um sich darüber zu täuschen, daß dennoch oder gerade deshalb auch der Hang zum Schandmaulen, zur üblen Nachrede hinter vorgehaltener Hand und dergleichen Rufschändungen ebenso zur Grundausstattung der menschlichen Natur gehört (so daß der erste Halbsatz nicht weniger wahr ist als der zweite).
Sollte es flüsternde Zirkel oder justizabholde Gefilde geben, in denen Roland Makowka verrufen ist, so wären diese Ecken unserer Stadt der Mühe weder wert noch würdig, sie mit dem Besen feuriger Beweisführungen auszukehren. Das Papier taugt allerdings ebenso wenig dafür, es zum höheren Ruhme des Gefeierten durchs Weihwasser zu ziehen. Weder "rufen" (oder gegenrufen) also noch "nachrufen" - was aber dann?
Kehren wir zurück zu Christian Morgenstern:
Jeder Mensch "gespenstert" als Bild, als Eindruck oder Erinnerung durch hundert, ja tausend fremde Köpfe. Das Heer der Gespenster aber vereint sich nie, ordnet sich nicht zur Phalanx und kann sich zu keiner "wahren" Biographie des Urbilds zusammenfügen. Vermutlich würden die Gespenster einander noch nicht einmal als Doppelgänger gleichen Ursprungs erkennen, denn sie sind höchst subjektive Gebilde: Erlebnis- und stimmungsbedingte Widerspiegelungen des Widersprüchlichsten, das die Erde trägt: des lebendigen Menschen. So mag das eine Bild licht und freundlich, das andere trüb und chaotisch sein - und doch wird man ernstlich kaum behaupten dürfen, das eine sei "objektiv richtig", das andere völlig falsch, oder es gäbe just in der Mitte die wahre Wahrheit.
Die Redaktion hat versucht, ein paar Gespenster einzufangen: sozusagen einige von den weißen, schwarzen und grauen Ausfertigungen, in denen Roland Makowka - mit seinem Wissen oder ohne es - durch die Welt läuft. Die Jagd muß mit Redaktionsschluß natürlich abgeblasen werden; bei Abfassung dieses Vorworts ist sie noch im vollen Gange. Also kenne ich das Resultat nicht - jedenfalls nicht vollständig. Aber das tut nichts: Was bisher schon aus allen Himmelsrichtungen zusammengeweht ist, rechtfertigt den Vorsatz. Den Saldo aber muß ohnehin jeder selbst und für sich ziehen.
Roland Makowka aber, nun des Vorsitzes ledig, wird weiter durch unsere Köpfe gespenstern. Glücklicherweise nicht nur das: Er wird als lebendiger "elder statesman" unsere Arbeit auch künftig begleiten - einfallsreich und tatkräftig: wie wir ihn kennen!
Günter Bertram