(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/95) < home RiV >
Der "saure Emil"
für Dr. Roland Makowka

Wegen hervorragender Verdienste für das Hamburger und das deutsche Rechtsleben verleiht der Hamburgische Anwaltverein e.V. alljährlich den Emil von Sauer-Preis, im Juristenvolksmund der "saure Emil" genannt. Die Liste der Preisträger - erstmals wurde der Preis 1973 an den Rechtsanwalt Dr. Kurt Mittelstein verliehen - ist lang und illuster. 1995 wird der Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins, Landgerichtspräsident Dr. Roland Ma-kowka, geehrt. Sie will so gar nicht zu ihm passen, so eine Ehrung, verliehen im Plenarsaal des Hanseatischen Oberlandesgerichts, prächtig hergerichtet mit immensen Blumenbuketts und in Anwesenheit erlauchter Gäste. Die Attitude des Herausgehobenen, des in feierlicher Atmosphäre Geehrten, ist nicht die seine - auch das macht sein Verdienst und seine besondere, von uns geliebte, verehrte, manchmal verwünschte - Art und Weise aus. Der Meister des Zuhörens, des Dialogs, des Aufnehmens auch unausgesprochener Worte, gehört nicht in die steife Kühle so einer Zeremonie, will einem Zuschauer scheinen.

Was nun veranlaßt gerade die Anwaltschaft, den Richter Roland Makowka dergestalt zu ehren?

Der Vorsitzende des Hamburgischen Anwaltvereines, Rechtsanwalt Peter Rameken sagte es in seiner Laudatio:

"Nach dem Großen Juristischen Staatsexamen beginnt die richterliche Laufbahn von Dr. Makowka am 1. September 1960 beim Landgericht Hamburg. 1963 wird er zum Richter auf Lebenszeit ernannt. Neben der richterlichen Tätigkeit im Zivil- und Strafverfahren leitet er Arbeitsgemeinschaften für Referendare. Am 1. Januar 1966 wird er Präsidialrichter beim Landgericht Hamburg, drei Jahre später Landgerichtsdirektor, im selben Jahr 1969 Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht und dort als erster Präsidialrichter Personalreferent. Seit 1. November 1975 wirkt Dr. Makowka als Vizepräsident des Amtsgerichts Hamburg. Er ist als Jugendrichter tätig und leitet vom 1. Oktober 1977 bis 31. Mai 1980 den Modellversuch "Humanisierung der Arbeitsbedingungen in Geschäftsstellen beim Amtsgericht Hamburg durch die Einführung von Gruppenarbeit". Am 1. Juni 1980 wird Dr. Makowka Präsident des Landgerichts Hamburg.

Neben dem so knapp von mir nur durch Daten gekennzeichneten richterlichen Dienst leistet Dr. Makowka umfangreiche ehrenamtliche Arbeit. Seit 1976 ist er Vorsitzender des Hamburgischen Richtervereins und Mitglied des Vorstandes des Deutschen Richterbundes. Unter seiner Mitwirkung stehen die "Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins" in voller Blüte als Medium aktueller Information und Reflexion.

Nach dieser Schilderung möchte ich eine Skizze der Bestrebungen von Dr. Makowka und ihrer Inhalte versuchen.

In seiner richterlichen Tätigkeit begegnet Dr. Makowka den Verfahrensbeteiligten ausgleichend. Er führt die offene Aussprache rücksichtsvoll und frei von Sorge, als befangen abgelehnt zu werden. Er vermag zuzuhören und überzeugt die Beteiligten von ihrer Gleichheit vor dem Gesetz und vor dem Gericht. Und dies leitet über zu dem Kern unseres Verständnisses von Dr. Makowka. So, wie er als Richter den Verfahrensbeteiligten begegnet, ist er. Er ist in Einklang mit den Aufgaben, die Grundgesetz und Richtergesetz einem Richter stellen. Eine solche Richterpersönlichkeit müssen sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes vorgestellt haben, als sie die Rechtsprechung den Richtern anvertrauten, wie es im Grundgesetz wörtlich heißt. Alle Bestrebungen von Dr. Makowka haben ihre Wurzel darin, eine grundlegende Zusage des Rechtsstaates einzulösen, nämlich die Zusage, jedem, der einen Konflikt mit rechtlichen Mitteln lösen will, auch eine rechtliche Lösung durch Gerichte zu bieten. Dem Anspruch auf Rechtsschutz steht er positiv gegenüber. In seinem grundlegenden Vortrag in der Hermann-Ehlers-Akademie am 29. Oktober 1991 sagt.er dazu:

"Die Rechtsleidenschaft des Bürgers ist jedoch ein Phänomen, das wir in unserer freiheitlichen Grundordnung freigesetzt haben und als natürliches Bedürfnis der Menschen anerkennen müssen.

Dr. Makowka sieht Gefahren für die Wirksamkeit der Gerichte und damit für die Lebensfähigkeit des Rechtsstaates. Er sieht äußere Gefahren und in den Gerichten selbst angelegte Gefahren. So sagt er in der Deutschen Richterzeitung im April 1991:

''Gefahren für eine effektive Anwendung des Rechts sind häufig in den Gerichten selbst angelegt, in der Beschaffenheit ihrer Organisation, in der Bewußtseinslage und Motivation ihrer Mitarbeiter."

Er verlangt, den Gefahren zu begegnen durch Wandel. Er tut alles, was in seinen Kräften steht, um den Wandel zu initiieren und voranzubringen.

Folgerichtig ist der Einsatz von Dr. Makowka für die Organisation zunächst seines Gerichtes. Lassen Sie mich dies schlaglichtartig beleuchten.

Schon vor rund zwanzig Jahren begleitet Dr. Makowka die sogenannte Batelle Untersuchung, eine vielleicht bahnbrechende Untersuchung des tatsächlichen Zustandes einer Gerichtsorganisation durch professionelle externe Berater. Folgerichtig leitet er den schon erwähnten Modellversuch zur Einführung von Gruppenarbeit.

Er tritt ein für die Bildung von Gruppen-Geschäftsstellen und Tandem-Geschäftsstellen und die Auflösung zentraler Schreibbüros.

In Reden und Schriften tritt er ein für eine Überprüfung der vor- und nachbereitenden Arbeitsgänge im richterlichen und nichtrichterlichen Bereich der Gerichte, in welche die eigentliche richterliche Rechtsfindung eingefügt ist.

Immer stärker stellt er heraus die Vergleichbarkeit der Arbeitsgänge in dem Unternehmen Gericht mit den Arbeitsgängen in einem Dienstleistungsunternehmen. Er fordert von den Gerichten, sich auch als Service für den Bürger zu verstehen und unbürokratisch zu handeln.

Von den Richtern, Rechtspflegern, Beamten und Angestellten in den Gerichten fordert er, zusammenzuarbeiten. Ohne Zusammenarbeit kann das Räderwerk eines Gerichtes nicht ineinandergreifen.

Richter und Staatsanwälte regt er an, eigens geschaffene Seminare zu besuchen, um über die Anforderungen des Berufs nachzudenken und miteinander zu sprechen.

Er plädiert für eine Reform des Bundesangestelltentarifvertrages und eine Neuordnung der Vergütung der Angestellten in den Gerichten.

In den Mittelpunkt aller Überlegungen stellt er den Menschen, einmal den Menschen, der im Gericht arbeitet und der Bedingungen benötigt, die ihm gerecht werden und ihn für seine Aufgaben motivieren, und den Menschen, für den das Gericht seine Dienste leistet. Er gelangt so zu dem umstrittenen Bild des nachfrageorganisierten Gerichts, für das große Sympathie der Anwaltschaft besteht. Das Gericht steht insbesondere dem Schwachen offen, dessen Schwellenangst er überwinden helfen will.

Dr. Makowka hält nichts von dem Gericht als "einem Tempel der Macht". Spricht man mit ihm von der dritten Gewalt im Staate, so zieht er die Wortwahl Gerichte oder Gerichtsbarkeiten vor.

Der Kampf von Dr. Makowka für einen Wandel der Gerichte bedeutet für ihn auch Kampf um das Recht. Diesen Wandel selbst organisieren zu können, bedeutet für ihn Kampf um die schmerzlich vermißte ausreichende Selbstverwaltung der Gerichte.

Vom Richter erwartet er, das Gespräch, die Kommunikation, Engagement auch außerhalb der beruflichen Tätigkeit.

Es gelingt Dr. Makowka, in der Grundbuchhalle des Ziviljustizgebäudes einen Ort für Kommunikation zu schaffen.

Der Hamburgische Richterverein knüpft Beziehungen zu ausländischen Richterschaften in Europa, in Fernost und folgte jüngst einer Einladung nach Ostpreußen und erwartet Mitte des Jahres den Gegenbesuch.

Dr. Makowka wählt auch deftige Mittel in der Meinungsbildung. Um auf Raumnot und mangelhafte Raumausstattung in den Gerichten hinzuweisen, ließ er sich in den Katakomben dieses Gebäudes vom Fernsehen filmen, da es so für eine Berichterstattung zu gewinnen war, die sonst leider wohl unterblieben wäre.

Wir sehen Dr. Makowka in seinem Gericht analysieren, für sein Gericht planen und fordern und in seinem Gericht motivieren und kommunizieren. Indessen: Das Gesamtwerk Dr. Makowkas gilt dem Gericht und dem Rechtsstaat und es gilt dem, was der Rechtsstaat durch Gerichte dem Menschen in seiner verrechtlichten Gemeinschaft gewähren will, ein Lebensmittel."

Die Festrede des Preisträgers - ganz in seinem Stil, unprätentiös, voller Anregungen und kritischer Anmerkungen, reich an Facetten - soll hier nicht wiedergegeben werden. Sie ist als Abdruck im Vorzimmer des Landgerichtspräsidenten erhältlich und jedem zur Lektüre empfohlen.

Karin Wiedeman