Am 1. Februar vorigen Jahres öffnete das Zeugenbetreuungszimmer 270 im 1. Stock des Strafjustizgebäudes seine Tür: besonders für kindliche Zeugen und mißbrauchte Frauen. Unsere Strafkammer (Jugend-, Jugendschutzkammer u.a.) hat davon wiederholt Gebrauch gemacht. Ich wage mir kaum auszudenken, wie die eine oder andere Zeugin ihrer von uns so selbstverständlich eingeforderten "staatsbürger-lichen Pflicht" ohne die fürsorgende Hilfe Frau Rose-Gudduschs wohl hätte nachkommen können. ...
Es ist also der Mühe wert, eine gute Idee und segensreiche Praxis (die übrigens - wissentlich oder nicht - beim alten "Kinderzimmer" anknüpft, das zu Anfang der 50er Jahre bei der Jugendstrafkammer 4 eingerichtet worden war) über die gegenwärtige Durst- und Dürrestrecke des Justizhaushalts hinwegzuretten.
(hier steht in der Papier-MHR ein Photo)
Die Kollegen und Kolleginnen beim Land- und Amtsgericht, die im Strafjustizgebäude sitzen, sollten sich ermuntert fühlen, vom Angebot "Zimmer 270" in geeigneten Fällen Gebrauch zu machen.
Das vorstehende Bild ist auf der Jubiläumsfeier vom 01.02.1995 aufgenommen worden, die Presse hat freundlich berichtet:
Hamburg (lno). Das Hamburger Strafjustizgebäude am Sievekingplatz ist nur äußerlich eine Augenweide. Innen erwarten den Besucher kahle Flure, vor den Verhandlungsräumen stehen hier und da ungemütliche Holzbänke: Eine beängstigende Atmosphäre nicht nur für Angeklagte. Besonders die Zeugen leiden darunter, wenn sie dem Täter im Gang während des Wartens auf die Verhandlung begegnen. Vor genau einem Jahr ist die Justizbehörde dem Beispiel Limburgs in Hessen gefolgt und hat auf Initiative des Arbeitskreises "Gewalt/Notruf für Vergewaltigte Frauen und Mädchen - Opferhilfe" ein Zeugenbetreuungszimmer eingerichtet.
Im ersten Stock des alten Gemäuers hat die Sozialpädagogin Gerda Rose-Guddusch mit freundlichen Bildern, Pflanzen, einladenden Sesseln, Büchern und Spielsachen ein Ambiente geschaffen, in dem Zeugen ihre Ängste vor der Begegnung mit dem Angeklagten, vor ihrer Aussage und der Justiz schlechthin überwinden können. Die 43jährige engagierte Sozialpädagogin hat in einem Jahr 125 Zeugen betreut, vornehmlich Kinder und Frauen, die mißbraucht, vergewaltigt oder mißhandelt wurden.
Rose-Guddusch: "Viele Opfer geraten in Panik, wenn sie vor Gericht als Zeugen geladen werden. Sie haben kaum Informationen über den Ablauf eines Prozesses, haben Angst vor ihrer eigenen Aussage, weil sie anderes erzählen könnten als sie der Polizei zu Protokoll gegeben haben. Viele glauben, daß sie dann im Gefängnis landen. Dabei weiß jeder, daß Details eines traumatischen Erlebnisses zunächst verdrängt werden. Viele sprechen hier aber überhaupt das erstemal über ihre Not, die sie erlitten haben."
"Die betreuten Zeugen sind dankbar, daß sie ihre Angst abschütteln und wieder Selbstvertrauen finden konnten," sagt Rose-Guddusch. "Selbst Offizialzeugen wie Polizisten, für die eine Zeugenvernehmung eine Routinesache ist, nehmen die Betreuung gerne an."