(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/95) < home RiV >
Richter als Werbeträger

Der Richter am Landgericht Mainz Hermann Summa hat sich eine Einnahmequelle leichtfertig selbst verschlossen: Den nachstehend abgedruckten Vorschlag hat er nämlich der FAZ für deren Leserbriefspalten (vom 09.02.1995) anvertraut - gratis. Als Einfall zum "betrieblichen Vorschlagswesen der Justiz" - rite et recte eingereicht - wäre zweifellos für ihn eine Goldgrube daraus geworden:

Die deutsche Justiz versinkt im Chaos, weil den Ländern das Geld zur Einstellung des dringend notwendigen Personals fehlt. Da kommt der Vorschlag des Intendanten des Bayerischen Rundfunks, Fernsehübertragungen aus Gerichtssälen zuzulassen, gerade recht (F.A.Z. vom 2. Februar). Insbesondere Verhandlungen in Strafsachen bieten ungeahnte Möglichkeiten, man muß die Sache nur richtig anpacken. Die Länder gründen - eventuell unter Beteiligung der Anwaltskammern - Vermarktungsgesellschaften, die die Übertragungsrechte meistbietend versteigern. Die Gründung derartiger Gesellschaften hätte den Nebeneffekt, daß neue Versorgungsposten für ausgemusterte Politiker geschaffen werden. Der Sender, der die Übertragungsrechte erwirbt, kann bei spektakulären Strafsachen hohe Einschaltquoten und damit hohe Werbeeinnahmen erwarten. Es gibt immer wieder Verhandlungspausen, die sich für Werbeeinblendungen geradezu aufdrängen.

Eine weitere Einnahmequelle verspricht die "Bandenwerbung": Plakate mit Aufschriften wie "Sex and Crime mit Hambacher Pils" oder "Auch der Vorsitzende Richter raucht East-Zigaretten" lassen sich problemlos in jedem Gerichtssaal anbringen. Werbeaufnäher könnten das düstere Erscheinungsbild der schwarzen Roben angenehm auflockern. Man kann auch die Einrichtung von Wettbüros erwägen, die von Justizwachtmeistern betrieben werden und in denen auf Dauer der Ausgang des Verfahrens gesetzt werden kann. Die Gewinne fließen zu 70 Prozent dem Justizhaushalt und zu 30 Prozent der Anwaltschaft zu, der die Strafprozeßordnung alle Möglichkeiten eröffnet, für eine hohe Anzahl von Verhandlungspausen zu sorgen. Die Justizbediensteten erhalten monatlich eine pauschale Aufwandsentschädigung von 500 Mark für telegene Kleidung, Haarstyling und Schminke.

Bei den jetzt finanzierbaren Neueinstellungen für den Justizdienst können Bewerber schwache Prüfungsergebnisse durch den Nachweis des Besuchs einer Schauspielschule ausgleichen (was dort wieder neue Arbeitsplätze schafft). Ach ja, da gibt es dummerweise noch den Angeklagten. Den kann man vernachlässigen; ihm kommt im Rahmen der Show dann ohnehin nur noch eine Statistenrolle zu. Wer einwendet, dies könne doch nicht richtig sein, muß sich entgegenhalten lassen, daß die Gesellschaft ihr Recht fordert und auf die Interessen eines einzelnen keine Rücksicht genommen werden kann.

N.N.