Kleinvieh macht auch Mist. Diesen altbekannten Grundsatz beherzigt auch die Freie und Hansestadt Hamburg, und zwar zu Lasten ihrer Beihilfeberechtigten. Was nicht bedeutet, daß sie beihilferechtlich nicht auch Großvieh Mist machen läßt, wovon aber ein andermal die Rede sein soll.
Es begab sich, daß ein beihilfeberechtigter Richter erkrankte und dadurch dienstunfähig wurde. Da die Dienstunfähigkeit nicht ganz kurzfristig war, ließ sich der Richter von seinem behandelnden Arzt eine Dienstunfähigkeitsbescheinigung ausstellen und reichte sie seinem Dienstherrn ein. Der Arzt indes erteilte eine Liquidation u.a. wegen der Ausstellung der Bescheinigung, die der Richter beglich.
Nachdem nun der Richter etliche Kosten aufgewandt hatte, so daß ein Beihilfeantrag angemessen erschien, stellte er einen solchen bei seinem Dienstherrn, wobei er - bar jeden Problembewußtseins -die Liquidation beifügte, von der die Rede gewesen ist.
"Gebühren für ärztliche Bescheinigungen können nur anerkannt werden, wenn sie in Zusammenhang mit den Beihilfevorschriften erforderlich sind", sagte die Beihilfestelle. Der Richter setzte in dem Nebensatz "die ärztliche Bescheinigung" für "sie", war aber nicht klüger und erhob einfach Widerspruch.
Im Rahmen der, solange nicht kostenträchtig, gewährten Fürsorge erging an den Richter zunächst ein Hinweis: "Sie sollten auch wissen, daß ein ganz oder teilweise zurück- gewiesener Widerspruch kostenpflichtig für Sie wird."
Doch ein Hinweis zur Sache fehlte nicht, nämlich daß nicht beihilfefähig seien "die Kosten für ärztliche Bescheinigungen zum Nachweis der Dienstunfähigkeit, weil sie weder für eine Behandlungsmaßnahme anfallen oder sonst für die Durchführung der HmbBeihVO notwendig sind."
Der Richter bemerkte nun, daß kein Versehen vorlag, daß vielmehr tatsächlich sein Dienstherr sich nicht an den Kosten der Dienstunfähgikeitsbescheinigung beteiligen wollte. Voller Naivität argumentierte er, der Dienstherr könne, da er einerseits von dem erkrankten Beamten eine Dienstunfähigkeitsbescheinigung verlange, nicht andererseits die Kosten der Bescheinigung zum Privatvergnügen des erkrankten Beamten erklären.
Weit gefehlt!
"Eine Dienstunfähigkeitsbescheinigung wird ... allein im Rahmen der dem Dienstherrn gegenüber bestehenden Pflichten zum Nachweis der eigenen Dienstunfähigkeit benötigt. Auf die Behandlung einer Erkrankung oder zur Wiedererlangung der Gesundheit hat diese Bescheinigung keinen Einfluß und wird dafür auch nicht benötigt." So setzte der Widerspruchsbescheid noch einen drauf. Der Richter, der auch nicht auf die Idee gekommen wäre, er habe die Bescheinigung benötigt, um gesund zu werden, erhob Klage und hielt seine Argumentation aufrecht.
Weit gefehlt!
"Das in der Dienstunfähigkeitsbescheinigung angeordnete "zu Hause bleiben" dient (zwar; Verf.) der Gesundheit, jedoch ist die Bescheinigung nicht als Anordnung zu verstehen, daß man zu Hause bleiben soll, sondern vielmehr als ein Nachweis, daß man zu Hause bleiben kann, ohne seine Bezüge zu verlieren." So setzte das Urteil des Verwaltungsgerichts (vom 26.10.1994, 6 VG 1230/94) noch einen weiteren drauf. Im übrigen, so die Kurzbegründung, liege ein Verstoß gegen die (hier kostenträchtige; Verf.) Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht vor, denn wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe müßten auch Härten und Nachteile hingenommen werden. Dergestalt darauf hingewiesen, daß er noch immerhin Bezüge erhalte, verlegte sich der Richter noch mehr auf das Grundsätzliche und argumentierte gegenüber dem Oberverwaltungsgericht, es sei die alle Beihilfeberechtigten betreffende Frage zu beantworten, ob der eine Dienstherr ihnen im Krankheitsfalle einerseits eine Belastung auferlegen (Dienstunfähigkeitsbescheinigung) und andererseits die Beihilfe versagen dürfe, und dies, obwohl er sich bekanntermaßen mit dem Beihilfesystem wirtschaftlich besser stehe als bei Zahlung von Arbeitgeberanteilen zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Weit gefehlt!
"Allein der Umstand, daß eine Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen zu entscheiden ist, vermag ihre Grundsätzlichkeit nicht zu begründen." So setzte das Oberverwaltungsgericht in seiner Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde (vom 04.01.1995, Bs I 61/94 noch einen weiteren drauf. Denn vorangegangene höchstrichterliche Rechtsprechung vermag es nicht zu benennen. Mögen sich doch die vielen Beihilfeberechtigten mit der Entscheidung der 1. Instanz zufriedengeben - und zahlen.
Also: Gut gemacht, Freie und Hansestadt!
Kleinvieh macht auch Mist!
Verfasser berichtet weiter wie folgt:
XVI. Anschreiben der Justizbehörde vom 14.11.1994 (vgl. schon Redaktionsanmerkung in MHR 4/94), mit welchem sie zum Ausdruck brachte, daß das Kästchen zur Frage, ob auf Erstattung verzichtet wird, nur scheinbar gilt.
XVII. 15.12.1994 - Schreiben Verf. an Justizbehörde: "Das Schreiben (vom 14.11.) wirft die Frage auf, ob die Justizbehörde sich bei Abschluß des Vergleichs insgeheim vorbehielt, das Erklärte nicht zu wollen. Die auf den Abschluß des Vergleiches gerichtete Willenserklärung wäre aber nicht nichtig (§ 116 Satz 1 BGB), so daß der Vergleich in jedem Falle gilt.
Zum Zwecke der Abwehr des Versuches, den Vergleich auszuhebeln, fordere ich Sie auf, mit gleichem Verteiler ... das o.a. Schreiben von ... bis ... zu widerrufen."
XVIII. 21.12.1994 - Schreiben Justizbehörde an Verf.: "Den von Ihnen ... geforderten Widerruf wird die Justizbehörde nicht erklären. In Anbetracht der gegenwärtigen Haushaltslage hat die Justizbehörde keine andere Möglichkeit, als wie im Rundschreiben vom 14. November 1994 angekündigt zu verfahren."
XIX. 11.02.1995 - Antrag des Verf. an das Verwaltungsgericht, ein Zwangsgeld anzudrohen.
XX. ?