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"Zeugenpflicht und Datenschutz"
- MHR 4/1994
Von Niels Focken

Datenschutz ist meistens ärgerlich. Das Stopschild "Datenschutz" wird oft dann hochgehalten, wenn derjenige, der bestimmte Kenntnisse hat, zu bequem ist, diese geordnet mitzuteilen. Faulheit und das Ausspielen von Machtpositionen sind in der Nachbarschaft des Datenschutzes häufig anzutreffen. Vertraute Informationsmittel verlieren unter den Beschränkungen des Datenschutzes ihren Wert: Telefonbücher und die Telefonauskunft liefern nur noch Zufallserfolge, seit der Eintrag dort freiwillig ist.

Es scheint auch so, daß der Datenschutz sehr subjektiv wahrgenommen wird: Ein Streitverkündeter (übrigens auch ein Arzt) verweigerte unter Berufung auf den Datenschutz die Herausgabe eines Befundberichts an den Kläger. Er kämpfte sehr engagiert und berief sich zur Untermauerung seines Standpunktes auf die schlechten Erfahrungen, die er im Fall einer anderen Patientin gemacht hätte. Er tat dies unter Beifügung umfangreichen Materials zum Fall jener anderen Patientin, darin enthalten auch intimste Krankendaten, die zur Verdeutlichung seines Standpunktes ohne Belang waren. Die unbestrittenen Auswüchse und Fehlwirkungen des Datenschutzes gestatten es jedoch m.E. nicht, im gerichtlichen Verfahren den Datenschutz völlig außer Acht zu lassen. Soweit es Fairneß und Praktikabilität des Verfahrens erlauben, sollten auch eingefahrene Verfahrensweisen überdacht werden; und zwar auch dann, wenn der Gesetzgeber noch keine ausdrückliche Regelung getroffen hat (wie jüngst im PKH-Recht). In meinen Augen ist die Zeugenladung, die anscheinend "offen" gebräuchlich ist, ein Beispiel dafür, wie Datenschutz ohne Mehraufwand praktiziert werden kann. Deshalb ist mir die Antwort des Kammervorsitzenden an den Einsender nicht recht verständlich. Auch ist der Ansatzpunkt, eine Zeugenladung sei nicht diskriminierend, dem Datenschutzrecht doch wohl fremd.

Anders gesagt: Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung schützt auch vor der Preisgabe solcher Daten, die den Betroffenen in bestem Licht zeigen. Er soll selbst entscheiden, was er öffentlich machen will und was nicht. Eine Gehaltsmitteilung beispielsweise ist in vielen Fällen nicht diskriminierend, und doch ist es üblich, diese nicht offenzulegen. Im übrigen dürfte die Einschätzung von Personendaten als diskriminierend oder nicht vom Standpunkt des Betrachters abhängen. Auch dafür, eine Ladung als Zeuge nicht jedermann mitzuteilen, mag es im Einzelfall gute Gründe geben.

Mir scheint aber auch der zweite Begründungsansatz des Kammervorsitzenden nicht tragfähig: Daß ein Zeuge zu laden ist, schreiben die Verfahrensordnungen in der Tat vor. Eine gewisse Freiheit wird dem Vorsitzenden aber bereits bei der Art der Ladung eingeräumt. Daß der Zweck der Ladung aber "für jeden erkenntlich auf dem Briefumschlag vermerkt" wird, wie der Einsender empört festgestellt hat, dürfte in keiner Verfahrensordnung vorgeschrieben sein.