(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/94) < home RiV >
Thesenpapier
der Arbeitsgruppe Organisation und Technik
des Hamburgischen Richtervereins

EDV ist ein Hilfsmittel, Justizaufgaben im Interesse der Rechtssuchenden und Mitarbeiter der Justiz einfacher und schneller zu bewältigen, Nur soweit dies gewährleistet ist, sollte EDV-Technik eingesetzt werden. Richtern/Staatsanwälten steht es frei, ob und wie sie die ihre Aufgaben mit EDV-Hilfsmitteln erledigen.

Hierbei ist es Leitbild des Hamburgischen Richtervereins:

· Dem Richter/Staatsanwalt ist ein leistungsfähiges, mit moderner IuK-Technik ausgestattetes Team qualifizierter Mitarbeiter zur Seite zu stellen, das die Konzentration des Rechtsanwenders auf die eigentlichen Aufgaben ermöglicht und ihn von derzeit ausgeübter Verwaltungstätigkeit (z.B. Terminsabsprachen, Aktenkontrolle usw.) entlastet. Die Funktion der Technik liegt dabei vor allem in der Verkürzung und Verbesserung der Informationswege sowie in der Beschleunigung des Verfahrens.

· Der Richter/Staatsanwalt ist mit modernen Informationssystemen am Arbeitsplatz zu versorgen.

· Es bedarf der Verlagerung der Zuständigkeit für die Beschaffung der Soft- und Hardware einschließlich der Sach- und Personalmittel auf die einzelnen Dienststellen, in denen den individuellen Bedürfnissen besser Rechnung getragen werden kann. Hierbei ist die Kompatibilität der Systeme innerhalb der Justiz zu beachten.

· Richtern und Staatsanwälten ist ungehinderter, jederzeitiger Zugang zu den Daten der Geschäftsstelle zu verschaffen.

· Innerhalb der Staatsanwaltschaft ist zwischen den Dezernenten ein Datenaustausch zu ermöglichen.

· Es soll eine übergreifende Austauschbarkeit von Daten zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft angestrebt werden.

· Die Staatsanwaltschaft muß Zugriff auf Daten der Polizei haben.

· Für geeignete Bereiche (z.B. Kostenfestsetzung) ist ein Datenaustausch zwischen Gericht und Rechtsanwalt zu organisieren.

Im einzelnen bedeutet dies für die technische und personelle Ausstattung folgendes:

1) Im Rahmen der EDV ist der "intelligente" PC das ideale Arbeitsmittel für Richter und Staatsanwalt: Hiermit kann er die Anwendung der EDV seiner speziellen Tätigkeit und seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend einrichten und anpassen. Dazu gehört auch die Verwendung seiner gewohnten, privat erworbenen oder erstellen Programme für den Dienstgebrauch. Solche Möglichkeiten bestehen nicht bei Anlagen mittlerer Datentechnik, bei denen an eine Zentraleinheit nur "unintelligente" Terminals angeschlossen sind (z.B. SIJUS), wohl aber bei Vernetzung mehrerer PCs zu einer Anlage.

Hieraus ergeben sich folgende Forderungen:

· Jeder interessierte Richter/Staatsanwalt muß ohne Wartelisten und komplizierte Auswahlverfahren bei Bedarf einen PC erhalten.

· Jedem interessierten Richter/Staatsanwalt muß moderne Software (Text-, Datenbank- und Rechenprogramme sowie spezielle Software), die für den Arbeitsplatz geeignet ist, zur Verfügung gestellt werden.

· Für den sinnvollen Einsatz dieser Arbeitsmittel muß eine umfassende, praxisbezogene und effektive Schulung in den geplanten Anwendungsbereichen angeboten werden. Es erfolgt eine laufende technische Betreuung - notfalls durch private Unternehmen - für den Fall auftretender Fehler.

· Geschäftsstellen werden mit einem intelligenten IuK-System ausgestattet und untereinander vernetzt.

· Es werden kleine Service-Einheiten unter Einbeziehung der Funktionen Geschäftsstelle, Protokollführung, Schreibdienst geschaffen, die einzelnen Abteilungen/Spruchkörpern zugeordnet sind.

· Es erfolgt eine Vernetzung der Richter/Staatsanwälte mit der Service-Einheit und der Richter/Staatsanwälte untereinander. Durch entsprechende Zugangssperren kann der Bereich der zugänglichen Daten dabei beliebig begrenzt werden.

2) Der heutige Arbeitsanfall in der Justiz, die fortschreitende Spezialisierung und die fast nicht mehr überschaubare Zahl an Veröffentlichungen macht die traditionelle Informationsbeschaffung der Rechtsanwender immer zeitaufwendiger und ist kaum noch ausreichend zu leisten. Hier ist der Einsatz der EDV notwendig.

Hieraus ergeben sich folgende Forderungen:

· Der Richter/Staatsanwalt muß durch geeignete Programme in die Lage versetzt werden, auf dem eigenen PC individuelle Datensammlungen zu erstellen.

· Dem Richter/Staatsanwalt muß die Möglichkeit des Zugriffs auf zentrale Online-Datenbanken (z.B. JURIS) oder auf Offline-Datenbanken in Form von CD-ROM (z.B. NJW Leitsatzkartei, JURIS Data-Disc) von seinem Arbeitsplatz aus gegeben werden.

· Es müssen gerichtseigene Datenbanken, insbesondere des Hanseatischen Oberlandesgerichts, erstellt werden, auf die der aktuell mit einem vergleichbaren Fall befaßte Richter/Staatsanwalt zurückgreifen kann.

3) Die traditionelle Kommunikation zwischen Richter/Staatsanwalt und Geschäftsstelle/Schreibdienst ist zeitaufwendig und fehlerträchtig. Sie kann durch die geschilderte Anbindung des Dezernenten-PC an das EDV-System der Geschäftsstelle/Schreibstube verbessert werden. Hierbei ist allerdings die Aufgabenteilung zwischen Richter/Staatsanwalt einerseits und Geschäftsstelle/Schreibstube andererseits strikt beizubehalten; dem Richter/Staatsanwalt dürfen keine Tätigkeiten der Geschäftsstelle und des Schreibdienstes aufgebürdet werden.

Hamburg im Mai 1994