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Frauen in der Justiz
Echo auf MHR Heft 2/1993

Für "Applaus oder Widerspruch" sind die Spalten der MHR (2-93, S. 23) geöffnet worden. Ich erwarte einen stattlichen Applaus-Chor und wage deshalb, für die Widerspruchs-Minorität meine zage Pensionärsstimme zu erheben.

Nun denn also. Durchaus kein Grund zur Enttäuschung (a.a.O. S. 24); Fortschritt an vielen Fronten.

1) Langjähriger, nahezu unisonso medienunterstützter Bemühung ist es gelungen, dem weiblichen Teil unserer Gesellschaft zu suggerieren, einzig die Berufstätigkeit sei menschen- und damit frauenwürdig. Die Folge war, daß die wenigen sirenensangresistenten Hausfrauen, die weiterhin im sozialen Nahbereich, für das Gemeinwesen unverzichtbar, Gutes taten, sich komplexgeschädigt nur noch verschämt zu ihrem Defizit bekennen mochten (und daß, nebenbei, so manche Hausfrau als Zeugin auf die Frage nach ihrer Profession zu der Falschaussage veranlaßt wurde "ich arbeite nicht").

2) Dem Erfolg zu 1) schloß sich die Quotenregelung an, verbunden mit dem sanktionsbewehrten Verbot, Arbeitsplätze eingeschlechtlich auszuschreiben. Wenn auch die Notiz in DRiZ 93/135 (in Hamburg stünden einem ernannten Richter acht Richterinnen gegenüber) offenbar ein nicht signifikantes Übersoll aufzeigt, so ist doch fraglos auf das 50-Prozent-Ziel hin schon eine beträchtliche Wegstrecke zurückgelegt worden, und dies nicht nur im Bereich der Justiz.

(Als Ausgleich wurden den Männern allerdings ebenfalls ihnen bisher weitgehend fremde Tätigkeitsfelder eröffnet: so hat nun der Hausmann in Realität und Publizistik einen sicheren Platz gefunden, und unbeschadet der Bezeichnungsproblematik -"Geburtshelfer" ist ja bereits akademisch besetzt - ist die Hebamme nicht länger eine weibliche Domäne; nur die Amme behauptet noch ihre angestammte Position - möglicherweise bis zu weiteren Fortschritten der Hormonforschung).

3) Wenn auch von lediglich marginaler Bedeutung, so doch erwähnenswert: die identitätserhaltende oder -fördernde Doppel-Nachnamen-Lawine rollt - und nötigt nicht nur die Mitmenschen zu erweiterter Gedächtnisleistung, sondern unter ihnen insbesondere ein Heer von Schreibkräften zu Tausenden zusätzlicher Tastenanschläge (Schreibkräften, denen schon durch die Umstellung von beispielsweise "Senatspräsident(in)" - 14/16 Anschläge - auf "Vorsitzende(r) Richter(in) am Hanseatischen Oberlandesgericht" - 53/54 inklusive Leertaste - eine gravierende Mehrbelastung aufgebürdet worden war).

Doch offenbar wäre trotz dieser erfreulichen Entwicklung Jubel über einen Emanzipationssieg verfrüht; die nächste Bastion liegt vor Kimme und Korn: die Karriere-Frage.

Die Mitteilung, daß die Mehrheit der Frauen ("frau höre und staune") zu dem Urteil gelangte, derzeit bestimmten fachliche Qualifikationen und Leistung wesentlich den Aufstieg in der Justiz, wurde unter die Überschrift "Naivität oder frommer Glaube an die Gerechtigkeit" (a.a.O. S. 24) gesetzt. Dazu fügt sich die Verblüffung der Autorin (S. 25) über das Umfrageergebnis, die Frauen schätzten "auch bei Kinderlosigkeit fast nie ihre Karriere als vorrangig". Auf denn also, den Hund (die Hündin) zum Jagen getragen, den widerspenstig-zufriedenen Kolleginnen zeigen, daß sie zu unrecht zufrieden sind, ihnen den Federhalter für das Bewerbungsschreiben in die Hand gedrückt, sie die Leiter hinaufgeschubst!

Mit einem leisen "Glückauf" (wäre "Petri- oder etwa "Petrae- Heil" dem Thema angemessener?) grüßt aus dem fernen Land der verkrusteten Strukturen.
 

Wolfgang Schneider

PS: Um nicht auf dem minengespickten Gleichberechtigungs-Feld zu enden, sei noch eine Anmerkung zur obigen Ziffer 1) erlaubt: eine weitergehende Meinung behauptet, nicht irgendein Beruf, sondern nur der einer Akademikerin sei lebenssinnerfüllend. Ich sehe die Zeit kommen, in der nicht nur der Richter (e) die Inhaftierten aus der Haftanstalt in den Sitzungssaal führt, nicht nur der Chirurg (f) vergebens nach der OP-Schwester (oder dem OP-Bruder) ruft, ihm den Tupfer zuzureichen, nicht nur dem Mieter (g) zwar Hunderte von Anwälten (h) zur Verfügung stehen, um die Frage zu beantworten (oder vor Gericht, schließlich gar nach Karlsruhe zu bringen), ob nun er (i), der Mieter (k), oder aber der Vermieter (l) den tropfenden Wasserhahn reparieren lassen muß, es jedoch an einem Klempner (m) mangelt, den Hahn zu dichten - ich sehe die Zeit kommen, in der mir im Pflegeheim zwar drei studierte Gerontologen (n) einen Therapieplan entwerfen, aber niemand das Breichen reinschieben wird.
 

W. S.