In der hamburgischen Presse - insbesondere im Hamburger Abendblatt vom 12.08.1993 - ist, gestützt auf Mitteilungen der Justizbehörde, berichtet worden, die Justizsenatorin habe der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg eine "formelle Rüge" erteilt, weil im Zusammenhang mit dem Tode eines Patienten während einer Strahlenbehandlung die Berichtspflicht der Staatsanwaltschaft verletzt worden sei.
Hierzu erklärt der Vorstand folgendes:
- Der Hamburgische Richterverein teilt die Auffassung, daß die mit dem Strahlenskandal verbundenen Vorfälle rückhaltlos aufgeklärt werden müssen. Gleichzeitig bedauert er, daß die dem Strahlenskandal zugrundeliegenden tragischen Geschehnisse erst jetzt ans Tageslicht gekommen sind.
- In dieser Angelegenheit geht es darum, ob ein einzelner Staatsanwalt in einer 1990 entstandenen Ermittlungssache, die er im Mai 1992 eingestellt hat - also zu einem Zeitpunkt, als einer breiteren Öffentlichkeit die Problematik der Strahlenbehandlung noch nicht bekannt war -, eine Berichtspflicht an die Justizbehörde hatte.
Gleichviel, ob eine Berichtspflicht bestanden hat oder nicht, bestand kein Anlaß, aus diesem Grunde der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg als Ganzes und damit allen Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft eine formelle Rüge auszusprechen. Es kann nur derjenige "gerügt" werden, der einen Fehler begangen hat. Eine globale Rüge einer Behörde als solcher ist undenkbar und in der hamburgischen Geschichte einmalig:
- Im Hamburger Abendblatt vom 12.08.1993 ist berichtet, dem Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Grosse sei eine formelle Rüge als Disziplinarmaßnahme erteilt worden. Das ist falsch. Der Vorstand bedauert, daß die Justizbehörde nicht sofort im Rahmen einer Gegendarstellung diesen unrichtigen Sachverhalt im Hamburger Abendblatt korrigiert hat. Hierauf hätte Herr Dr. Grosse im Rahmen des auch ihm zustehenden Persönlichkeitsrechts einen Anspruch gehabt.
- Der Hamburgische Richterverein wendet sich dagegen, daß mit dem Vorgehen der Justizbehörde die gesamte Staatsanwaltschaft an den Pranger gestellt worden ist. Jeder Mitarbeiter eines anderen Betriebes oder einer anderen Dienststelle hätte eine solche globale Herabsetzung als Verletzung der Fürsorgepflicht empfunden. Der Vorstand hofft, daß durch die unberechtigte formelle Rüge das Vertrauensverhältnis zwischen Justizbehörde und Staatsanwaltschaft nicht nachhaltigen Schaden erlitten hat.
Hamburg, 19. August 1993
Für den Vorstand: Dr. Makowka