Es war einmal ein Frührentner, der bestritt seinen Lebensunterhalt im wesentlichen durch die Mieteinnahmen aus der Einliegerwohnung in dem von ihm selbst bewohnten Zweifamilienhaus.
Seit 1 1/2 Jahren jedoch ist er auf ergänzende Zahlungen des Sozialamtes angewiesen, da die geringe Rente den monatlichen Bedarf nicht allein decken kann.
Was war geschehen ?
Das Unglück begann mit dem Einzug eines neuen Mieters. Der machte anfangs einen guten Eindruck und hatte auch ein ordentliches Einkommen. Dummerweise verlor er kurz nach seinem Einzug seine Arbeitsstelle und schlägt sich seitdem mit Gelegenheitsarbeiten durch.
Irgendwie muß sich diese Veränderung auch auf seine Zahlungsmoral ausgewirkt haben, denn Mietzahlungen seinerseits erfolgten trotz Mahnungen nicht mehr.
Es kam zum Rechtsstreit, der Mieter wurde vom AG Hamburg antragsgemäß zur Zahlung der rückständigen Miete sowie zur Räumung verurteilt.
Hinter dem Schutzschild der ihm bewilligten Prozeßkostenhilfe gönnte sich der Mieter eine Überprüfung des Urteils durch das Landgericht Hamburg.
Das Landgericht Hamburg bestätigte das erstinstanzliche Urteil, und der Vermieter erteilte dem zuständigen Gerichtsvollzieher den Auftrag, die Wohnung zu räumen sowie für die rückständige Miete zu pfänden. Nach weiteren 4 Wochen kam es endlich zum Räumungstermin, nachdem der Gerichtsvollzieher dem Schuldner vergeblich die Vollstreckungsmaßnahme angedroht hatte. Vor Vollstreckungsbeginn mußte der Vermieter allerdings erst einen Räumungskostenvorschuß von mehreren Tausend Mark erbringen.
Im Räumungstermin wurde außer dem Räumungsschuldner eine junge Frau angetroffen, die sich als die derzeitige Freundin des Schuldners vorstellte. Ja, sie wohne auch hier, einen Miet- oder Untermietvertrag habe sie allerdings nicht.
Die Räumung dauerte nur kurz. Der Gerichtsvollzieher stellte seine Tätigkeit ein, nachdem er den Schuldner aus dem Besitz gesetzt hatte. Das vorhandene Mobiliar war gem. § 811 ZPO unpfändbar. Am nächsten Tag war der Schuldner wieder in der Wohnung, von nun an als Besucher seiner Freundin.
Der Vermieter ließ sich rechtlich beraten, wollte wissen, ob der Gerichtsvollzieher sich richtig verhalten hatte. Schließlich halte sich doch die Freundin ohne Rechtsgrund in der Wohnung auf. Der von ihm aufgesuchte Rechtsanwalt bestätigte ihm jedoch die Richtigkeit der Amtshandlung.
Es sei zwar in Deutschland herrschende Meinung, daß nur gegen Personen, die einen Mietvertrag (oder Untermietvertrag) unterzeichnet hätten, ein Räumungstitel erforderlich sei, d.h. andere bei der Räumung angetroffene Personen mit aus dem Besitz zu entsetzen seien. In Hamburg jedoch werde vom Landgericht seit 1989 (16 T 104/89, 47 M 75/89) eine andere Auffassung vertreten.
Danach komme es nun weder darauf an, ob der Angetroffene eine materielle Berechtigung zum Besitz habe, noch ob der Gewahrsamsinhaber seine Befugnis unmittelbar vom Gläubiger oder vom Schuldner ableite. Vielmehr komme es darauf an, ob die angetroffene Person in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis zum Räumungsschuldner stehe. "Mit der Prüfung dieser Frage kommt dem Gerichtsvollzieher aber eine schwierige, wenn nicht unmögliche Aufgabe zu", meinte der Vermieter. Außerdem sei auch er selbst nicht in der Lage, solche Beweise vorzulegen. Der Vermieter mußte also neu klagen, diesmal gegen die Freundin des Schuldners.
Die Erwirkung dieses Titels war nicht schwer, dauerte aber auch eine Weile, ohne daß eine Miete eingenommen werden konnte. Leider ging dann auch die Freundin in die Berufung. Nachdem auch diese für den Vermieter erfolgreich verlief, konnte er nach entsprechendem Vorlauf einen neuen Räumungstermin bekommen.
Leider mußte dieser Termin kurzfristig abgesetzt werden, da die Räumungsschuldnerin erfolgreich einen Räumungsschutzantrag gestellt hatte.
Nach einer weiteren Verzögerung kam es schließlich zu einem neuen Räumungstermin.
Diesmal wurde allerdings nicht die Freundin des Schuldners (man hatte sich inzwischen getrennt) angetroffen, sondern seine 19jährige Tochter. Die erklärte, sie wohne schon seit über 1 Jahr im Haushalt ihres Vaters und sei nur oft aushäusig. Freiwillig sei sie auch nicht bereit, die Wohnung zu verlassen. Weitere Angaben wolle sie nicht machen, und wegen evtl. Mietzahlungen möge man sich an ihren Vater wenden.
Der Gerichtsvollzieher stellte die Räumung abermals ein und gab dem Vermieter unter Hinweis auf die o.g. Rechtsprechung auf, zunächst einmal einen Räumungstitel gegen die Tochter zu erwirken.
Diese Klage hat der Vermieter dann eingereicht. ...
(PS.: Und wenn er nicht gestorben ist, dann klagt er noch heute.)
Ingo Nies