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Zum Tode von
Herbert Schmidt

Herbert Schmidt, geb. am 31.08.1920, Vorsitzender Richter am Landgericht i.R., ist am 14.02.1993 verstorben.

Er wurde am 02.01.1963 beim Amtsgericht Hamburg als Richter tätig. Seit dem 01.04.1969 war er Vorsitzender Richter am Landgericht, zuletzt Vorsitzender der Großen Strafkammer 6 (Jugendschutzkammer). Nach Jahren politischer Haft in der früheren DDR war er erst 1957 in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Am 30.08.1985 trat Herbert Schmidt in den Ruhestand.

Er war mit ganzem Herzen Strafrichter. Wir hatten ihn als "Zitaten-Schmidt" ins Herz geschlossen. Es liegt - so glaube ich - in seinem Sinne, wenn ich nachstehend die kleine Abschiedsrede wiedergebe, die ich auf ihn am 30.08.1985 anläßlich seiner Pensionierung im kleinen Kreise hielt:

»Lieber Herr Schmidt!

"Johanna geht, und nimmer kehrt sie wieder" "Lebt wohl ihr Berge, ihr geliebten Triften"

Es läßt sich auch anders sagen:

"Das Schicksal ruht in Deiner eigenen Brust" "Jeder Abschied ist ein neuer Anfang"

Und denke ich daran, daß Sie letzten Montag die Robe abgelegt haben, dann fällt mir ein:

"Du bleibst der König - auch in Unterhosen"

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"Die Szene wird zum Tribunal,

und es gestehn die Bösewichter,

getroffen von der Rache Strahl."

Ihr Leben als Strafrichter war nicht Rache. Es war Wissen darum, daß Versagen etwas Menschliches ist.

Man sagt, mit Ihnen gehe das letzte Richter-Original am Sievekingplatz. Goethe würde fragen:

"Was ist denn an dem ganzen Wicht Original zu nennen?"

Das Wort "Original" paßt nicht zu Ihnen. Es paßt nicht zu einem Mann, der viel in seinem Leben erfahren und erleiden mußte: Krieg, Verwundung, Haft in der DDR. Es paßt nicht zu einem Mann, der bei diesem Gericht, das ihn heute mit großen Worten verabschiedet, einmal um Anerkennung ringen mußte, bis er 1969 für würdig befunden wurde, zum Landgerichtsdirektor ernannt zu werden. Und bei diesem Gericht blieben Ihnen an harten Bewährungen für sich und Ihre Familie wenig erspart, etwa wenn ich an das von Ihnen geleitete Hoppe-Verfahren denke.

Sie sind mit der Großen Strafkammer 6, der Jugendschutzkammer, eng verwachsen. Sie haben diese Kammer, die wohl mit den schwierigsten menschlichen Problemen zu tun hat, geprägt. Sie haben hart gearbeitet, härter als manch' ein anderer von uns Jüngeren es heute gewohnt ist. Und der Lohn ihrer richterlichen Tätigkeit war niemals Furcht vor einem eigenwilligen Richter-Wicht, es war Vertrauen in einen Menschen, der in sein Wirken etwas Besonderes einbrachte: Das eigene Schicksal, ein erlebtes Leben.

Nicht Original. Mir fallen andere Begriffe ein: Etwa "Güte" und "Spiel". Güte in dem Sinne, den Menschen in seinen Möglichkeiten und Fehlern gelten zu lassen. Spiel in dem Sinne: ein wenig Leichtigkeit, viel Humor, den Mut dazu, sich in einer verklemmten Welt offen zu geben. Alles Dinge, die gottlob nicht in Paragraphen angesiedelt sind, sondern im Herzen, in einem tieferen Verständnis für das Bibelwort:

"Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet."

Ich weiß, daß Ihnen der Abschied schwer fällt. Er ist überschattet durch Erkrankung in den letzten Wochen. Die Zahl derjenigen, die gern zu Ihnen gekommen wären, ist groß. Nehmen Sie mit uns vorlieb, stellvertretend für andere, die Ihnen etwas mitgeben und sagen wollen: Zum Mitgeben: eine Flasche Rotwein. Zum Sagen würde ich dem Zitaten-Schmidt vieles widmen. Mir fällt im Augenblick das ein:

Trink ihn aus den Trank der Labe.
Und vergiß den großen Schmerz.
Wundervoll ist Bacchus' Gabe
Balsam für's zerrissene Herz.«

Roland Makowka