I. Herbert Ruscheweyh
Vor 100 Jahren:
In Hamburg wurde am 13. November 1892 Dr. Herbert Ruscheweyh geboren. Dieser außerordentliche Mann diente nach dem Studium der Jurisprudenz an den Universitäten Neuchâtel (Schweiz), München und Kiel seiner Heimatstadt in allen drei klassischen Staatsgewalten. Von 1921 bis 1946 war er Rechtsanwalt in Hamburg. 1928 bis 1933 hatte er ein Mandat in der Hamburger Bürgerschaft, 1931 bis 1933 war er ihr Präsident. Nach 1945 wurde Ruscheweyh Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer und 1946 - nach kurzer Zeit als Vizepräsident neben Wilhelm Kiesselbach - Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts, ein Amt, das er bis 1960 innehatte. Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichts wurde er zudem 1953. Diese Aufzählung ist nicht vollständig ohne die Erwähnung einer Tätigkeit als Präsident des Deutschen Obergerichtes für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet von 1948-1951.
Ruscheweyh starb am 11. März 1965 - Senator Biermann-Ratjen nannte ihn in seinen Abschiedsworten eine der profiliertesten Gestalten des hamburgischen Rechts- und Staatslebens. Über seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in den Jahren des Nationalsozialismus, während derer er 1933 u.a. Julius Leber vor dem Lübecker Schwurgericht verteidigte, schrieb Biermann-Ratjen: "Unvergessen sind die schweren Jahre, in denen Ruscheweyh als Anwalt mit größter Selbstlosigkeit, Besonnenheit und Geschicklichkeit, ständig bedroht von Gefahr für Leib und Leben, für seine Klienten, meist politisch Verfolgte und Gesinnungsfreunde, eintrat. So groß war sein Ansehen und der Ruf seiner Redlichkeit, daß die neue Regierung den politisch mißliebigen Mann viele Jahre lang gewähren ließ, bis am Ende auch er verhaftet wurde......" Verhaftet wurde er, wie viele Sozialdemokraten und Kommunisten nach dem 20. Juli 1944. Er verbrachte eine mehrwöchige Haft im KZ Fuhlsbüttel. Die Inschrift auf dem Ohlsdorfer Ehrenmal für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung stammt von Ruscheweyh: "Unrecht brachte uns den Tod, Lebende, erkennt eure Pflicht." Und handelt auch danach, könnte man hinzufügen - Ruscheweyh tat es.
Soviel - sowenig nur - sei aus dem aktuellem Anlaß seines 100. Geburtstages gesagt. Die Redaktion hofft, seinem Wirken demnächst mit einer längeren Würdigung gerecht werden zu können.
Vor 125 Jahren:
In Altona, Blankenese und Wandsbek werden die Amtsgerichte eingerichtet, um den erklärten Zielen Wilhelms des ersten zu dienen, eine "zweckgemäße und energische Verwaltung, sorgfältige Gesetzgebung sowie eine gerechte und pünktliche Justiz" zu haben.
Über die 125 Jahre später, am 1. September 1992, begangenen Feierlichkeiten dazu in Wandsbek finden Sie in diesem Heft einen Bericht der Aufsichtführenden Richterin Frau Horstkotte. Schon in MHR 3/92 berichteten wir über das Blankeneser Vorhaben. Auch in Altona wurde des Ereignisses am 1.9.1992 gedacht und dabei zugleich voller Stolz das soeben von Grund auf renovierte Gerichtsgebäude gezeigt - es kann sich sehen lassen. Die "Leidenszeit" während der Bauarbeiten und die Freude über die gelungene Wiederherstellung haben nach den Worten des Aufsichtführenden Richters Uphoff zudem ein neues "Wir-Gefühl" unter den Angehörigen des Gerichtes geschaffen.
Es sei ein eindrucksvolles Gerichtsgebäude geworden, meinte denn auch die Senatorin in ihrer Ansprache, die sie in dem überfüllten neuen Gemeinschaftsraum unter den Flaggen Hamburgs, Deutschlands und Europas hielt. Sie wies auf die besonderen Probleme des Altonaer Gerichtsbezirkes hin, der viele soziale Konfliktstoffe birgt, zu denen auch die Wohnschiffe der Asylanten gehören. Gleichwohl sei dieses Gericht in besonderem Maße effizient. Die kleine Einheit (heute 19 Richter und 19 Rechtspfleger mit dem dazugehörigen nichtrichterlichen Dienst) führe zu besonderer Motivation der Mitarbeiter, die ihr Gericht überblicken können und die Probleme der anderen kennen. Amtsgerichte seien "Gerichte für Menschen", führte sie aus. Deswegen sei auch die weitere Dezentralisierung von Hamburg-Mitte nach Eimsbüttel und Hamburg-Nord geboten. Die innere Struktur sei auf Dauer nur durch die Schaffung des "Justizeinheitssachbearbeiters" zu konsolidieren. In diesem Zusammenhang wie die Senatorin auch auf Initiativen zur Änderung der Besoldungsstruktur im nichtrichterlichen Bereich hin. Auch die angestrebte Schaffung von Kindertagesplätzen werde zur Attraktivität des Arbeitsplatzes in der Justiz beitragen. Die Senatorin gab zudem bekannt, es sei erreicht worden, daß nicht verbrauchte Personalkosten für Sachmittel verwendet werden dürften; so könne man bei unbesetzten Stellen in den Textverarbeitungszentralen private Schreibdienste beauftragen. Ziel des Technikeinsatz sei es im übrigen nicht, Personal einzusparen. Vielmehr diene er der Vermeidung von Fehlern und der Schaffung eines abwechslungsreichen Arbeitsplatzes. Der Amtsgerichtspräsident formulierte dies in seinem anschließenden Grußwort dahin, der Einsatz der Technik diene dazu, "zu helfen - nicht zu sparen". Die Senatorin schloß ihre Rede mit guten Wünschen für die abschließende Feier, an der sie nicht teilnehmen könne; aber es sei ohnehin am schönsten, "wenn die Eltern weg seien".
Dies war noch nicht ganz der Startschuß zum Buffet. Ein wenig preußisch sei Altona immer geblieben, meinte der Amtsgerichtspräsident in seinem Beitrag, der zunächst anschaulich die Entwicklung der Gewaltenteilung in Preußen nachzeichnete. Die Geschichte der Justiz sei immer eine der Belastung, der Überlastung und der Krise gewesen. Als eine der Ursachen in unserer Zeit nannte er die bestehende Struktur im nichtrichterlichen Dienst. In Hamburg müsse in drei Bereichen etwas geschehen: bei der Ausbildung der Justizangestellten, durch Gehaltszulagen und den Ausbau unterstützender Technik. Auch der Präsident des Amtsgerichts lobte das neue Haus und nannte es eines der schönsten Gerichtsgebäude in Hamburg. Was die Zukunft bringe, wisse man nicht - das Amtsgericht Altona habe vielleicht seine glücklichste Zeit in der alten Bundesrepublik gehabt.
Nach einer kurzen Rede Rechtsanwalt Steiners, der vor allem das neue Anwaltszimmer des Gebäudes lobte, gab es einen musikalischen Leckerbissen - das Singspiel um das Verfahren gegen August Nudelmüller wegen des Pflanzens von Vergißmeinnicht in das Gesicht des Gegners, dargeboten durch die Heldentenöre des Amtsgerichts Altona.
Es folgte der Festvortrag zur Geschichte des Amtsgerichtes Altona, den RiAG Weise hielt und dabei nicht an Kritik nach allen Seiten sparte. Der Text kann im Druck bezogen werden - deswegen soll sein Inhalt hier nicht wiederholt werden. Nach einer Kabarett-Einlage des Rechtspflegers Peter Eckert, der bei Altonaer Festen zum unverzichtbaren Bestandteil gehört, sprach zum Schluß der Geschäftsleiter Schaper. Er meinte trocken - jeder Zoll ein unabhängiger Altonaer -, zu den künftigen Perspektiven habe man aus berufenem Munde wenig Trostreiches gehört. Ein Hindernis auf dem Wege zur Lösung der Schwierigkeiten seien die hergebrachten Strukturen, die sich mehr an der Gutsherrenart der Gründerzeit dieses Gerichtes orientierten als einer modernen, leistungsgerechten Verwaltung. Er sehe eine Gefahr darin, daß die Zukunft immer mehr in den Händen aalglatter, anpassungsfähiger und geländegängiger Menschen liege, bei denen weder die Inhalte noch die Form den Anschein von intellektueller Durchsetzungskraft aufkommen ließen. Anwesende waren - gottlob nicht gemeint; und an alle erging dann Schapers Aufforderung, sich nunmehr ausgiebig - wie es Altonaer Brauch sei - dem Gelage zuzuwenden. Und so hielt man es......
Vor 540 Jahren:
Buxtehude 1452. Hermann Langenbek wird in dem kleinen Städtchen an der Este geboren - vor 540 Jahren, und doch nicht, ohne bleibende Spuren zu hinterlassen. Er stammte aus angesehener Familie, die den Jungen nach Hamburg auf die Domschule schickte. Hier verbrachte er seine Schülerjahre. Mit etwa 15 Jahren nahm er sein Studium in Rostock und Greifswald auf und wurde mit 23 Jahren Rektor der Universität. Schon 1477 war Langenbek in Rom und Perugia, wo er den Doktortitel beider Rechte erwarb. 1478 eilte er zurück nach Hamburg; man wollte ihn 1479, am Tag des St. Petri, zum Ratsherren wählen. So kehrte er zurück in die kleine Hansestadt Hamburg.
Daß er nicht nur Rechtsgelehrter war, bewies er nun als Ratsherr und Richter in praktischen Fällen des Alltags. Maße und Gewichte nicht eingehalten? In den Straßen gelärmt? So etwas wurde im Dielenprozeß der Ratsherren untersucht. Hamburg setzte ihn in diplomatischen Missionen ein. Er verhandelte mit ausländischen Mächten, entwarf Verträge, 1483 schlug er in Hamburg soziale Unruhen nieder. Aber er machte der Stadt auch seine wissenschaftlichen Kenntnisse nutzbar. Er begann, das geltende Stadtrecht, das zuletzt 1292/1301 zusammengefaßt worden war, zu revidieren. Zunächst kommentierte er die überkommenen Regeln, es entstand die sogenannte Langenbeksche Glosse. Aus dieser entwickelte Langenbek eine Neufassung des Stadtrechts, das nun erstmals eine systematische Gliederung erhielt. Er schrieb das Stadtrecht auch in Teilen selbständig fort. Ganz eigenständige Schöpfung ist das Seerecht, das in diesem Jahren entstand. Ihren Abschluß fanden Langenbeks Arbeiten mit der Veröffentlichung des neuen Stadtrechts 1497.
Langenbek sorgte auch noch für eine illustrierte Ausgabe, die einige Jahre später entstand und die mit ihren 24 Miniaturen zu den kostbarsten Schätzen des Staatsarchivs zählt. Die Ausgestaltung dieser Bilder, die Szenen aus den einzelnen Abschnitte des Stadtrechtes darstellen, wurde im Detail von Langenbek beeinflußt.
Er starb am 30. April 1517. Im Oktober des selben Jahres schlug Martin Luther seine Thesen an die Tür der Schloßkirche in Wittenberg, und die Reformation begann. Die Hamburger Ratslinie vermerkte über den verstorbenen Langenbek:" Ein weiser, vortrefflich geschickter Mann, ist vielfältig in Legationen verwandt und hat viel Sachen zum glücklichen Ende gebracht."
Ergänzend verweise ich auf seine ausführlichere Lebensbeschreibung in den Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins Nr. 5/83, Nr. 1/84 und Nr. 3/84.
Karin Wiedemann