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Hamburger Justiztage:
Versteigerungserlös für den Hamburger Fürsorgeverein

Aus dem nachstehenden Dankschreiben mögen unsere Leser ersehen, daß unser Mann mit Hut und Hammer seine Sache wieder einmal vorzüglich gemacht hat:

"Lieber Herr Dr. Makowka!

Ihnen und Herrn Dr. Wille möchte ich auf diesem Weg im Namen des Vorstandes des Hamburger Fürsorgevereins nochmals ganz herzlich Dank dafür aussprechen, daß anläßlich der diesjährigen Justiztage wieder eine Versteigerung zugunsten des Hamburger Fürsorgevereins stattgefunden und einen Erlös von DM 3.000,-- erbracht hat. Es ist uns bewußt, wieviel Arbeit mit der Vorbereitung nicht nur der Justiztage, sondern ganz besonders auch einer Versteigerung verbunden ist.

Herr Dr. Wille hat geradezu bravourös und professionell die Versteigerung geleitet, die unserer Arbeit zugute kommt. Die enge und langjährige Verbundenheit des Richtervereins mit dem Hamburger Fürsorgeverein bestärkt uns in unserer Arbeit. Hierfür danken wir Ihnen ganz herzlich und hoffen, daß es so auch in der Zukunft bleibt.

Mit freundlichen Grüßen

Dietrich Mett

1. Vorsitzender

Hamburger Fürsorgeverein von 1948 e.V."

*
Hamburger Justiztage 1992
- vom 19. bis zum 22. Mai 1992 -

Als der Deutsche Richterbund um eine feuilletonistische Darstellung der Hamburger Justiztage für die Deutsche Richterzeitung bat, entstand der nachfolgende Artikel. Trotz ungläubiger doppelter Nachfrage in der Bonner Geschäftsstelle des Richterbundes wurde keine Seitenzahl vorgegeben. Nach Übersendung aber erwies sich, daß nun leider doch nur begrenzter Raum zur Verfügung stand. Nur ein Raumproblem. Da in den Zitaten, die der Richterbund in dem Artikel in DRiZ 92,312 abgedruckt hat, vieles fehlt, was den besonderen Charakter der Hamburger Justiztage zu beschreiben versucht, hier nun die lange Fassung. Auch sie gibt nicht alles wieder, was zur Bereicherung des umfangreichen Programmes beitrug. Die von den Auslassungen Betroffenen mögen es verzeihen: Es ist kein Erfahrungsbericht, sondern ein feuilletonistischer Beitrag, wie bestellt.

Ein kühnes Unternehmen hat seinen glücklichen Abschluß gefunden: Die Hamburger Justiztage 1992 sind erfolgreich überstanden. Dieser Stoßseufzer der Erleichterung gilt einer Veranstaltung, deren Dimensionen nicht ohne Risiko für ihre Realisierung waren. Sie sollte alles allen bieten, überall und immerzu. Dies auch noch mit großer internationaler Beteiligung, wie es sich für eine Weltstadt gehört. Wovor im Zusammenhang mit Ereignissen solcher Art auch immer gewarnt wird, es ist in Hamburg eingeflossen: zu viele Themen, zu viele Tage, zu viele Orte, zu viele Zielgruppen, das gesamte Programm an Werktagen und als Zentrum ein Gebäude, dessen Grundriß schon für die Mitarbeitern ein Labyrinth ist. Neben dem allgemeinen Programm gab es zu allem Überfluß noch ein zweites für die ausländischen Besucher. Hinzukam ein hochsommerliches Wetter, das potentielle Interessenten eher an Nord- und Ostsee oder auf die städtischen Flaniermeilen an Alster und Elbe hätte locken müssen.

So erstaunte der unerwartete Ansturm am ersten der Tage der offenen Tür. Das Strafjustizgebäude, in dem ein normaler Dienstbetrieb herrschte, wurde ab 9 Uhr von Schulklassen erobert, die über die erwartete Anzahl hinaus hereinschneiten. Große Spannung erzeugte dabei die Eingangskontrolle, bei der so viele Utensilien einzubehalten waren, daß die Regale überquollen.

Im Ziviljustizgebäude verblüffte die Zahl des Publikums für einen zuvor eher als nebensächlich eingestuften Programmpunkt, die "Führung durch das Gericht - von der Annahmestelle bis zum Gerichtsvollzieher". Gleich um 9 Uhr waren 70 Interessierten erschienen. Da nur ein Richter für diese Führung vorgesehen war, und er bereits die Runde begonnen hatte, murrten die verbliebenen 50 vernehmlich. Sie behaupteten, nur dieses Rundganges wegen überhaupt gekommen zu sein und konnten gerade noch bei Laune gehalten werden, indem Aushilfsfremdenführer in Aussicht gestellt und beschafft wurden. Diese Führungen wiederholten wir für etwa 400 Interessenten an diesem Tage. Die Gelegenheit, nicht nur die Theorie des Zivilverfahrens verbal erläutert zu erhalten, sondern dies konkret mit den Schauplätzen verbinden zu können, erwies sich als anziehend.

Aber dies war schon der dritte Tag. Beginnen wir mit der Schilderung der Vorbereitungen, die sich zwar über Jahre hinzogen, aber im Gegensatz zu denen der ersten Hamburger Justiztage 1983 außerordentlich harmonisch und kooperativ verliefen. (Über die ersten Hamburger Justiztage vom 13.-15. Juni 1983 berichtete der damalige Koordinator Heiko Raabe in DRiZ 1983, I 58). Wie auch 1983, war es eine Initiative des Hamburgischen Richtervereins, die von Seiten der Justizbehörde positiv aufgenommen wurde. Unter Federführung des Richtervereins wurde eine Lenkungsgruppe gebildet, in der die grundlegenden Entscheidungen über Ort, Zeit und Inhalt getroffen wurden. Der Richterverein verfügt in Hamburg über das beste und seit Jahren gewachsene Know How für die Organisation von Veranstaltungen im Justizbereich. Durch die Justiztage 1983 und die seit 1985 entwickelte Veranstaltungsreihe "Kultur und Justiz" gibt es einen motivierten Kollegenkreis, Verteilerkanäle und Kontakte, die unerläßlich für ein großes Projekt sind. Vieles wird in Hamburg zudem dadurch erleichtert, daß etwa 1100 Richter und Staatsanwälte hier buchstäblich auf engem Raum arbeiten. Diese Konzentration und die damit verbundene räumliche Nähe schafft eine enge Kommunikation und erleichtert die Organisation beträchtlich.

Die Justizbehörde setzte sich für die Beschaffung der erforderlichen Mittel in Höhe von rund DM 40.000.- ein. Dies wurde vielleicht etwas dadurch erleichtert, daß der Justizsenator während der Planungsphase der Justiztage zum Finanzsenator wurde. Der Richterverein und die anderen beteiligten Verbände und Organisationen stellten weitere 25.000 DM bereit. Aus diesem Etat mußten auch Kosten für Plakate, Programmhefte und andere Werbemittel bezahlt werden. Ferner waren Hilfskräfte zu entlohnen, Material für Ausstellungen, Honorare und Reisekosten daraus zu finanzieren.

Die genannte Lenkungsgruppe erarbeitete in zahlreichen Sitzungen ein Konzept, das - immer weiter verfeinert - schließlich zum endgültigen Programm wuchs. Eckpunkte waren der internationale Charakter der Justiztage, das Thema der "Justizwende" in verschiedenen europäischen Ländern und Tage der offenen Tür.

Dieser Lenkungsgruppe gehörten neben dem Richterverein Vertreter aller Gerichtsbarkeiten und Staatsanwaltschaften an, ferner die beteiligten Behörden (Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ressortieren in Hamburg bei der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales) auch der Anwaltverein, die Rechtsanwaltskammer, die Notarkammer, der Notarverein und die Vereinigung hamburgischer Verwaltungsrichter. Es beteiligten sich die Gesellschaft zur Kommunikation und Fortbildung Hamburger Juristen, die Neue Richtervereinigung und die ÖTV. Die Zusammenarbeit war außerordentlich konstruktiv und freundschaftlich. Umschichtig tagte man bei den einzelnen Teilnehmern. Wettbewerbe um den besten Kaffee und die leckersten Kekse setzen ein - Gewinner dabei war eindeutig die Staatsanwaltschaft mit hausgebackenem Butterkuchen. Die allgemeine Harmonie drohte nur einmal zu zerbrechen. Ein Plakatmotiv sollte ausgewählt werden: Justitia mit kesser, nackter Schulter, Waage und küchendolchartigem Schwert, von dem Hamburger Grafiker Frank Steffenhagen entworfen. Er meinte, für die Justiz gebe es nur zwei aussagekräftige Bilder: Justitia selbst oder ein Paragraphenzeichen. Letzteres empfanden alle als zu blaß, eher geeignet, die Vorurteile vom Rechtstechnokraten Richter zu bestätigen, als die Offenheit der Justiz für den Bürger zu kennzeichnen. Also Justitia - aber wie? Einige Mitglieder der Lenkungsgruppe erhoben heftige Kritik an dem Mädchen Justitia. Es steigerte sich bis zum "Mit uns nicht!". Anstoß wurde vor allem am Schwert genommen. Jeden, der Kissels Buch über Justitia und ihre Symbole kennt oder sich sonst auch nur am Rande mit diesem Attribut befaßt hat, wird dies zutiefst verwundern. In der Justiz eines Nordlichtstaates sollte man vor dem Zeichen für die richterliche Macht, für die Vollstreckung des gefundenen Urteils und damit auch letztlich für die Justizorganisation als Ganzes zurückschrecken? So war es. Die Heftigkeit der Diskussion bewies, daß es nicht um Figur und Plakat ging, sondern um richterliches Selbstverständnis. Wir haben im Interesse des gemeinsamen Zieles, Justiztage durchzuführen, davon abgesehen, das Thema bei diesem Anlaß näher zu diskutieren und einen hanseatischen Kompromiß gefunden: Justitia trug Waage und würdige Hamburg-Fahne, wie auf unserer Abbildung zu sehen.

Die Werbung für die Justiztage mußte mit Nachdruck betrieben werden, das war allen klar. In einer Großstadt mit vielfältigem Angebot an Veranstaltungen droht ein Ereignis unterzugehen, das so wenig spektakulären Charakter hat wie Justiztage, wenn nicht immer wieder darauf hingewiesen wird. So wurden von der Hamburg-Werbung in Schaukästen im Innenstadtbereich DIN A 1-Plakate ausgehängt, DIN A 2-Plakate an Litfaßsäulen in den Außenbezirken geklebt, in allen 60 Öffentlichen Bücherhallen sowie in Bezirks- und Ortsämtern und bei den Stellen der Öffentlichen Rechtsauskunft gezeigt. Die Schulbehörde erhielt Programmzettel für Verteilung an allen Hamburger Schulen, Programme wurden an die in Frage kommenden Einrichtungen versandt. Die Senatorin gab eine Pressekonferenz, der Landgerichtspräsident trat im Fernsehen auf. Zahlen über die Justiz wurden erstellt und verbreitet. (Dabei wurde auch nicht die Antwort auf die Frage nach dem Frauenanteil in der Hamburger Justiz ausgespart). BILD, Morgenpost, DIE WELT, TAZ, der NDR und das Hamburger Abendblatt berichteten. Wer nun angesichts dieses Public-Relation-Gewitters meint, ganz Hamburg habe herbeistürzen müssen, um sich über die Dritte Gewalt zu informieren, geht fehl. Einschließlich der Schulklassen kamen etwa 6000 Besucher.

Was sahen die Bürger?

Beteiligt waren alle Fachgerichtsbarkeiten und die ordentliche Justiz. Die Fachgerichtsbarkeiten boten Sitzungen mit Vorbereitungen und ausführlichen Erläuterungen an und beschrieben Berufsbilder in ihrem Bereich. Besucher waren dabei überwiegend Schulklassen.

Das Arbeitsgericht beendete seinen Tag der offenen Tür nach getaner Arbeit mit dem Kabarett "Alma Hoppe" und einem Fest. Die Sozialgerichte öffnen ihre Pforten an zwei Tagen. Neben den realen Verhandlungen gab es ein Rollenspiel zum Thema "Sozialrechtliche Auswirkungen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen", das konkret die Sorgen der Menschen traf. Der Verein "Werkstatthaus Hamburg e.V." stellte Bilder der dort betreuten Kinder vor.

Das Finanzgericht ging mit einer Ausstellung zum Thema "Vom Frondienst zur modernen Steuer" der Geschichte des Steuerrechtes nach.

Das Verwaltungsgericht nahm sich des Themas Asyl an. In einer Podiumsdiskussion mit Wilhelm Rapp, dem Präsidenten des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichtes, Herrn v. Nieding, dem Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, dem Richter am Bundesverwaltungsgericht Henkel, dem Bundestagsabgeordneten Vahldieck und der Rechtsanwältin Toepfer wurde die Frage erörtert "Können die Verwaltungsgerichte dem Flüchtlingsproblem gerecht werden? Sie wurde von den Richtern verneint: "Die Völkerwanderungen sind kein juristisches Problem." Kritisiert wurde von den beteiligten Verwaltungsrichtern auch das sogenannte Beschleunigungsgesetz.

Der Programmablauf in der ordentlichen Justiz soll so kurz wie möglich beschrieben werden. Wirklich kurz geht es angesichts der Fülle nicht:

Zur Eröffnung am 19. Mai wurde als "Festrednerin" die Journalistin Lea Rosh eingeladen. Die Erwartung ging dahin, einer als kritisch bekannten Journalistin das Wort zu geben, um von ihr Anregungen für öffentlich empfundene Schwachstellen der Justiz zu hören, vielleicht Anstöße zu erhalten für zukünftige Schwerpunkte der Bemühungen um Öffnung der Justiz. Lea Rosh gab im September 1991 ihre Zusage. Im März 1992 schrieb sie, sie wisse eigentlich doch nicht recht, was sie zu einem solchen Anlaß beitragen solle, ob man sie von ihrer Verpflichtung entbinden könne. Über Wochen hielt sie Anrufer hin, versprach Rückrufe, rief aber nicht zurück, ließ abwimmeln. Dieses Spieles leid, entschlossen wir uns, ihr endgültig abzuschreiben. Die Kürze der Zeit ließ es nicht zu, einen Ersatz zu gewinnen. Und: Brauchen Veranstaltungen nicht eine neue Auftaktidee? Der Eröffnung der Justiztage hat das Fehlen der Dame Rosh keinen Abbruch getan.

Dr. Helmut Plambeck, Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts und des hamburgischen Verfassungsgerichts, begrüßte die Gäste. Er drückte den Wunsch aus zu zeigen, daß in der Justiz Menschen nach bestem Wissen und Gewissen, aber auch mit jener Fehleranfälligkeit, die jedem menschlichen Bemühen innewohne, für die Bürger tätig seien. Es sei notwendig, sich der Kritik zu stellen; dies gelte auch für die unrühmliche Geschichte der Hamburger Justiz im Nationalsozialismus. Das Bewußtsein für diese Vergangenheit sei das beste Bollwerk gegen Wiederholung. Eine Passage seiner Rede sei zitiert. Sie beschreibt das Idealbild des Richters, nahezu unentbehrlich für die Vervollkommnung des Rechtsstaates, aber zugleich doch so überaus lästig für Justizverwaltungen: "Die sichere Beherrschung des juristischen Rüstzeuges ist für den Richter gewiß wichtig. Wichtiger aber noch sind Charakter, Unabhängigkeit im kritischen Denken und Zivilcourage. Denn der Rechtsstaat ist - wie die Demokratie - niemals gesichert. "

Frau Justizsenatorin Dr. Lore-Maria Peschel-Gutzeit unterstrich die Notwendigkeit, die Justiz dem Bürger zu öffnen. Es sei erreicht worden, daß die Bürger selbstbewußter mit ihren Rechten umgingen. Justiz werde als Dienstleistungsunternehmen angenommen. Besonders hilfreich für das gegenseitige Verstehen und die Akzeptanz seien die vielfältigen Veranstaltungen in der Hamburger Justiz. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Öffnung der Justiz sei aber auch die Pflege der internationalen Kontakte durch die Hamburger Justiz, die im nationalen Vergleich beispielgebend sei.

Anschließend sprach der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Dr. Landry. Er hob das in Hamburg traditionell enge und gute Verhältnis zwischen Justiz und Anwaltschaft hervor. Es folgte der "Treffpunkt Presse", der Gelegenheit zu Journalistenfragen an die Veranstalter geben sollte. Sie wurde aber nur von einer Volontärin genutzt - ihre Kollegen wußten offenbar schon genug über die Justiz, wie man ja auch täglich in den Medien bemerken kann.

Währenddessen ging am Hauptveranstaltungsort, der Grundbuchhalle, das Treiben weiter. Der Name rührt daher, daß sich in den angrenzenden Räumen früher das Grundbuchamt befand. Die Halle ist Teil eines Anbaues zum Ziviljustizgebäude, der zwischen 1928 und 1932 nach den Plänen Fritz Schumachers entstand, des Hamburger Baudirektors, der während seiner Amtszeit den Backsteinbau in Hamburg wieder zur Blüte brachte. Diese ovale Halle mit zwei Galeriegeschossen und einem plätschernden Brunnen war gerade vor den Justiztagen nach ihrer Restaurierung eingeweiht worden. Den Anstoß hierfür gab ein vom Richterverein initiierter Wettbewerb mit dem Ziel, ein Kommunikationszentrum für die Justiz zu schaffen, das aber auch Rechtsanwälten offenstehen soll. Die Halle und die angrenzende neu eingerichtete Cafeteria waren der örtliche Mittelpunkt der Justiztage und gaben allen dort stattfindenden Programmteilen und den Gesprächen einen harmonischen, großzügigen Rahmen. Hier soll nicht der Eindruck erweckt werden, die Nützlichkeit solcher kommunikativen Einrichtungen sei in Hamburg allgemeines Gedankengut. Auch hier werden in diesen Tagen Gerichtsgebäude geplant, deren vordergründiges Effektivitätsstreben atmosphärische Extravaganzen nicht zuläßt. In der Grundbuchhalle jedenfalls ermöglichen eine durchdachte Beleuchtung und Bilderleisten an den Wänden wechselnde Ausstellungen, wie z.B. der gerade zu den Justiztagen eröffneten Reihe von chinesischen Bildern mit Motiven aus Robert van Guliks Romanen um den Richter Di Jen-Djiä aus dem China des 7. Jahrhundert. Ihr Maler, Wang Jianan, lebt in London, von wo er wegen des Streikes im öffentlichen Dienst nebst Bildern nur über Umwege zur Eröffnung kommen konnte. Die Kosten dafür hat nicht der arme Hamburgische Richterverein getragen, sondern eine Galeristin.

Die Eröffnungsveranstaltung nahm weiter ihren Lauf mit dem Auftreten einer Gruppe von Taiwanesen, die seit der "Verbrüderung" der Landgerichte Taipeh und Hamburg in großer Zahl zu uns kommen. Zu den Justiztagen waren es 39. Ferner nahmen schwedische Kollegen aus Lund und französische Richter und Staatsanwälte aus Bobigny teil, der Stadt nördlich von Paris, die für die Probleme des Flughafens Charles de Gaulle zuständig ist. Zu den Kollegen und Freunden aus Lund und Bobigny pflegt der hamburgische Richterverein seit Jahren Kontakte, so war es selbstverständlich, sie zu einem solchen Ereignis auch einzuladen. Aus Lund kam das Studentenvokalquartett "Balder", um den Justiztagen ein Ständchen zu bringen. Dazu gab es Freibier einer Hamburger Brauerei. Die Zeit bis zum Auftritt des Bremer Juristenkabaretts "Libretto Fatale" zu überbrücken, fiel nicht schwer. Köstlich war die Kabarettszene, in der verschiedene Charaktere unter Richtern und Staatsanwälten aufs Korn genommen wurden. Ähnlich wie in "Ballmanns Leiden" des Kollegen Rosendorfer sind Beobachtungen von Insidern über Insider immer wieder fesselnd - so auch hier.

Der zweite Tag stand am Sievekingplatz unter einem einzigen Thema von immer noch großer Aktualität, der Beschäftigung mit den Stadien, die europäische Justiz in verschiedenen Regionen auf dem Weg von der Diktatur zum Rechtsstaat zurückgelegt hat: "Justiz im Übergang von der Diktatur zum demokratischen Rechtsstaat". Gäste aus St. Petersburg, Budapest und Lublin, Madrid und Sevilla berichteten am Vormittag über die Entwicklung in ihren Heimatländern. Ingo Müller moderierte das Gespräch. Er hatte Fragen ausgearbeitet, die den Diskutanten zuvor übermittelt worden waren. Zur Vergangenheit wurden die Bereiche Gewaltenteilung, Rechtsschutzgarantie, Auswahl und Abberufung der Richter, Unabhängigkeit der Justiz und die Garantie anwaltlichen Beistands erörtert. Zur weiteren Entwicklung diskutierten die Teilnehmer den Gang der Reformen in diesen Bereichen. Es wurde gefragt, ob es ältere, bewährte Justiztraditionen gebe, an die man anknüpfen könne, und ob man Vorbilder in anderen Rechtssystemen habe. Zu Recht verwies Ingo Müller eingangs der Diskussion darauf, daß es eine komfortable Einbahnstraße von der Diktatur zum Rechtsstaat nicht geben könne. Die Reise habe kein Ende. Rechtsstaat sei kein Ziel, bei dem man anlangen und ausruhen könne.

Die Teilnehmer des Vormittagsgespräches gaben relativ sachliche, manchmal erstaunlich von distanzierte Darstellungen. Auch ältere unter ihnen sprachen über die Vergangenheit ihres Landes wie von fernen Gegenden, an deren Angelegenheiten sie keinen Anteil hatten. Das staunende Publikum erfuhr auch, daß es in Ungarn, abgesehen von den Urteilen in Folge des Aufstandes von 1956 keine von außen beeinflußte Justiz gegeben habe. Nennenswerten Einfluß auf die alltägliche Rechtsprechung habe es nicht gegeben. Solche und andere Erklärungen hätten der Vertiefung bedurft, die in der Kürze der Zeit nicht gelang. Dennoch muß der Versuch, sich dem Verständnis zu nähern, als gelungen betrachtet werden. Geplant ist, die Diskussionen aufzuarbeiten und ein schriftliches Resümee zu ziehen. Auf dieser Grundlage könnte dann der Austausch vertieft werden.

Am Nachmittag, an dem die "Wende" in den neuen Bundesländern auf dem Programm stand, gab es keine kühle Distanz. Die Darstellung der eigenen Betroffenheit, die selbstkritische Erläuterung der eigenen Wende und die Klage über rüde Behandlung durch die neuen Dienstherren überwogen.

Das Thema des Unrechtsstaates wurde während der Justiztage noch in einem anderen Zusammenhang betrachtet: In einer Reihe von Vorträgen zur Hamburger Justiz im Nationalsozialismus dokumentierte eine Arbeitsgruppe der Justizbehörde neueste Forschungen. Sie sind festgehalten in dem jüngst erschienen Band "Für Führer, Volk und Vaterland". Vorträge zu einzelnen Bereichen ließen die Vergangenheit auf beklemmende Weise lebendig erscheinen. Ein Beitrag befaßt sich mit der beispielhaften Parteikarriere des nationalsozialistischen Oberlandesgerichtspräsidenten Curt Rothenberger, dessen Instrument der Vor- und Nachschau sich als sehr wirksam erwies. Die Richter hatten vor dem Prozeß Instruktionen über den Ablauf des Verfahrens und das Strafmaß einzuholen, danach wurde "Manöverkritik" geübt. Wassermann hat ein solches Verfahren im Detail beschrieben - nicht aus dem Nationalsozialismus, sondern aus dem real existieren Sozialismus (DRiZ 1991, 438, 443).

Diese Vorträge waren bereits Bestandteil des Programms an den beiden Tagen der offenen Tür am Sievekingplatz. Sitzungen und Rollenspiele, Vorträge und Diskussionen, Ausstellungen, Schauräume und Stände verschiedener Organisationen wurden geboten:

Die Rollenspiele fanden großen Zuspruch. Im Zivilrecht spielten Kollegen aus dem richterlichen und nichtrichterlichen Dienst gemeinsam einen Fall zum Reisevertragsrecht. Zur Enttäuschung der Mitspieler bestand die überwiegende Zahl ihrer Zuhörer aus Viertklässlern, deren Lehrerin sich nicht abweisen lassen wollte, weil die Kinder sich schon so darauf gefreut hätten! Alle hörten anderthalb Stunden gebannt zu, störten nicht und gingen danach glücklich auf den Innenhof - Eis-Essen und Auf-dem-Rasen-toben.

Im Strafrecht spielten Schüler selbst eine Hauptverhandlung. Sie schlüpften in Richter- und Anwaltsroben. Der Ausgang stand nicht fest; jeder durfte seine Rolle frei gestalten. Die Grundlagen hierfür waren in langer Vorbereitungszeit erarbeitet worden. Den Anstoß zu diesem lebendigen Rechtskundeunterricht hatte der Ärger der Richterin am Landgericht Berlit-Hinz gegeben, die es leid war, in Verhandlungen auf einen mit müden und gelangweilten Schülern gefüllten Saal zu blicken. Das Spiel war für Zuschauer und Handelnde sehr spannend - zumal diese Art der Kommunikation zwischen Gericht und Schule auch dem NDR aufgefallen war.

Intensive Kontakte zwischen Schule und Gericht zu schaffen, ist vielleicht auch durch die Vermittlung zahlreicher Schulklassen an Richter gelungen. Die Lehrer hatten die Möglichkeit, zuvor genaue Wünsche über die Art des Verfahrens, Ort und Zeit zu äußern, wurden dann mit einem entsprechenden Richter zusammengebracht und sprachen die Einzelheiten mit diesem ab, so z.B. die Frage, ob man zuvor in der Schule ein Gespräch führen könne oder ob Erläuterungen nur vor oder nach den Sitzungen gegeben werden sollten. Das Familiengericht stieß hierbei auf großes Interesse. Nach den Erklärungen der Lehrer wollten sich viele der Kinder und Jugendlichen hierüber informieren, weil sie Trennungen in ihrer eigenen Familie erleben. Das Familiengericht bot einen einführenden Vortrag und sodann Sitzungen an, die sich mit öffentlich verhandelbaren Fällen befaßten. Große Nachfrage herrschte auch nach Jugendgerichtsverfahren. Immer wieder wurde geäußert, man wolle Verhandlungen über Autodiebstähle und Fahrgeldhinterziehung sehen und hören. Die Kollegen waren in großer Zahl gerne bereit, ihre Sitzungen zu erläutern, und auch dazu, sie hinsichtlich der Rechtsgebiete und der zeitlichen Einteilung für den Besuch vorzubereiten.

Die Rechtsanwaltschaft und die Notare waren mit Musterbüros, Berufsberatungen und Informationen für den Bürger über ihre Organisation aber auch über Rechtsfragen präsent. Das Eigentumsrecht in den neuen Bundesländern und erbrechtliche Fragen erwiesen sich als besonders anziehend für das Publikum, wohingegen das Thema "Trennung und Scheidung" beim erwachsenen Publikum kaum Aufmerksamkeit erfuhr. Die Stehtische der Rechtsanwälte, an denen Kaffee, Kuchen oder Sekt gereicht wurden, erwiesen sich als Anziehungspunkt. Hier traf man sich - ebenso wie in der Cafeteria in der Grundbuchhalle.

Berufsberatung in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt wurde nicht nur für Anwalts- und Notargehilfinnen, sondern auch für den Bereich der Juristenausbildung und des nichtrichterlichen Dienstes angeboten. Dieser Thematik folgten auch Besichtigungen der neu eingerichteten Gruppengeschäftsstellen als Beispiel moderner Büroorganisation.

Für die Schöffen gab es ein Kolloquium des Erfahrungsaustausches, zunächst untereinander und dann zusammen mit Richtern. Es wurde von einer relativ geringen Zahl der insgesamt angeschriebenen Schöffen besucht, erwies sich aber als inhaltsreiches, fruchtbares Gespräch über die Probleme der Schöffen mit ihrer Rolle und im Umgang mit den Berufsrichtern.

Weitere Themen waren das neue Betreuungsrecht, Verkehrsunfälle und ihre Abwicklung, Verbraucherschutz, Gewalt gegen Frauen. Letzteres war eine der bestbesuchten Veranstaltungen, in der Kollegen und Kolleginnen aus dem zuständigen Dezernat der Staatsanwaltschaft über ihre Arbeit berichteten. Ergänzt wurde dieser Bereich durch einen Informationsstand der Opferhilfe und einen Vortrag über deren Arbeit. Mieter- und Grundeigentümerverein betrieben Stände mit Informationsmaterial, Mieterichter leisteten dabei beratend Unterstützung. Die Bürger nahmen diesen Service gerne an.

Gut besucht war eine Podiumsdiskussion zum Thema "Armut vor Gericht", die zunächst deren Erscheinungsformen untersuchte, wie z.B. ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse, Verschuldung durch Ratenkredite oder den Problemkreis Unterhalt und Schulden. Im zweiten Teil wurde über den Umgang des Richters damit diskutiert. Es ging um Sprachprobleme, insbesondere im schriftlichen Verfahren, in der Verhandlung selbst und um Auswirkungen der Armut auf die Strafzumessung.

Auch der entgegengesetzte wirtschaftliche Standort wurde erörtert - in einer Diskussion zum europäischen Steuerrecht, an der die Hamburger Europaabgeordneten Dr. Georg Jarzembowski und Christa Randzio-Plath teilnahmen. Die Europaunion beteiligte sich mit einem Informationsstand zu europäischen Rechtssituation und einem Vortrag über den Maastrichter Unionsvertrag. Weitere Diskussionen und Vorträge befaßten sich mit dem genetischen Fingerabdruck, ausländischen Mitbürgern vor Gericht sowie der Frage, ob Strafjustiz das Drogenproblem bewältigen könne. Letztere Diskussion verlief offensichtlich auf anspruchsvollem juristischen Niveau: Eine Protokollführerin, die sich diese Diskussion anhörte, bemerkte später, sie habe eigentlich gar nicht verstanden, wovon die Rede gewesen sei, die Diskutanten hätten sich nur Paragraphen an den Kopf geworfen. Nun, es war also eher eine Insiderveranstaltung, von Experten für Experten. Der Bürger erfuhr Konkreteres auf den Ständen verschiedener Drogenberatungseinrichtungen und vielleicht auch aus dem an einem Verkaufsstand angebotenen Buch der Gerichtszeichnerin Christine Böer aus der Junkie-Szene, "Auf der Kippe".

In einer umfangreichen Ausstellung auf dem Innenhof des Ziviljustizgebäudes erläuterte die Justizbehörde ihr Konzept des Strafvollzuges in zwei offenen Zelten. Dargestellt wurde der Alltag in der Haftanstalt, der Lebensweg eines Gefangenen im Vollzug und nach der Entlassung. Ausgestellt wurden auch Werke aus der Ausbildung und den Freizeitgruppen. Mit einem Quiz über den Strafvollzug und einem Würfelspiel, das den Spieler in die Konflikt- und Entscheidungssituationen eines Strafgefangenen nach der Entlassung versetzte, war die aktive Mitarbeit der Besucher gefordert.

Es gelang im Laufe eines Nachmittages sogar, die Befestigung der bereits aufgestellten Zelte so zu ändern, daß die Verkehrssicherungspflichten annähernd gewahrt wurden. Von unschätzbarem Wert war dabei der Erfindungsreichtum der Justizbehörde: Verkehrssicherungshütchen wurden ausgeliehen, um scharfkantige Metallschienen abzudecken, die unschwer als gefährliche Werkzeuge hätten bezeichnet werden können. Auch solche Pannen und ihre Behebung machen einen Teil des Unternehmens Justiztage aus und sollen nicht verschwiegen werden.

Eine Würstchenbude, reges Treiben unter den hochgerollten Zelten und eine gut besuchte "grüne Minna" machten den Hof bei herrlichem Wetter zum Anziehungspunkt. Die "grüne Minna" war ursprünglich nicht vorgesehen. Einige Journalisten - immer auf der Suche nach griffigen Motiven - erinnerten sich aber daran, daß sie bei den ersten Justiztagen 1983 zu besichtigen gewesen war und fragten nach ihr. Die Justizbehörde erwies sich als hochgradig flexibel und stellte das Gefährt bereit.

Eine mögliche Alternative zum Strafvollzug stellten Mitarbeiter der Jugendarrestanstalt in einem Ausstellungsstand vor, an dem sich gute Gelegenheiten zum Gespräch boten. Blickfang war eine selbsthergestellte mannshohe Puppe in einem Käfig. Zugrunde liegt die Idee der Krisenintervention durch vorübergehendes Wohnen in der Jugendarrestanstalt.

Sportlicher Höhepunkt war ein Fußballspiel der Strafverteidiger gegen Staatsanwälte und Richter. Wie nicht anders zu erwarten, besiegte die Justizmannschaft die schlecht verteidigenden Strafverteidiger haushoch. 5:1 lautete das amtliche Endergebnis, in dem nach Berichten der Hamburger Morgenpost von Fairneß gesprägtem Match.

Eine Attraktion der Justiztage, 1983 wie 1992, war die Versteigerung gespendeter Sachen zu Gunsten des Hamburgischen Fürsorgevereins, der entlassene Strafgefangene betreut und auch Werkstätten unterhält. Richter am Landgericht Wille schlüpfte in die Rolle eines professionellen Versteigerers und trieb in einzigartiger Manier, die etwa in der Mitte zwischen dem Habitus eines Lateinprofessors und dem eines Bananenverkäufers auf dem Hamburger Fischmarkt angesiedelt ist, die Preise in die Höhe. Manchmal unter Zuhilfenahme eines in langjähriger Strafrichtertätigkeit erlernten Haifischbarjargons gelang es ihm, insgesamt DM 3000.- einzunehmen. Manch einer ist nun plötzlich Eigentümer eines alten Pappkoffers mit Absenderangabe, eines Schafskopfschädels oder eines Räuchermännchens (mit Räucherstäbchen). Den juristischen Höhepunkt der Auktion stellte vermutlich die Versteigerung des letzten bekannten Hamburger Barettes dar. Eine junge Kollegin erwarb es zum ewigen Angedenken.

Ein Forum mit internationalen Gästen über die Schwierigkeiten des Juristenalltags dort und eine Diskussion zum Thema "Alkohol im Straßenverkehr" rundeten das Fachprogramm am letzten Tag ab. Das Thema "Alkohol" diente der Einstimmung auf den folgenden, von Freibier beherrschten Teil des Geschehens. Die Justiztage klangen am Sievekingplatz aus mit dem Auftritt einer Schulband aus Eltern, Lehrern und Schülern des Luruper Goethe-Gymnasiums, die für sich den Bigbandjazz der Vierziger wieder entdeckt hatten und mit dem Justizfest, bei dem traditionsgemäß die bekannten Justizjazzer ihren Oldtime-Jazz boten.

Den kulturellen Rahmen bildeten nicht nur das Bremer Kabarett und die Jazzer, sondern auch klassische Musik, gespielt vom Hamburger Juristenorchester. Es besteht aus Juristen aller Berufssparten und leistet sich - als Verein organisiert - eine professionelle Dirigentin. Das Spiel bewegt sich auf bemerkenswertem musikalischen Niveau. Als sei das Programm für unseren französischen Gäste ausgesucht worden, spielte man neben Beethovens Coriolan-Ouvertüre das Cellokonzert Nr. 1 von Saint-Saëns und die 2. Suite Arlésienne von Bizet, letztere im Tempo vielleicht etwas getragen. Auch die Theaterfreunde kamen auf ihre Kosten. Das Hamburger Richtertheater spielte das Stück "Ein wahrer Held" von Synge.

Ein Bindeglied zwischen Kultur und Justiz stellen die Ausstellungen dar, die zum großen Teil nach den Justiztagen erhalten bleiben, um den Fluren des Gebäudes ein freundlicheres Aussehen zu geben und das Publikum ein wenig von der vielleicht immer noch drohenden Miene der Justiz abzulenken. "Recht im alten Hamburg" ist eine dieser neuen Ausstellungen. Nachdem das Thema "Recht und Nationalsozialismus" bereits durch eine dem Publikum ständig zugängliche und auch gut angenommene Dokumentation behandelt war, fehlte immer noch die davorliegende Zeit. Zwischen Reichsjustizgesetzen und 1933 gibt es wenig Besonderes über die Hamburger Justiz zu sagen, die Zeit davor aber birgt eine Fülle an Eigenheiten des Hamburger Partikularrechtes. Einiges davon ist in Dokumenten, Illustrationen zu Stadtrechten, Gerichtsgebäudebildern und Stadtplänen eingefangen worden. Integriert in die Ausstellung ist eine beleuchtete Vitrine, die aus einer stillgelegten Tür entstand. Sie konnte mit Hilfe eines besonders engagierten Bibliotheksmitarbeiters und Handwerkern der Hausverwaltung gebaut werden und nimmt Bücher, Pläne und eine mächtige alte Buchpresse auf. Hier lassen sich Stadtrechtsausgaben der Bibliothek - derzeit eine Fassung von 1603 - und vieles mehr ausstellen.

Eine andere Ausstellung befaßt sich mit "Justitia und ihren Symbolen". Die Werke der Kunstgeschichte und die Gebrauchsgrafik unserer Zeit weisen eine Fülle von Darstellungen auf, von denen einige gesammelt wurden. Es waltet dabei nicht immer der Ernst. Die Symbole werden in ihrer Bedeutung erklärt und zudem die Entstehung des Plakates der Justiztage dokumentiert. Die Justitiasammlung ist keinesfalls abgeschlossen und gut fotografierte weitere Damen sollten hinzukommen. Beide Ausstellungen werden in Bilderrahmen präsentiert, die die Holzwerkstatt des Hamburgischen Fürsorgevereins, dem der Erlös der beschriebenen Versteigerung zu gute kam, hergestellt hat. Eine weitere, leider wieder abgebaute, Ausstellung zeigte das "Notariat im Bild". Hier sahen wir eine umfassende Sammlung von köstlichen Darstellungen notarieller Tätigkeit in Vergangenheit und Gegenwart, ausgewählt von der Notarin Dr. Heinrich aus Gemälden, aber auch aus witzigen Cartoons.

Es gehört für mich als Koordinatorin zu den erfreulichsten Erfahrungen dieser Justiztage in Hamburg, daß die Zusammenarbeit mit den aktiv Beteiligten aus dem richterlichen und nichtrichterlichen Dienst so harmonisch und kooperativ verlaufen ist, wie es nicht zu erwarten war. Alle, die an der Vorbereitung und Durchführung der Justiztage mitarbeiteten, haben daran Freude gefunden. Dies gilt insbesondere für den nichtrichterlichen Dienst, der durch die besonderen Aufgaben und die schwungvolle Ausnahmesituation eine sonst oft vermißte Zuwendung erlebte. Nach vorangegangener gemeinsamer Diskussion über die praktischen Einzelheiten stand die innere Organisation des Ablaufs fest. Jeder Beteiligte wußte, welchen Part er oder sie dabei zu spielen hatte und daß es dort auf ihn oder sie ankam. Die übernommenen Aufgaben wurden dann fast selbstverständlich erledigt. Zwischendurch gab es vor Ort kurze Absprachen, vielleicht eine kleine Änderung, und alles lief weiter. Kleine Pannen lösten keine Katastrophenstimmung aus, jeder wußte, an wen er sich zu wenden hatte und dieser wußte Rat. Nein, es gab gar keine Probleme in diesem Bereich. Die reine Freude.

Der finanzielle und organisatorische Aufwand für die Justiztage war beträchtlich. Jede der Gerichtsbarkeiten hatte sich in ihrem Gebäude auf den Besucherstrom einzurichten. Ein großes Haus, wie das Ziviljustizgebäude der ordentlichen Gerichtsbarkeit, mit vielen fremden Menschen erfordert ein enges Informations- und Leitsystem, das bedauerlicherweise auch im Alltag fehlt, nun aber auf Grund der gewonnen Erfahrungen systematisiert werden soll. Die Verteilung der Räume und Flure für Diskussionen, Vorträge und Stände - möglichst unter Wahrung der Empfindlichkeit aller Beteiligten - ist zu organisieren. Die Hausverwaltung und Geräteverwaltung müssen Zimmer herrichten, Möbel rücken, die Sicherheit ist zu bedenken. Zusätzliche Reinigungskräfte sind erforderlich. Bilder sind aufzuhängen. Essen und Trinken ist herbeizuschaffen und bereitzuhalten. Referenten und ausländische Gäste sind zu finden, einzuladen und in das Geschehen einzubinden. Das alles kostet Zeit und Geld.

Warum das ganze? Die ersten Hamburger Justiztage im Jahre 1983 hatten zum erklärten Ziel, "Justiz aus dem Elfenbeinturm" zu holen. Dies war im Hamburg der beginnenden achtziger Jahre notwendig und längst überfällig. Die Justiz sollte bürgernäher, die Distanz zu den Rechtssuchenden aufgebrochen werden. Die Bürger sollten mit dem "Dienstleistungsunternehmen Justiz", wie man damals zu formulieren begann, vertrauter gemacht werden und die Strafjustiz ein menschlicheres Gesicht gewinnen.

Auch die zweiten Hamburger Justiztage 1992 hatten diese Aufgabe. Zwar ist in der Zwischenzeit vieles von dem, was damals nur wünschenswert, aber kaum erreichbar schien, Realität geworden. Aber die Akzeptanz, die der Justiz zuweilen bescheinigt wird, muß jeden Tag neu erworben werden. Voraussetzung für solche Akzeptanz ist Vertrauen, und dieses wächst nach unserer Vorstellung am besten auf dem Boden der Offenheit und des Verstehens. Darzustellen, welches Spektrum die Justiz heute abdecken muß, wie vielfältig die Aufgaben sind und wie die dritte Gewalt mit ihnen umgeht, kann dazu beitragen. Die direkte Begegnung mit den Menschen in der Justiz kann helfen, Mißtrauen abzubauen oder vielleicht bei den vielen fröhlichen Schulkinder, die durch das Haus gingen, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Gespräche mit Lehrern, die sich zu Sitzungen anmeldeten, boten schon Gelegenheit, manches klarzustellen oder Vorurteile zu beseitigen. "So habe ich mir Richter gar nicht vorgestellt", hieß es da nach einem anregenden Gespräch darüber, welches Programm man für eine Schulklasse zusammenstellen könne.

Auch die jungen Richter, die an zwei Informationsständen im Ziviljustizgebäude bereitwillig Fragen beantworteten und dem Ansturm geduldig standhielten, haben mit ihrem liebenswürdigen Engagement viele Bürger für sich eingenommen. Umgekehrt haben sie vieles aus den Gesprächen gelernt. Man sollte vielleicht nicht mehr von Ängsten des Bürgers gegenüber der Justiz sprechen, Hemmungen gibt es sicher immer noch. Das Bild der humanen Justiz kann aus der Natur der Sache keines von steter Freundlichkeit sein, wohl aber das einer Institution, die das Gespräch ermöglicht, in der es Menschen gibt, die noch zuhören, die sich besondere Umstände erklären lassen und die nach einer Entscheidung suchen, in der die Komplexität unserer Welt beachtet wird. Die Unnahbarkeit des Richters der Vergangenheit schürte nicht nur Vorurteile und Ängste. Sie schuf auch eine Erwartungshaltung des Rechtssuchenden, der die Justiz niemals gerecht werden konnte; die der Unfehlbarkeit. Justiztage bieten Gelegenheit, zu zeigen, wie ein Urteil heranwächst, wieviel Fehlerquellen es haben kann, welches das Handwerkszeug zu seiner Entstehung ist und auch welch ein mühsamer Prozeß es sein kann, das Recht zu finden. Wissen über die dritte Gewalt zu vermitteln, so scheint mir, kann viel dazu beitragen, das Vertrauen des Bürgers zur Dritten Gewalt zu festigen.

Justiztage sollten deswegen in Hamburg zum ständigen Repertoire der Öffentlichkeitsarbeit werden. Sie können es nicht, wenn sie in dem hier geschilderten Umfang und in langen Abständen von 9 Jahren stattfinden. Konzentrierter, bescheidener, aber dafür etwa alle drei Jahre veranstaltet, könnten Justiztage zu einer ständigen Einrichtung werden, die man kennt, an der man teilnimmt. In der Zeit dazwischen darf uns der Faden nicht aus der Hand gleiten. Die gewonnenen Beziehungen zu den Schulen müssen gepflegt werden, vielleicht in der Weise, daß ein Forum für die an den Justiztagen beteiligten Richter und Lehrer geschaffen wird, das regelmäßigen Austausch ermöglicht und gemeinsame Pläne für die weitere Zusammenarbeit macht.

Die Kontakte zu den ausländischen Kollegen müssen inhaltlich vertieft werden. Hierbei sollte nicht mehr die Begegnung selbst das vorrangige Ziel sein, sondern eine Entwicklung hin zu einem konkreten fachlichen Austausch angestrebt werden.

Auch das Interesse der Bürger an einer "Justiz zum Anfassen" könnte einen Ansatz zu regelmäßigen Begegnungen bieten: Als Teil der Öffentlichkeitsarbeit wäre das regelmäßige Angebot zur Teilnahme an erläuterten Sitzungen und Führungen durch das Gericht möglich. Besorgnisse, daß solche Angebote überwiegend die gerichtsbekannten Querulanten anlocken, haben sich nicht bestätigt. Diese suchen nicht Information und Gespräch. Das Motto der Hamburger Justiztage lautete "Justiz für die Bürger". Eine solche Justiz, die mehr wäre als ein beliebiges "Dienstleistungsunternehmen", hätte immer eine offene Tür, und vielleicht bedürfte es dann gar nicht mehr der "Tage der offenen Tür".

Karin Wiedemann