Hans-Georg Dahm, langjährig Vorsitzender der Jugendstrafkammer 17 des Landgerichts, hat seine Sachen zusammengepackt und den dienstlichen Schreibtisch geräumt. Wie angekündigt, wird so etwas in unserer neuen Rubrik "Freud & Leid" mitgeteilt, nicht weiter - jedenfalls als Grundsatz nicht. Er indessen hatte in einem so hübschen Abschiedsgedicht zu einem (inzwischen absolvierten) Umtrunk eingeladen, daß wir statt mit der Regel gleich mit der Ausnahme beginnen und unserem jüngsten Pensionär das Wort geben:
A b s c h i e d i n F r e i h e i t
Ein Richter - nah dem "Feierabend",
Die Sechzig überschritten habend -
Bedenkt mit wachsendem Verdruß,
Daß er in Bälde gehen m u ß .
Obwohl berufs- und amtserfahren,
Wird er mit fünfundsechzig Jahren,
Wie dies gesetzlich vorgeschrieben,
Jäh aus dem Richterdienst vertrieben.
Tut dies - hört man ihn sich entsetzen -
Nicht seine Unabhängigkeit verletzen,
Die ihm in seinem Richterleben
Als höchstes Rechtsgut mitgegeben?
Hat ihm ein Dritter vorzuschreiben,
Wie lange er im Amt darf bleiben,
Wann er, mag es ihn auch verdrießen,
Die Akten endgültig muß schließen
Und er - um alles in der Welt -
Sein allerletztes Urteil fällt?
Gedankenvoll schaut sich der Mann
Artikel siebenundneunzig an,
Der Unabhängigkeit ihm kündet
Und doch an das Gesetz ihn bindet.
Kann frei er über sich verfügen
Und dennoch dem Gesetz genügen?
Zu seinem Glück läßt, wie zu hoffen,
Ihm das Gesetz ein Schlupfloch offen,
Durch das als völlig freier Mann
Er aus dem Dienst entweichen kann:
M u ß er mit fünfundsechzig gehen,
Notfalls mit Zwang, wie wir gesehen,
Bleibt ihm anstelle dieser Qual
Drei Jahre vorher f r e i e Wahl.
In dieser Zeit nur e r bestimmt,
Wann schließlich er den Abschied nimmt.
Kein Mensch kann ihn am Fortgang hindern,
Gar die Pensionsbezüge mindern!
So geht der Richter vor der Zeit
In voller Unabhängigkeit,
Wird Ruheständler: mit Genuß,
N i c h t widerwillig, weil er m u ß .