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Fragebogen-Auswertung

des Richtervereins Baden-Württemberg

 

Seit 2010 wurden verschiedene Gerichte und Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg mit neuen EDV-Systemen ausgestattet, und zwar mit

- forumStar-Zivil,

- forumStar-Familie,

- forumStar-Straf und

- web.sta3.0/TV-STA-neu.

Bei Gesprächen mit Kollegen aus verschiedensten Anlässen und zu unterschiedlichen Gelegenheiten zeigte sich, dass nicht alle neuen Besen gut kehren, so dass wir im geschäftsführenden Landesvorstand beschlossen haben, der Sache auf den Grund zu gehen und eine Fragebogen-Aktion zu neuen EDV-Systemen in der Justiz zu starten.

 

Ab Dezember 2010 wurden unter tatkräftiger Mithilfe der Bezirksgruppen per Mail und teilweise in Papierform die Fragebögen unter die Kollegen gebracht. Die Auswertung erfolgte schwerpunktmäßig im 1. Quartal 2011. Es wurden auch noch Nachzügler bis Mai 2011 berücksichtigt. Dankenswerterweise hat unser Kollege Karl-Friedrich Engelbrecht, der die tabellarische Gesamtauswertung unter Einbeziehung der Teilauswertungen aus den Bezirksgruppen vorgenommen hat, die Tabellen für diese Auswertung nochmals aktualisiert.

Wir hatten einen Rücklauf von knapp über 200 ausgefüllten Fragebögen, darunter eine hohe Zahl, die den letzten Fragepunkt 14. für Freitext und Anregungen dazu genutzt haben, ausführlich ihre Erfahrungen, Wünsche und Anregungen darzulegen.

 

Vorausgeschickt sei noch Folgendes:

Wie bei der Baumbach‘schen Formel und jeder Umfrage sollten die Teile zusammen ein Ganzes, mithin 100% ergeben. Aufgrund von Rundungsdifferenzen ist dies nicht bei jeder Frage der Fall, so dass ich bitte, mir dies nachzusehen. Weiter ist für Statistik-Profis anzumerken, dass bei einigen wenigen Fragen Doppelnennungen erfolgten, so dass sich auch hieraus geringe Verschiebungen ergeben, die aber nicht im signifikanten Bereich liegen.

 

Zu Frage 1:

 

Zunächst wurde nach der Installation in der Dienststelle gefragt.

Bei knapp über 50% der Befragten ist web.sta3.0/TV-STA-neu installiert, bei einem weiteren knappen Viertel forumStar-Zivil, bei 19% forumStar-Familie und bei knapp 8% Forum-Star-Straf.

Bei 75% der Befragten waren diese neuen Systeme schon länger als ein halbes Jahr zum Zeitpunkt der Befragung installiert, nur bei 25% kürzer als 6 Monate.

Bei den Altersgruppen der Beantworter sieht es wie folgt aus: Mit 32% stellt die Gruppe mit 41 bis 50 Lebensjahren den größten Anteil, auf dem Fuße folgen mit je 25% die Altersgruppen 31 bis 40 und 51 bis 60. Von der jüngsten Altersgruppe bis 31 sind 12% der Antworten und von der Gruppe 61 bis 65 7% der Antworten.

Bei der Frage nach den bisher genutzten Systemen haben jeweils etwa 30% vorher Sijus/Genius bzw. TV-STA genutzt, 19% HADES, 17% websta 2.0 und knappe weitere 5% haben vorher jedenfalls keines der vier vorgenannten benutzt.

 

Zu Frage 2:

 

Hier wurde mittels vorformulierter Kurzvorgaben nach der Intensität/Frequenz der Nutzung von forumStar/websta3.0 gefragt. Die Mehrheit mit knappen 53% gab an, die neuen Systeme regelmäßig, für den überwiegenden Teil der Anwendungen zu nutzen, 22% gaben sogar an, dies stets für alle möglichen Anwendungen zu tun. 13% benutzen die neue Software nur für einige wenige Anwendungen, knappe 10% nur ausnahmsweise und knapp 2% gar nicht. Ein einziger gab an, Word für Dragon und E-Mail zu nutzen.

 

Zu Frage 3a:

 

Hier wurde gefragt, ob man die Möglichkeit nutzt, vorgegebene Formulare auszudrucken und von Hand auszufüllen (soweit möglich). Knapp 42% tun dies gelegentlich, 20% häufig und weitere 20% würden dies gerne tun, aber das System lässt das nicht zu. Eine Verneinung war in dem Formular nicht vorgesehen, aber immerhin knappe 17% haben individuell angegeben, nie die Formulare auszudrucken, um sie dann mit der Hand auszufüllen.

 

Zu Frage 3b:

 

Hier wurde - wieder mittels Vorgabe möglicher Antworten - danach gefragt, warum forumStar/websta 3.0 benutzt wird.

39% erklärten: weil sie es wollten und die Arbeit mit solchen Systemen normal fänden, 32% gaben an: weil sie dadurch die Service-Einheit entlasten könnten,

19%: weil sie an der Arbeit mit EDV-Systemen interessiert seien, und

10%: weil es die Dienstanweisung vorschreibe.

Daneben gibt es noch individuelle Antworten; diese reichen von „absolut widerwillig“ über „weil nachmittags keine Servicekraft da ist“ bis „weil es für mich sinnvoll und effizient ist“ und „weil es die Qualität verbessert“ oder „weil selbst Schreiben schneller ist als Diktat“.

 

Zu Frage 4:

 

Hier erklärten 75%, sie seien mit dem Programm forumStar/websta3.0 bereits gut vertraut und meinten, dass sich die Bearbeitungszeit nicht mehr ändern werde. Die restlichen 25% antworteten, sie seien mit dem Programm noch nicht gut vertraut, und meinten, die Bearbeitungszeit werde sich verkürzen.

 

Zu Frage 5:

 

Hier wurde gefragt, wie sich die Bearbeitungszeit des einzelnen durch forumStar/ websta3.0 quantitativ verändert hat.

Mehr als zwei Drittel gaben an, die Bearbeitungszeit habe sich erhöht. Knappe 28 % kreuzten an, die Bearbeitungszeit habe sich nicht verändert. Nur 5% erklärten, die Bearbeitungszeit habe sich verringert.

 

Zu Frage 6a:

 

Hier wurde - für den Fall einer Mehrbelastung durch die neuen EDV-Systeme - nach der Stundenzahl pro Woche gefragt. Hier gaben knapp 62% eine zeitliche Mehrbelastung zwischen 1 und 5 Stunden pro Woche an, knappe 32% eine Mehrbelastung mit bis zu einer Stunde, immerhin 6% eine von mehr als 5 Stunden pro Woche.

 

Zu Frage 6b:

 

Hier wurde - für den Fall eines zeitlichen Vorteils für den Nutzer - nach der Zeitersparnis pro Woche gefragt.

Für die wenigen, die überhaupt eine Zeitersparnis angaben, betrug diese bei der überwiegenden Mehrheit mit 75% nur bis zu einer Stunde, bei 25% zwischen einer und 5 Stunden. Eine Zeitersparnis von mehr als 5 Stunden hat keiner angegeben.

Wenn man die Bereiche 6a und 6b nebeneinander stellt, haben nicht einmal 10% der zum Zeitaufwand Befragten überhaupt eine Zeitersparnis gesehen.

 

Zu Frage 7:

 

Unabhängig von der Bearbeitungszeit sehen etwas über 45% der Befragten eher Vorteile in der Arbeit mit forumStar/websta3.0, ein Drittel immerhin eher Nachteile, während knappe 22% weder Vor- noch Nachteile sehen.

 

Zu Frage 8:

 

Diese entspricht der Frage 7, aber bezogen auf die Behörde, nicht den einzelnen Nutzer. Hier sehen - ebenfalls unabhängig von der Frage der Bearbeitungszeiten - 61% eher Vorteile für das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft in der Arbeit mit den neuen EDV-Systemen, 22% weder Vor- noch Nachteile und knappe 17% eher Nachteile.

 

Zu Frage 9:

 

Hier gaben 86% an, sie hätten vor, forumStar/websta3.0 in Zukunft unverändert zu verwenden, knappe 9% wollten die neuen Systeme häufiger und knappe 5% seltener verwenden.

 

Zu Frage 10:

 

Durch die Vorgaben der neuen EDV-Systeme fühlten sich in ihrer Arbeit knappe 30% nicht gestört, 8% sehr gestört und fast 62% teilweise gestört.

 

Zu Frage 11:

 

Vorgaben (Textverarbeitung und/oder Arbeitsschritte) der neuen EDV-Systeme werden von über zwei Dritteln der Befragten meistens akzeptiert, von 10% immer. Etwas über 20% ändern regelmäßig Vorgaben ab, weitere erklärten u.a., sie änderten nach Bedarf oder gelegentlich ab.

 

Zu Frage 12:

 

Es wurde gefragt, ob es in der jeweiligen Behörde möglich ist, Tätigkeiten, die das Programm vom Richter oder Staatsanwalt abfragt, von den Servicekräften ausführen zu lassen. Hier kreuzten 55% an, dies sei uneingeschränkt möglich, knappe 36% gaben an, dies sei personell von den Servicekräften nicht leistbar. Knappe 3% gaben an, dies sei dem Einzelnen (Richter/Dezernent) von der Leitung der Dienststelle bzw. den Servicekräften von der Leitung der Dienststelle (1%) untersagt. Weitere individuelle Angaben lauteten z.B., dies sei in geringem Umfang bzw. teilweise möglich, nicht gewünscht, aber auch nicht untersagt, bzw. von den Servicekräften nicht gewünscht.

 

Zu Frage 13:

 

Befragt nach dem persönlichen Eindruck (unter Vorgabe von Antwortmöglichkeiten), erklärten etwas über 70%, sie hätten den Eindruck, von ihnen werde erwartet, dass sie Arbeiten erledigen sollten, die ihnen nicht oblägen, während nur 1% den Eindruck hatte, die Service-Einheiten erledigten nunmehr Arbeiten, die dem Befragten oblägen. Knappe 27% meinten, die Arbeitsverteilung zwischen Richter/Dezernent und Service-Einheit sei gleich geblieben. Individuell formulierte Antworten sprechen von leichter Arbeitsverschiebung bzw. dezidiert davon, man erledige Arbeiten, die einem nicht oblägen.

 

Zu Frage 14:

 

Hier war Freiraum für eigenen Text, etwa für Wünsche an Programme oder Ausstattung. Davon wurde reger Gebrauch gemacht, so dass im Folgenden die markantesten Punkte zusammengefasst werden.

Dies sind die am häufigsten genannten Verbesserungswünsche:

- Anbindung an Word

- selbsterklärende Benutzerführung (Stichworte: benutzerfreundliche Oberfläche, einheitliche Programmführung)

- schnelleres und besseres Betriebssystem (derzeit häufige Abstürze mit Datenverlust)

- mehr individuelle Eingabemöglichkeiten (zu viele inhaltliche Vorgaben)

- weniger „Klicks“ zwischen Texterstellung und Ausdrucken

- Verbesserung der Texte nach Form und Sprache (Stichwort: Visitenkarte der Justiz; betr. insbes. websta3.0)

- generelle Verbesserung von forumStar-Familie (derzeit sehr umständlich und zeitaufwändig)

- größere und besser lesbare Schrift

- Feedback/Erfahrungsaustausch zwischen Anwendern und EDV-Fachleuten

- bessere Kommunikation über Programmänderungen, -verbesserungen

- zeitnahe und ggf. zentrale Aktualisierung und Pflege von Fachvorlagen (insbes. betr. StA)

- Hardware: bessere Bildschirme.

 

Summa summarum lässt sich konstatieren, dass eine Arbeitszeitersparnis für Richter und Staatsanwälte durch die Einführung der neuen EDV-Systeme nicht erreicht wurde. Teilweise dauern die Arbeitsgänge aufgrund der technischen Ausgestaltung länger als „von Hand“ oder in alten Systemen, teilweise müssen Arbeiten mit erledigt werden, die eigentlich dem Servicebereich obliegen. Dass damit auf Dauer ein Abbau von Geschäftsstellenpersonal erreicht werden soll, liegt auf der Hand und wurde im Freitext von etlichen Kollegen ausdrücklich als Negativum aufgeführt.

 

Letztlich sind die EDV-Systeme Handwerkszeug, sprich, sie müssen eine effiziente Erledigung der Arbeit ermöglichen, nicht jedoch Mittel zur Gestaltung personalpolitischer Vorstellungen. Wenn dann gar noch durch unabänderliche Vorgaben, die über reine Formalien hinausgehen, die Arbeit inhaltlich tangiert wird, kann mit Fug und Recht - wie bei den Antworten aufgeführt - von einem Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gesprochen werden. Es wird sich keiner gegen Vorlagen für das sogenannte Massengeschäft wehren, weil diese letztlich der Arbeitserleichterung bzw. -bewältigung dienen. Aber es muss insbesondere für den Bereich richterlicher Entscheidungen die technische Möglichkeit bestehen, Texte individuell abzuändern. Abgesehen davon, dass bei sprachlichen und auch noch layout-technischen Missgriffen dann das Ganze aussieht wie „Schreib- und Formatierversuche von Word-Einsteiger-Kurs-Besuchern“, um einen Kollegen zu zitieren.

 

Der Landesvorstand Bad.-Württ. schlägt daher vor, dass das Justizministerium eine eigene Nutzer-Befragung durchführt, damit die Justiz optimal funktionierende und bedarfsgerechte  EDV-Systeme zur Unterstützung der täglichen Arbeit bekommt.

Cornelia Praast-Dieterich