(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/10, 3) < home RiV >
„Das gab es noch nie!“
Weihnachtsgeld-Demos[1]
Dieser erste Satz der Presseerklärung des Hamburgischen Richtervereins vom 25.11.2010 hat offensichtlich das Interesse der Presse geweckt und uns damit öffentliche Aufmerksamkeit der Printmedien beschert.
Im Sommer hatte der ehemalige Erste Bürgermeister von Beust die Streichung des Weihnachtsgeldes für Richter und Staatsanwälte verkündet und der zukünftige ehemalige Erste Bürgermeister Ahlhaus hatte hieran in der Folge festgehalten. Der nette Gratulationsbrief des Richtervereins vom 30.08.2010 (siehe MHR 3/2010 Seite 3) zum Amtsantritt des Ersten Bürgermeisters Ahlhaus hatte nicht gefruchtet. Als loyaler Staatsdiener sehe ich eine Gehaltskürzung um 5% als illoyales Handeln meines Arbeitgebers an. Schon Hugo Grotius stellte bei Illoyalität der Regierenden klar:
„So nehmen Sie als Reaktion auf den Rechtsbruch der Herrschenden, die unter dem Vorwand des Gemeinwohls sich nicht scheuen, Vereinbarungen zu brechen, gewöhnlich auch das Recht in Anspruch, nämlich dass Sie, weil der Herrscher die Gesetze bricht, von Ihrer Pflicht zur Treue und zum Gehorsam entbunden werden, bis diese Rechtsverstöße beendet werden.“[2]
So weit muss man nicht gehen, aber aus dieser Situation heraus beschloss der Vorstand des Richtervereins, dass bei aller gebotener Zurückhaltung die Zeit der netten Briefe vorbei ist und Richter und Staatsanwälte ihren Protest gegen eine weitere erhebliche Kürzung der ohnehin verfassungswidrig niedrigen Alimentation auf die Straße tragen. Das gab es bis dato in Hamburg tatsächlich noch nie, dass Richter und Staatsanwälte für ihre Besoldung demonstrieren müssen!
Es galt also eine geeignete Großdemonstration zu finden, an welcher wir uns angemessen beteiligen konnten. Als erstes bot sich die vom dbb Hamburg organisierte Demonstration am 06.10.2010 an, bei welcher das Rathaus bei genehmigtem Eindringen in die Bannmeile umstellt wurde. Dem Richterverein, der sich hier mit etwa 200 Mitgliedern beteiligte, wurde hier vom Veranstalter – Dank an dieser Stelle an Herrn Klüver, dem Vorsitzenden des dbb Hamburg – besondere Aufmerksamkeit zuteil, als wir als Gruppe zunächst gesammelt und sodann zentral vor dem Rathauseingang postiert wurden. Allein: In der öffentlichen Berichterstattung wurden wir überhaupt nicht wahrgenommen.
Wir sind ja lernfähig. Im November bot sich dann die Gelegenheit, es besser zu machen: André Schulz, Vorsitzender des bdk Hamburg und stellvertretender Bundesvorsitzender des bdk – auch ihm sei Dank – , bot dem Hamburgischen Richterverein eine Beteiligung an der geplanten Großkundgebung der Polizei nach deren Personalversammlung am 25.11.2010 an. Zeitgleich manifestierte sich der Kürzungswille des Besoldungsgesetzgebers in einem Entwurf einer Senatsdrucksache, aus welchem zu entnehmen war, dass bei sprudelnden Steuermehreinnahmen des reichen Stadtstaats Hamburg in einer Höhe von mehreren 100 Mio. Euro die Besoldung der Beamten und Richter im Bundesvergleich auf den 15. Platz gedrückt werden soll. Noch liegt Hamburg im Besoldungsvergleich auf Rang 4!
Hier ist kein Raum für Kraftausdrücke, aber die Wut der Kolleginnen und Kollegen über diese Unverschämtheit ist beträchtlich! Der Hamburgische Richterverein rief somit zur Teilnahme an dieser Demonstration auf. Flaggen mit dem Vereinslogo wurden geordert und zur angekündigten Zeit trafen sich vor dem Hanseatischen OLG etwa 200 Richter und Staatsanwälte, um gemeinsam mit der Polizei und der Feuerwehr zu demonstrieren.
Vor dem CCH und auf der Demonstrationsstrecke kamen noch viele Mitglieder dazu, so dass wir letztlich mit etwa 300 Teilnehmern im Demonstrationszug unterwegs waren. Bei der Abschlusskundgebung auf der Mönckebergstraße wurden den Regierenden von den Polizeifunktionären dann ein paar deutliche Töne gesagt, die ihnen bis zur neuen Regierungsbildung hoffentlich im Gehör bleiben.
Olaf Graue
[1] Fotos: erstes: Quandt; zweites: dbb; drittes: Hirth
[2] Ita contra fraudem imperantium, qui obtenu publici boni conventiones non metuunt rescindere, illud quoque proprium pacisci solent, ut, principe leges violante, ipsi fidei et obsequii vinculo liberentur, donec demantur injuria. (Hugo Grotius, Annales et Historiae de Rebus Belgicis, 1657)