(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/10, 31) < home RiV >
Straffälligenhilfe tut not
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Straffällige verdienen nicht nur Strafe; viele von ihnen brauchen nach Strafverbüßung auch Hilfe, um den Weg zurück in die Gesellschaft und zu einer straffreien Lebensführung zu finden. Denn die psychosoziale Lebenslage und oftmals auch die kriminelle Karriere vieler Straftäter sind geprägt durch vielfache Mängel und Probleme, die sich zum Teil gegenseitig verstärken. Durch eine Inhaftierung verschärfen sich die persönlichen, familiären, sozialen und wirtschaftlichen Probleme für die Betroffenen und ihre Angehörigen zusätzlich. Zu den genannten Schwierigkeiten der Lebenssituation kommt hinzu, dass Straffällige in besonderem Maße gesellschaftlich ausgegrenzt werden, was ihre Re-Integration in die Gesellschaft zusätzlich erschwert.
Hilfe für Straffällige dient nicht nur den Betroffenen selbst; sie dient auch der Gesellschaft, denn eine gelungene Resozialisierung verhindert künftige Straftaten und ist der beste Opferschutz. Straffälligenhilfe ist deshalb nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern ebenso der Vernunft in einem opferorientierten System des Strafens, das wesentlich auch den Schutz der Allgemeinheit bezweckt.
Neben den staatlichen Trägern der Resozialisierung, dem Strafvollzug und der Bewährungshilfe, ist die Freie Straffälligenhilfe die dritte große Säule. Freie Träger der Straffälligenhilfe haben gegenüber staatlichen Trägern der Resozialisierung eine spezifische Qualität: Ihre Einrichtungen und Dienste sind niedrigschwellig; die Akzeptanz bei den straffälligen Klienten ist groß, sie finden erfahrungsgemäß leichter Zugang zu freien Trägern als zu staatlichen Einrichtungen. Freie Träger können sich flexibel auf Veränderungen umstellen und laufende Prozesse nachsteuern; ihre Personal- und Sachkosten sind geringer als die des öffentlichen Dienstes. Freie Träger sind in besonderer Weise eine Brücke zurück in die Gesellschaft, insbesondere bei Einbindung von ehrenamtlichen Helfern in ihre Arbeit.
Der Hamburger Fürsorgeverein von 1948 (www.hamburger-fuersorgeverein.de) ist der älteste und traditionsreichste der freien Träger der Straffälligenhilfe in Hamburg. In früheren Jahren hatte der Verein bis zu 1.500 Mitglieder, die zu einem großen Teil aus dem Kreis der Hamburger Justiz kamen. Der Verein unterhielt ein breites Angebot an Hilfen ganz unterschiedlicher Art zur materiellen Unterstützung, Beratung oder Betreuung von Straffälligen und deren Angehörige. Doch diese Aktivitäten konnten im früheren Umfang nicht aufrecht erhalten werden. Denn die gesellschaftliche Einbindung und die finanzielle Lage des Vereins haben sich in den letzten Jahren deutlich nachteilig verändert.
Die Zahl der Mitglieder ist kontinuierlich gesunken auf derzeit nur noch 400. Auch die finanzielle Lage des Hamburger Fürsorgevereins hat sich spürbar verschlechtert. Gegenüber früheren Zeiten sind die Zuweisungen aus dem Bußgeldfonds geringer geworden und statt pauschaler Förderung auf einzelne, konkret zu beschreibende und zu belegende Projekte beschränkt. Entsprechend dem Rückgang der Mitgliederzahl sind die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen gesunken. Gleiches gilt bei allgemein zurückgegangener Spendenbereitschaft für Spenden. Da der Fürsorgeverein (mit Ausnahme der Wohnheimgesellschaft, siehe dazu im Folgenden) keine öffentlichen Mittel erhält und seine Arbeit allein aus den genannten Quellen finanzieren muss, droht der langsame Niedergang eines wichtigen freien Trägers der Straffälligenhilfe in Hamburg. Doch der Fürsorgeverein möchte nicht aufgeben; er kämpft trotz der überaus schwierigen Situation um die Fortentwicklung bisheriger und die Übernahme neuer Aufgaben.
Die bisherigen Aufgaben liegen schwerpunktmäßig in zwei Bereichen:
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter – zur Zeit etwa 80 - sind seit jeher ein unverzichtbares Element in der Arbeit des Fürsorgevereins. Sie übernehmen folgende Aufgaben:
- Einzelbetreuung und -begleitung Inhaftierter während des Strafvollzugs und nach der Entlassung;
- Hilfe für Angehörige von Straffälligen; diese geraten namentlich bei einer Inhaftierung durch Untersuchungs- oder Strafhaft oft in eine schwierige Situation und brauchen dringend Rat und Unterstützung;
- soziale Trainingskurse zur Entlassungsvorbereitung in den Hamburger Justizvollzugsanstalten; die Kurse umfassen 8 - 10 jeweils zweistündige Trainingseinheiten, die nach einem festgelegten Modulplan Fragen der Wohnungssuche, Arbeit und Beschäftigung sowie lebenspraktische Themen behandeln;
- Gruppenangebote zur Freizeitgestaltung in und außerhalb der Justizvollzugsanstalten.
Die Ehrenamtlichen leisten ihre Arbeit bis auf eine geringe Aufwandsentschädigung zwar unentgeltlich. Ihr Einsatz in der Straffälligenhilfe ist aber nur verantwortbar, sinnvoll und persönlich für sie zumutbar, wenn sie eine gründliche Ausbildung, kontinuierliche Fortbildung und eine beratende Begleitung während ihres Einsatzes durch sozialpädagogische Fachkräfte erhalten.
Geplant und in Vorbereitung für den Bereich der Ehrenamtlichen ist eine in der Max-Brauer-Allee gelegene Anlauf- und Beratungsstelle, an die sich Straffällige und ihre Angehörigen ohne vorherige Terminabsprache wenden können. Diese soll zuverlässig und möglichst durchgehend an Wochentagen durch ehrenamtliche Mitarbeiter besetzt sein. Hier sollen diese auch die Möglichkeit zu Einzelgesprächen mit den von ihnen betreuten Klienten haben.
Die 1973 als selbständige Tochter des Fürsorgevereins gegründete gemeinnützige Wohnheim GmbH hat ihren Aufgabenschwerpunkt im Bereich Wohnen. Hier bietet sie einen sozialpädagogisch begleiteten Übergang aus der Haft zurück in die Gesellschaft für erwachsene Männer und Frauen mit verschiedenen Projekten:
- Das Wohnheim in der Max-Brauer-Allee in Altona hat 21 Plätze für haftentlassene Männer; Ziel ist die Überleitung möglichst in eine eigene Wohnung nach spätestens eineinhalb Jahren. Damit verbunden sind die verpflichtende Teilnahme an einem sozialpädagogischen Programm sowie die Möglichkeit zur Teilnahme an Angeboten zur Freizeitgestaltung.
- Mit der „Ambulanten WohnBegleitung“ werden Männer nach dem Auszug aus dem Wohnheim auf Wunsch intensiv sozialpädagogisch für ca. ein Jahr weiter betreut. Auch nach dieser Zeit erhalten sie unbefristet Rat und Hilfe bei Alltagsproblemen und in Krisensituationen.
- Die „FrauenProjekte“ bieten zwei Möglichkeiten des Wohnens mit Betreuung für haftentlassene Frauen an. Als teilstationäre Alternative hat die Wohnheim GmbH 10 Projektwohnungen angemietet, die haftentlassenen Frauen übergangsweise zur Verfügung gestellt werden, verbunden mit intensiver sozialpädagogischer Betreuung. Mit der ambulanten Alternative werden 9 Frauen, die nach der Haft in eine eigene Wohnung entlassen werden, in allen Fragen ihrer Lebensführung durch Rat und Hilfe sozialpädagogisch unterstützt.
- Ein weiteres Projekt der Wohnheim GmbH (in Kooperation mit dem Verein „Jugend hilft Jugend e.V.“) ist das Antigewalt- und Kompetenztraining. Es wird für eine geschlossene Gruppe von 10 erwachsenen Männern, die durch Gewaltdelikte, namentlich Körperverletzungen, straffällig geworden sind, drei Mal im Jahr angeboten. Ziel ist die Minderung von Aggressivität und die Förderung von Handlungskompetenz und pro-sozialem Verhalten.
Die Angebote der Wohnheim GmbH werden durch öffentliche Mittel finanziert.
Über diese seit vielen Jahren wahrgenommenen Aufgaben hinaus hat der Hamburger Fürsorgeverein zukunftsorientiert neue Hilfen für Straffällige in den Blick genommen bzw. eingeleitet.
In der bundesweiten kriminal- und vollzugspolitischen Fachdiskussion hat die Notwendigkeit einer besseren Resozialisierung von Strafgefangenen in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung gewonnen. Unter dem Stichwort „Übergangsmanagement“ werden Systeme eines strukturierten und begleiteten Übergangs aus dem Strafvollzug in die Freiheit mit aufeinander aufbauenden Maßnahmen in Kooperation von Strafvollzug, Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie freien Trägern der Straffälligenhilfe diskutiert und erprobt. Der Hamburger Fürsorgeverein hat für ein Übergangsmanagement in Hamburg ein umfangreiches schriftliches Konzept vorgelegt, das einen wichtigen Beitrag geleistet hat für die Diskussion in der vom Hamburger Justizsenator zum gleichen Thema eingesetzten Fachkommission, die von Anfang 2009 bis Anfang 2010 tätig war.
Die Versorgungslage auf dem Wohnungsmarkt ist in Hamburg gerade für Haftentlassene äußerst schwierig und stellt ein wesentliches Hemmnis für eine gelingende Integration dar. Der Hamburger Fürsorgeverein hat deshalb das Projekt „50 Wohnungen für Haftentlassene“ begonnen. Im Rahmen dieses Projektes vermieten Hamburger Wohnungsbauunternehmen kleine Wohnungen an den Fürsorgeverein, der diese durch Zwischenmietverhältnisse für die Dauer von 18 Monaten an Haftentlassene übergibt. Während dieser Zeit garantiert der Fürsorgeverein die Mietzahlungen und die Kosten für eventuelle Renovierungen und gewährleistet die Beratung und Betreuung der haftentlassenen Zwischenmieter, um ihre Integration systematisch zu fördern. Bei gutem Verlauf dieser Übergangsphase sollen die Klienten die Wohnung mit eigenem Hauptmietvertrag übernehmen und der Fürsorgeverein kann für eine weitere Wohnung ein neues Zwischenmietverhältnis mit einem Haftentlassenen begründen. Bislang sind für das Projekt 12 Wohnungen gewonnen worden und derzeit werden bei sehr starker Nachfrage die für das Projekt in Frage kommenden Gefangenen ausgewählt.
Bis ins Jahr 2003 wurden durch den Fürsorgeverein die „Handwerklichen Trainingswerkstätten“ betrieben. Dieses war ein niedrigschwelliges Angebot für Gefangene mit geringen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt zum Arbeitstraining mit beruflichen Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bis hin zur Umschulung zum Tischler in den Bereichen der Arbeit mit Holz und Metall, verbunden mit intensiver sozialpädagogischer Betreuung. Zeitgleich wurde in Kooperation mit dem Hamburger Arbeitsamt intensiv die Vermittlung in Arbeit betrieben. Die Trainingswerkstätten waren eine wichtige Eingliederungshilfe mit Überbrückungsfunktion für Freigänger und langzeitarbeitslose Haftentlassene. Mit Einstellung der finanziellen Förderung dieser Maßnahme durch das Arbeitsamt mussten die Handwerklichen Trainingswerkstätten geschlossen werden. Der Fürsorgeverein sucht nach Wegen, um wieder ein solches Angebot zur Integration von Haftentlassenen in den Arbeitsmarkt zu schaffen.
Alle diese Aktivitäten zeigen, dass der Hamburger Fürsorgeverein auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zu einer wirksamen Straffälligenhilfe in Hamburg leisten will. Doch dazu muss der Verein personell und finanziell gestärkt und unterstützt werden.
Zum einen braucht der Verein mehr Mitglieder, die durch ihr Engagement in der Straffälligenhilfe deutlich machen, dass es auch für Menschen, die mit dem Makel als Krimineller behaftet sind, einen Weg zurück in die Gesellschaft gibt. Als Mitglieder im Sinne dieser Brückenfunktion sind Menschen aus allen Gesellschaftsschichten willkommen. Der Fürsorgeverein hat jedoch traditionell einen großen Mitgliederstamm aus dem Kreis der Justiz; die Mitgliedschaft von Richtern und Staatsanwälten bringt zum Ausdruck, dass ihr berufliches Engagement nicht mit dem amtlichen Handeln im Bereich des Strafrechts endet, sondern dass ihnen das, was nach dem Urteil kommt, die Resozialisierung von Straffälligen, ein wichtiges Anliegen ist. Deshalb würde der Fürsorgeverein sich sehr freuen, wenn er wieder vermehrt durch Mitglieder aus dem Kreis der Justiz gestärkt werden könnte.
Früher, in den siebziger und achtziger Jahren, gab es Frau Hilla Paul. Das war eine rüstige und zum Schluss hoch betagte Arztwitwe, die es als ihre wesentliche Lebensaufgabe ansah, Mitglieder für den Fürsorgeverein zu werben. Sie suchte alle neu beim Gericht oder der Staatsanwaltschaft eingestellten Assessoren persönlich in ihrem Dienstzimmer auf und verließ dieses in der Regel erst dann wieder, wenn die oder der Aufgesuchte – überzeugt oder resigniert – den Antrag auf Mitgliedschaft beim Fürsorgeverein unterschrieben hatte. Heute gibt es eine solche Frau Paul mit ihrer hartnäckigen altruistischen Werbestrategie nicht mehr, und vielleicht ist eine solche Form des Werbens um persönliches Engagement auch nicht mehr ganz zeitgemäß. Vielleicht hat aber dieser Beitrag mit der Darstellung der Arbeit des Fürsorgevereins Ihr Interesse geweckt und Sie erwägen eine Mitgliedschaft (Jahresbeitrag 26 €). Dann sendet Ihnen die Geschäftsstelle des Vereins (Tel. 3003375- 20; E-Mail: mail@hamburger-fuersorgeverein.de) gerne den entsprechenden Antrag sowie weiteres Informationsmaterial zu. Auf Wunsch können Sie auch durch ein persönliches Gespräch mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter des Vereins näher informiert werden.
Zum anderen braucht der Fürsorgeverein dringend finanzielle Unterstützung, um die geschilderten Aufgaben für die Resozialisierung Straffälliger in Hamburg leisten zu können. Hilfreich wären hier bei Einstellungen nach §§ 153a Abs. I und II StPO Zuweisungen von Geldbußen an den Fürsorgeverein, und zwar nicht über den Sammelfonds für Bußgelder, sondern in Form der Direktzuweisung. Dem sollten jedenfalls dann keine Bedenken entgegenstehen, wenn dies dem Vorschlag eines Beschuldigten bzw. Angeklagten entspricht; denn diesen dürfte als Betroffenen die Hilfe für Straffällige ein besonderes Anliegen sein.
Bitte helfen Sie dem Hamburger Fürsorgeverein!
Holle Eva Löhr